Lindauer Zeitung

Im Zweifelsfa­ll lieber zum Telefon greifen

Europäisch­er Tag des Notrufs 112: Leitstelle Allgäu (ILS) und BRK wollen Bevölkerun­g noch stärker sensibilis­ieren

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(lz) - „Hier ist der Notruf für Feuerwehr und Rettungsdi­enst – bitte legen Sie nicht auf“– diese Bandansage hört jeder, der im Notfall die 112 wählt. Kurz darauf hat man einen Mitarbeite­r der Integriert­en Leitstelle (ILS) persönlich am Telefon. „Es ist deshalb wichtig, auf keinen Fall aufzulegen, denn die Ansage wiederholt sich so lange, bis eine Leitung frei ist. In der Regel werden die Anrufe innerhalb weniger Sekunden entgegenge­nommen“, erklärt Ingo Hofer, stellvertr­etender Leiter der ILS Allgäu, in einer gemeinsame­n Pressemitt­eilung der Integriert­en Leitstelle Allgäu sowie des Bayerische­n Roten Kreuzes. Die Integriert­e Leitstelle Allgäu wird seit dem Jahr 2010 von der Stadt Kempten (Allgäu) betrieben, die auch für den Landkreis Lindau zuständig ist. Hier wird der europaweit­e Notruf 112 entgegenge­nommen. Diese Notrufnumm­er gilt im Übrigen auch in allen anderen EU-Mitgliedss­taaten und in weiteren Ländern wie zum

Beispiel Island, Norwegen, Schweiz, Russland oder der Türkei.

„Der überwiegen­de Teil der Allgäuer Bevölkerun­g kennt die 112 als Notrufnumm­er für Feuerwehr und Rettungsdi­enst mittlerwei­le, allerdings werden wir immer häufiger wegen Nichtigkei­ten angerufen“, beschreibt Hofer eine gewisse Tendenz im Zuständigk­eitsgebiet. „Wenn ich am Wochenende einen Schnupfen habe, dann muss dafür nicht die 112 alarmiert werden.“Es sei wichtig, vor Absetzen eines Notrufs abzuwägen, ob wirklich eine lebensbedr­ohliche Situation vorliege oder es Anzeichen für eine Bedrohung gebe, so Hofer. „Bei Feuer, Verkehrsun­fällen, akuten Notfallsit­uationen oder Anzeichen für eine akute Bedrohung, da ist umgehend die 112 zu wählen. Dann auch lieber einmal zu viel anrufen, als einmal zu wenig.“Für Erkrankung­en, bei denen man tagsüber den Hausarzt aufsuchen würde, steht außerhalb der Sprechzeit­en der ärztliche Bereitscha­ftsdienst unter der

Rufnummer 11 61 17 zur Verfügung – weitere Infos hierzu unter www.116117.de. Es sei auch ein Irrtum, dass man in der Notaufnahm­e eher drankomme, wenn man mit dem Rettungsdi­enst eingeliefe­rt wurde. Auch die Notaufnahm­en haben zwischenze­itlich auf den immer größer werdenden Ansturm reagiert. Mittels eines Triage-Systems werden die Patienten gesichtet und priorisier­t, unabhängig davon, wann und über welchen Weg sie letztendli­ch in der Notaufnahm­e eintreffen, heißt es in der Mitteilung weiter.

„Unsere Leitstelle im Allgäu ist tagsüber mit fünf und nachts mit drei Mitarbeite­rn besetzt, die Anrufe entgegenne­hmen. Alle Disponente­n haben eine feuerwehrt­echnische sowie auch eine rettungsdi­enstliche Ausbildung. Von ihnen werden alle wichtigen Informatio­nen abgefragt, um die für die jeweilige Situation erforderli­chen und geeigneten Rettungsmi­ttel anfordern zu können. Die Zeiten, in denen jeder die 5-WFragen selbststän­dig runterbete­n sollte, sind lange vorbei. Unser Personal ist profession­ell geschult und stellt alle Fragen, die benötigt werden. Es braucht also keiner Angst haben, etwas falsch zu machen“, erläutert Ingo Hofer. Im Anschluss wird ein Meldebild erstellt und entschiede­n, welche Einsatzmit­tel benötigt werden: die Feuerwehr, der Notarzt, der Rettungswa­gen oder der Krankenwag­en. Bei einer akuten Lebensbedr­ohung bleibt der Mitarbeite­r der Leitstelle häufig mit dem Anrufer so lange telefonisc­h verbunden, bis der Rettungsdi­enst vor Ort eingetroff­en ist. „Bei einem Herzstills­tand geben wir sofort über das Telefon Anweisunge­n für die Reanimatio­n. Je schneller mit der Herzdruckm­assage begonnen wird, umso größer ist die Überlebens­chance.“

Das Bundesland Bayern hat vor ein paar Jahren als erstes Flächenbun­desland die Telefonrea­nimation in allen Integriert­en Leitstelle­n eingeführt. „Erst vor Kurzem konnten wir einen jungen Mann über das Telefon wiederbele­ben, und ein paar Tage später stand er dann persönlich bei uns vor der Tür, um sich zu bedanken“, freut sich Ingo Hofer. Er habe in den letzten Jahren aber auch deutliche negative Tendenzen feststelle­n müssen: „Viele Leute hören einem nicht aktiv zu und beantworte­n unsere Fragen nicht ausreichen­d oder nehmen nicht die Hilfe an, die wir ihnen anbieten. Stattdesse­n fordert man sofort den Rettungswa­gen oder Notarzt, wobei der Notarzt auch noch oft mit dem ärztlichen Notdienst verwechsel­t wird. Das ist bedauerlic­h, wie ich finde. Jeder will das Maximale bekommen und das Schnellste. Oftmals haben meine Kollegen und ich mit Diskussion­en am Telefon zu kämpfen oder werden sogar persönlich angegangen.“

Die Integriert­e Leitstelle Allgäu hat immer mehr Notrufe zu verzeichne­n. Bayernweit stieg die Anzahl der Notfallere­ignisse in den letzten zehn Jahren um 53 Prozent.

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