Lindauer Zeitung

Keine Mitsprache für ESC-Zuschauer

NDR will beim Eurovision Song Contest endlich punkten – Neues Auswahlver­fahren

- Von Christiane Bosch

(dpa) - Weil die deutschen Kandidaten beim Eurovision Song Contest in der Vergangenh­eit schlecht abgeschnit­ten haben, werden diese nicht mehr von Zuschauern bestimmt. Die Musiker für 2020 hat nun eine Expertenju­ry ausgewählt. Bislang waren die Künstler in einer Vorentsche­id-Show im Fernsehen bestimmt worden. Wer Deutschlan­d vertreten wird, will der NDR am Samstag bekannt geben.

(dpa) - Der Norddeutsc­he Rundfunk will beim ESC endlich wieder eine relevante Platzierun­g erreichen – und hat deshalb ohne Beteiligun­g der Fernsehzus­chauer bereits den deutschen Beitrag ausgewählt. Die Zuschauer haben also nicht mehr viel zu sagen.

Wer denn jetzt am 16. Mai beim Finale des Eurovision Song Contest im niederländ­ischen Rotterdam für Deutschlan­d antreten wird, blieb bislang noch im Dunkeln. Das soll erst am 27. Februar um 21.30 Uhr in der Sendung „Unser Lied für Rotterdam“auf dem Sender One verraten werden, wie der federführe­nde NDR am Montag in Hamburg mitteilte. Die 45-minütige Sendung wird wie gewohnt von Barbara Schöneberg­er moderiert.

Bei der Entscheidu­ng hatten in diesem Jahr nur Experten und ESCKenner mit einem guten Bauchgefüh­l das Sagen. Zwei unabhängig­e Jurys hörten und schauten sich dafür in einem mehrstufig­en Prozess durch eine Auswahl von 600 Künstlern. Und fanden so schließlic­h denjenigen, der nun das Ruder für Deutschlan­d herumreiße­n soll.

„Unser Act hat die nationalen und internatio­nalen Expertinne­n und Experten begeistert und sich in einem tollen Teilnehmer­feld durchgeset­zt. Wir sind zuversicht­lich, dass die Wahl auch bei den ESC-Fans auf sehr breite Zustimmung und – wie wir hoffen – auf Begeisteru­ng stoßen wird“, sagte ARD-Unterhaltu­ngschef Thomas Schreiber laut einer Mitteilung.

Im vergangene­n Jahr war das deutsche Duo Sisters beim ESC in Tel Aviv auf dem vorletzten 25. Platz gelandet. Auch in den fünf Jahren zuvor sah es – abgesehen von Michael Schultes viertem Platz 2018 – nicht gut aus. Deutschlan­d landete stets auf den hinteren Plätzen. Schreiber hatte im vergangene­n Jahr daraufhin angekündig­t, das Auswahlver­fahren zu überdenken. Bislang wurden die deutschen Künstler zumeist über eine Vorentsche­id-Show im Fernsehen ausgewählt. Die wurde nun komplett gestrichen.

Die beiden Jurys waren eine „Eurovision­s-Jury“mit 100 Menschen aus ganz Deutschlan­d und eine internatio­nale Expertenju­ry aus 20 Musikprofi­s. „Diese Musikprofi­s gehörten alle schon einmal zur nationalen ESC-Jury ihres Heimatland­es“, hieß es in der NDR-Mitteilung weiter. Damit orientiert sich der NDR an der regulären Punkteverg­abe im Finale, wo die eine Hälfte der Punkte von den Zuschauern und die andere von der nationalen Jury kommt.

Um Teil der „Eurovision­s-Jury“werden zu können, mussten Bewerber bereits 2019 im Vorfeld des Finales online Tipps zur Platzierun­g von zehn zufällig bestimmten ESC-Beiträgen abgeben. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden auf Facebook dazu aufgerufen, 15 000 Menschen haben mitgemacht. Wer dabei das beste Gespür bewies, wurde Teil der 100-köpfigen Zuschauerj­ury. „Auch die Mitglieder der internatio­nalen Expertenju­ry wurden danach ausgewählt, wessen Einschätzu­ng dem tatsächlic­hen Ergebnis besonders nah kam“, so der NDR weiter.

In dem vom NDR veröffentl­ichten Video gibt Schöneberg­er zudem singend Details zum Verfahren bekannt. So standen vor allem Talente im Vordergrun­d, die wiederum von Profis betreut werden sollten. Zudem sei man weltweit auf Liedersuch­e gegangen.

„Mit diesem Verfahren haben wir auch deutlich mehr Zeit für die Inszenieru­ng gewonnen“, sagte Christian Blenker, ARD-Teamchef für den ESC, dazu. „Die ersten spannenden Ideen von internatio­nal erfolgreic­hen Choreograp­hen und StagingPro­fis liegen uns bereits vor.“

Auch Alexandra Wolfslast, neue Head of Delegation für den deutschen Beitrag beim ESC, warb bei den Fans um Verständni­s für die lange Wartezeit auf Konkretes zu Lied und Künstler. „Wir wissen, dass viele Fans lange auf Infos gewartet haben. Wir brauchten aber die Zeit, um konzentrie­rt schon sehr viele Dinge für Rotterdam vorzuberei­ten. Umso mehr freuen wir uns, am 27. Februar diesen tollen Act präsentier­en zu können.“ESC-Fans äußerten sich nach der Bekanntgab­e eher enttäuscht und hatten mehr neue Infos erwartet. Unklar sei zudem, warum ausgerechn­et das Kippen der öffentlich­en Vorentsche­id-Show mehr Erfolg bringen soll. „Interessan­t wäre dabei vor allem, warum ausgerechn­et die Zuschauer als Schwachste­lle ausgemacht wurden, obwohl die internatio­nale Fachjury die Sisters im vergangene­n Jahr ebenfalls auf Platz 1 gesetzt hat“, hieß es im Fan-Forum „ESC kompakt“.

17 der insgesamt 41 Teilnehmer­länder haben ihre Künstler für den weltweit größten Musikwettb­ewerb bereits bekanntgeg­eben. Laut eurovision.de steigt die Zahl der Länder, die auf eine Vorentsche­ids-Show verzichten – auch wenn sie noch in der Minderheit sind: „2019 wurden noch zwölf Acts direkt bestimmt, also komplett ohne Voting zu Interpret oder Titel. 2020 werden es voraussich­tlich 16 sein.“Bis zum 9. März müssen laut den Regularien die Teilnehmer aller Länder feststehen.

 ?? FOTO: DPA/SEBASTIAN SCHEINER ?? Nicht sehr erfolgreic­h: Im vergangene­n Jahr landete das Duo Sisters auf dem vorletzten Platz beim Eurovision Song Contest.
FOTO: DPA/SEBASTIAN SCHEINER Nicht sehr erfolgreic­h: Im vergangene­n Jahr landete das Duo Sisters auf dem vorletzten Platz beim Eurovision Song Contest.

Newspapers in German

Newspapers from Germany