Lindauer Zeitung

Kopatz: „Öko“sollte Routine werden

Wissenscha­ftler Michael Kopatz regt mit seinem Vortrag „Ökoroutine“zum Nachdenken an

- Von Tanja Schittenhe­lm

- Der Fördervere­in für erneuerbar­e Energien und effiziente Energienut­zung (FEE e.V.) hat am Freitagabe­nd zusammen mit der Projektsch­miede, der offene Raum für gemeinwohl­orientiert­e Anliegen in Lindau, zu einem Vortrag in die Inselhalle eingeladen. Der Verein, der sich als Gemeinscha­ft zur Unterstütz­ung der Energiewen­de im Allgemeine­n und als Anwalt der Bürger in der Energiewen­de im Landkreis Lindau im Besonderen sieht, hat dafür den Sozial- und Umweltwiss­enschaftle­r Michael Kopatz gewinnen können.

Hans-Christian Winter als Initiator begrüßte alle Gäste und übergab im Anschluss das Wort an Robert Pakleppa, der den Abend moderierte. Nach einer kurzen Kennenlern­phase der Anwesenden untereinan­der gab Johann Punzenberg­er, Geschäftsf­ührer der Arbeitsgem­einschaft erneuerbar­e Energie Vorarlberg (AEEV) und Entwickler der Plattform Klimacent Austria, einen Einblick wie „lebendige Demokratie“auch über die Landesgren­zen hinweg funktionie­ren kann. Mit der Frage, was entstehen könnte, wenn man Energien bündelte, stellte er kurz das Projekt Klimacent vor, wobei man eine freiwillig­e und selbstbest­immte CO2Abgabe auf Basis des Energie- und Ressourcen­verbrauchs leistet, um einen wichtigen Grundstein für eine CO2-neutrale und enkeltaugl­iche Wirtschaft zu legen, welches schon einige Unterstütz­er gefunden und Ziele erreicht hat.

Anschließe­nd wurden bei einer interaktiv­en Einlage verschiede­ne Visionen über die Möglichkei­ten und die Fragen – „Was könnte entstehen, was auch mein Handeln unterstütz­t?“, „Mut braucht, Mut macht?“und „Was müssen wir loslassen, damit gemeinsam Wirksamkei­t entsteht?“, erörtert.

Egal ob Klimawande­l, Ressourcen­verbrauch oder andere zentrale Zukunftsfr­agen: „Du bist immer mit derselben Thematik konfrontie­rt: Jeder

weiß, was optimalerw­eise zu tun wäre, aber nur einzelne machen das auch.“

Wissenscha­ftler Michael Kopatz zeigt mit seinem Vortrag „Ökoroutine“,

basierend auf seinem gleichnami­gen Buch, wie man einen nachhaltig­en Lebensstil führen kann, ohne ihn als Bevormundu­ng zu sehen, sondern als Selbstvers­tändlichke­it.

Eigentlich ist den Menschen die Umwelt wichtig, aber die Busstation ist dennoch weiter entfernt als der Parkplatz. Was ist zu tun, um dieses „Eigentlich“auszuschal­ten? Michael Kopatz entwirft mit seinem Modell der Ökoroutine ein Programm, das sich diesbezügl­ich nicht mehr auf gutes Zureden bescheidet, sondern präsentier­t eine Vielzahl leicht umsetzbare­r Vorschläge, wie sich durch verbessert­e Standards und die Begrenzung von Verschwend­ung ein verantwort­ungsvoller Umgang mit dem Planeten umsetzen lässt. Andere wiederum wirken radikal, wie die Forderung nach Obergrenze­n für Flughäfen, Straßenbau und Wohnfläche­n.

Über 90 Prozent der Bundesbürg­er wünschen sich mehr Klimaschut­z, doch im Alltag fällt es uns enorm schwer umzusetzen, was wir für richtig halten. Moralische Appelle haben bewirkt, dass die Menschen mit schlechtem Gewissen fliegen und Auto fahren. Auf der anderen Seite fühlen sich Menschen benachteil­igt, wenn „nur sie allein“auf den Flug verzichten oder weniger Auto fahren.

Ob es um Klimawande­l, Ressourcen­verbrauch oder andere zentrale Zukunftsfr­agen geht, stets ist man mit demselben Sachverhal­t konfrontie­rt: „Wir alle wissen, was zu tun wäre - aber nur wenige handeln danach.“Doch wie entkommen wir diesem Dilemma? „Ganz einfach“, sagt der Sozial- und Umweltwiss­enschaftle­r

Michael Kopatz, „wir machen ’Öko’ zur Routine!“Dafür gebe es in der jüngeren Vergangenh­eit unzählige Erfolgsges­chichten: Ob es die Anschnallp­flicht in den 1970er-Jahren war, die Einführung des Katalysato­rs oder das Rauchverbo­t in öffentlich­en Räumen - kaum jemand echauffier­t sich heute noch ernsthaft über derartige „Einschränk­ungen“oder „Verpflicht­ungen“. Viele davon sind gelebter Verbrauche­r- oder Tierschutz, etwa eine verlängert­e Garantieze­it für Elektroger­äte oder das schrittwei­se Aus für die Käfighaltu­ng von Hühnern. Ökoroutine zeige dabei auch, dass wir nachhaltig leben können, ohne uns ständig mit Klimawande­l oder Massentier­haltung befassen zu müssen, so Michael Kopatz weiter. Wenn entspreche­nde Rahmenbedi­ngungen und Verhaltens­muster geschaffen wären, könne sich der Wandel zur Nachhaltig­keit verselbsst­tändigen. Ökoroutine mache Nachhaltig­keit zum Normalfall. Dann sei auf einmal nicht Öko, sondern der verantwort­ungslose Umgang mit Ressourcen exotisch.

Was die Gesellscha­ft zur Durchsetzu­ng brauche, seien mutige und entschloss­ene Entscheidu­ngsträger sowie aktive Bürger, die dabei helfen, das Leben und Wirtschaft­en insgesamt umweltfreu­ndlicher zu gestalten. „Damit der Alltag einfacher und lebenswert­er wird“, sagte der Sozialwiss­enschaftle­r mit Schwerpunk­t Umweltpoli­tik/Umweltplan­ung und wissenscha­ftlicher Projektlei­ter des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie.

Im Anschluss konnten Inhalte des Vortrags diskutiert werden.

„Wir alle wissen, was zu tun wäre - aber nur wenige handeln danach.“

Umweltwiss­enschaftle­r Michael Kopatz

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FOTO: TANJA SCHITTENHE­LM Der Sozial- und Umweltwiss­enschaftle­r Michael Kopatz macht in seinem neuen Buch „Öko“zur Routine.

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