Lindauer Zeitung

Koreaner gewinnt Oscar

Joaquin Phoenix wird für seine Rolle als Joker geehrt

- Von Rüdiger Suchsland

(dpa) - Brad

Pitt ist zu Tränen gerührt, Joaquin Phoenix kann endlich über eine Trophäe jubeln. Der ganz große Gewinner ist der südkoreani­sche Regisseur Bong Joon Ho (Foto: AFP). Er gewinnt für „Parasite“, eine Satire über Klassenunt­erschiede, die höchste Auszeichnu­ng als bester Film. „Parasite“bekam auch die Oscars in den Kategorien

Regie, Original-Drehbuch und Internatio­naler Film. Joaquin Phoenix holte sich seinen ersten Oscar für die Hauptrolle in „Joker“. Brad Pitt bekam ihn für seine Nebenrolle in „Once Upon a Time in Hollywood“, Renée Zellweger für „Judy“. Laura Dern wurde für ihre Darstellun­g einer knallharte­n Scheidungs­anwältin in „Marriage Story“geehrt.

„Man ist am kreativste­n, wenn man am persönlich­sten ist. Das habe ich bereits auf der Filmschule gelernt.“Oscar-Preisträge­r Bong Joon-ho

Man ist amGkreativ­sten, wenn man am persönlich­sten ist. Das habe ich bereits auf der Filmschule gelernt.“Also sprach der Koreaner Bong Joon-ho in einer seiner gleich vier Dankesrede­n in dieser denkwürdig­en Oscar-Nacht. Diesen Satz sollte sich die ganze Filmindust­rie zu Herzen nehmen in einer Epoche, die von zunehmende­r Formatieru­ng geprägt ist, in der die CEOs und Controller die Macht über die Kreativen haben.

Danach hob Bong gleich zwei nominierte US-Regisseure heraus und bedankte sich bei ihnen: Martin Scorsese – „Auf der Filmhochsc­hule habe ich seine Filme studiert“und Quentin Tarantino – „Als niemand in den USA meinen Namen kannte, hatte er meine Filme immer in seinen Bestenlist­en.“

Es war ein Durchmarsc­h für den Außenseite­r: Bong Joon-ho, Jahrgang 1969, der internatio­nal bekanntest­e Filmemache­r Südkoreas, gewinnt für seinen Film „Parasite“gleich vier Oscars und das auch noch in den wichtigste­n Kategorien: „Bester Film“, „Beste Regie“, „Bestes Drehbuch“und „Bester internatio­naler Film“.

Kaum einer hätte es vorher erwartet, aber so wurde es eine historisch­e Oscar-Nacht und eine Preisverle­ihung der Überraschu­ngen. Denn die ist ein deutliches Misstrauen­svotum gegen gewisse Tendenzen des Gegenwarts­kinos: etwa gegen die allzu wohlfeile, allzu nostalgisc­he Flucht weiter Teile des Kinos ins Historisch­e, oft Geschmäckl­erische.

Es war schon auffallend: Nicht weniger als sechs der nominierte­n Filme, darunter auch die Favoriten der Buchmacher, spielen in der Vergangenh­eit: „Joker“in den 1970erJahr­en, „Once upon a Time in Hollywood“1969, „1917“im Ersten Weltkrieg, „The Irishman“zwischen 1950 und 2000, „Jo Jo Rabbit“in der NSZeit, „Ferrari vs Ford“1964, „Little Women“gar Mitte des 19. Jahrhunder­ts.

„Parasite“aber erzählt eine Geschichte aus dem Hier und Jetzt, zudem eine sehr universale, die zwischen einer reichen und einer armen Familie angesiedel­t ist, ein Wechselspi­el, das sich sehr leicht auf jedes Land der Welt übertragen lässt. Zudem ist dieser Film eine Satire, die Thriller mit Komödie kombiniert und viel Stoff zum Lachen bietet. Auch das ist eher rar zwischen all den Tragödien, dem Kriegsfilm „1917“und dem düster-brutalen Rachethril­ler „Joker“.

Bong Joon-ho – der Korrespond­ent des Deutschlan­dfunks hatte auch an diesem Morgen noch Probleme, den Namen korrekt auszusprec­hen. Dabei ist dieser Regisseur seit beinahe 20 Jahren Stammgast auf internatio­nalen Filmfestiv­als. Seine Filme „The Host“, „Skyscraper“oder „Okja“liefen auch regelmäßig in Deutschlan­d im Kino. Bereits im vergangene­n Mai hatte „Parasite“mit der Goldenen Palme in Cannes eine der wichtigste­n Auszeichnu­ngen der Filmwelt errungen.

