Lindauer Zeitung

New Yorks Geisterbah­n

Unter der US-Metropole liegt eines der größten U-Bahnnetze – Ein Teil davon ist seit Jahrzehnte­n verlassen

- Von Benno Schwingham­mer

(dpa) - Eben noch flogen graffitibe­schmierte Wände am UBahn-Fenster vorbei, dann öffnet sich plötzlich ein menschenle­erer Raum. Eine Treppe unter einem Bogen, die in einen einst prächtigen Saal führt. Weiße und grüne Kacheln einer vergangene­n Zeit bedecken die gewölbte Decke im Untergrund von New York. Auf einem Schild steht „City Hall“(Rathaus). Zehntausen­de fahren in der US-Metropole täglich an verlassene­n Stationen vorbei. Nur wenige bemerken die düsteren Zeugen der Geschichte.

Eine Geschichte, die im Falle der New Yorker U-Bahn im Jahr 1904 beginnt. Es gab Vorläufer im 19. Jahrhunder­t – eine Bahn war noch nicht einmal 100 Meter lang – doch im Oktober 1904 schließlic­h öffnet eine knapp 15 Kilometer lange Linie von der Südspitze Manhattans in den Norden des Stadtteils. In den folgenden Jahren und Jahrzehnte­n wurden die benachbart­en Boroughs (Bezirke) angeschlos­sen. Heute transporti­ert die New Yorker U-Bahn zusammen mit ihren Bussen jährlich mehr als 2,3 Milliarden Fahrgäste auf über 1000 Kilometern und 27 Linien – angefangen von 1, 2, 3 bis N, Q , R, W.

Heute sind es 472 Stationen, in die New Yorker und Touristen einsteigen können. Doch es gibt auch noch ein paar Geistersta­tionen. Eine ältere Auflistung auf der Webseite der Columbia-Universitä­t zählt zehn geschlosse­ne Haltestell­en in New York. Einige von ihnen liegen an Gleisen, die stillgeleg­t wurden, andere wurden von neuen Stationen abgelöst.

Vor allem diese kann man noch heute sehen, wenn man in der richtigen UBahn zur richtigen Zeit aus dem Fenster in die Dunkelheit schaut. Dazu gehören zum Beispiel die Stationen „Worth Street“und „18 Street“in Downtown Manhattan. Die verlassene Station „Court Street“beherbergt das Transit-Museum. Die wohl spektakulä­rste verlassene Station ist dabei die alte „City Hall“in der Nähe der Brooklyn Bridge. Mit den schmucken Bögen von Architekt Rafael Guastavino war sie das Vorzeigest­ück, als Bürgermeis­ter George McClellan die U-Bahn der Metropole 1904 eröffnete. „Die eleganten Kronleucht­er, Deckenfens­ter und die anmutigen Kurven begeistert­en die Besucher“, beschreibt es das Transit-Museum. Trotz allem war „City Hall“aber niemals eine wichtige Haltestell­e. Sie war ungünstig gelegen und die nahe Station „Brooklyn Bridge“lief ihr schnell den Rang ab. Heute veranstalt­et das Transit-Museum Touren durch das einstige U-BahnPrunks­tück. Man muss jedoch zunächst Mitglied werden, um für den 90-Minuten-Spaziergan­g durch die Unterwelt 50 Dollar zahlen zu dürfen – das sind 18 Einzelfahr­ten mit der UBahn.

Andere wählen einen anderen Weg zu den fast vergessene­n Orten New Yorks: Sie gehen auf nächtliche Streifzüge in den Untergrund. Vor allem Sprayer haben es sich zum Hobby gemacht, das düstere U-BahnNetz zu verlassene­n Stationen entlangzul­aufen und ihre Videos anschließe­nd im Internet hochzulade­n. Eine günstige Variante – aber illegal und vor allem lebensgefä­hrlich.

 ?? FOTO: MARC A. HERMANN/MTA NEW YORK CITY TRANSIT/DPA ?? Ungenutzte Gleise und leere Tunnel: Teile des Streckenne­tzes der U-Bahn werden nicht mehr genutzt. Zehntausen­de fahren täglich an verlassene­n Stationen vorbei.
FOTO: MARC A. HERMANN/MTA NEW YORK CITY TRANSIT/DPA Ungenutzte Gleise und leere Tunnel: Teile des Streckenne­tzes der U-Bahn werden nicht mehr genutzt. Zehntausen­de fahren täglich an verlassene­n Stationen vorbei.

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