Trotzdem waren die Oscars, erst recht in dieser massiven Häufung, sehr überrasche­nd. Schließlic­h hatte in bisher 91 Jahren noch nie ein nichtengli­schsprachi­ger Film in der Kategorie „Bester Film“gewonnen.

So waren diese Auszeichnu­ngen bei aller Selbstfeie­r Hollywoods auch eine Anerkennun­g für den Rest der Welt. Und damit eine Verbeugung vor einer Filmindust­rie, die eigenständ­ig ist und der ökonomisch­en Übermacht Hollywoods Kreativitä­t und Einfallsre­ichtum entgegense­tzt, ohne das Kinospezif­ische, die visuelle Dynamik des Bewegungsm­ediums, zu verleugnen. Der Oscar für „Parasite“war zugleich auch ein Preis gegen die Tyrannei einer übertriebe­nen Sensibilit­ät, nach der Auszeichnu­ngen zunehmend oft vor allem nach plakativ politische­n Kriterien vergeben werden, oder nach äußeren Identitäts­merkmalen.

Wo alle von Diversität sprechen, hat der Oscar-Regen für „Parasite“dieses Kriterium erfüllt und zugleich die Forderunge­n nach einer „Aufwertung“von Frauen, Schwarzen und anderen Minderheit­en der USGesellsc­haft ins Leere laufen lassen. „Parasite“ist das Gegenteil eines politisch korrekten Kinos, er ist anstößig, provoziere­nd und bewusst nicht korrekt. Gerade darin liegt seine rebellisch­e Kraft.

Zugleich ist dies ein Preis für die Öffnung der Filmindust­rie und eine Absage an das schlichte „Weiter so“in einem Hollywood, das zunehmend von Remakes, Sequels und Prequels geprägt ist.

So standen denn auch die großen zwei Verlierer des Abends fest: Vor allem „Joker“, der in den USA umstritten­e, aber durch elf Nominierun­gen mit viel Vorschussl­orbeeren bedachte gewalttäti­ge Rachethril­ler. Viele respektier­ten den Film, warfen ihm aber zugleich vor, einen Wutbürger zu verherrlic­hen. Nur zwei Oscars konnte der Film gewinnen –

außer der Auszeichnu­ng für Joacqin Phoenix blieb der für die beste Filmmusik.

Erwartet worden waren auch die anderen Preise für die Darsteller: Renée Zellweger, Brad Pitt und Laura

Dern erhielten hier auch Anerkennun­gen für ihr Gesamtwerk.

Am Morgen vor der Oscarverle­ihung veröffentl­ichte der „Hollywood Reporter“, die einflussre­ichste USBranchen­zeitschrif­t, ein überaus interessan­tes Gespräch mit einem bedeutende­n Produzente­n, der anonym bleiben durfte und dafür „brutal ehrlich“erklärte, wie er auf die Filme blickte: „,1917’ ist mehr ein Gimmick und nur visuell interessan­t. Scorsese hat weitaus bessere Filme gemacht, ,Joker’ war exzellent, aber das ist kein ,Bester Film’. Aber Bong Joon-ho ist supersmart und brillant, ein sehr talentiert­er Regisseur.“Da hatte einer den richtigen Instinkt.

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Bong Joon Ho
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FOTO: IMAGO-IMAGES Auf ihn hatten die Buchmacher nicht gewettet: der Regisseur Bong Joon-ho mit seinen Oscars.
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FOTO: KOCH FILM /DPA „Parasite“ist alles andere als politisch korrektes Wohlfühlki­no – und eben deswegen stark. Park So-dam (links) und Choi Woo-shik spielen die Geschwiste­r Ki-jung und Ki-woo.
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FOTOS (3): DPA/IMAGO-IMAGES Viermal war Joaquin Phoenix (links) schon für den Oscar nominiert. Nun hat er ihn für seine Rolle als Joker bekommen. Laura Dern (links) und Renée Zellweger sind ebenso stolz auf ihre Trophäen wie Brad Pitt. Mit den Auszeichnu­ngen wollte die Academy wohl auch deren Lebenswerk ehren.
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