Abschied, ergebnisoffen
Balingen-Weilstettens Kapitän Martin Strobel wird seine Handballkarriere beenden – in Wetzlar oder in Tokio
(dpa/SID/mac) - Die Nachricht vom bevorstehenden Karriereende Martin Strobels nahm der neue Handball-Bundestrainer Alfred Gislason ohne große Emotionen zur Kenntnis. Als Strobel dem Isländer am Telefon seinen Entschluss mitteilte, habe dieser „recht nüchtern“reagiert, erzählt der Spielmacher mit einem Lächeln. An diesem Montag informierte der 33-Jährige in Balingen dann auch die Öffentlichkeit darüber, dass er nach dieser Saison – und dann 17 Jahren als Profihandballer – aufhört. Ob seine Laufbahn mit den Olympischen Spielen im Sommer als krönendem Schlussakt endet, hängt nun auch von Alfred Gislason ab.
Zunächst mal muss der 60-Jährige sich mit der DHB-Auswahl beim Olympia-Qualifikationsturnier im April in Berlin ein Ticket für die Spiele in Tokio sichern. Außerdem muss er entscheiden, ob er auf der von großen Personalproblemen geplagten Rückraum-Mitte-Position auf den bislang 147-maligen Nationalspieler Strobel (168 Tore) setzt. „Ich bin auf jeden Fall bereit, mich noch mal mit ihm auszutauschen“, sagt Strobel selbst. „Ich gehe das ergebnisoffen an.“Für die EM im Januar hatte der Profi vom HBW Balingen-Weilstetten nach seiner langen Verletzungspause im vergangenen Jahr (Kreuz- und Innenbandriss im linken Knie) noch abgesagt. Mittlerweile kommt Strobel in der Bundesliga aber wieder regelmäßig zum Einsatz und nähert sich seinem Topniveau.
Ein Buch ist in Arbeit
Aber erst einmal hat er nun andere Dinge im Kopf als die Nationalmannschaft. Er habe sich zuletzt viele Gedanken um seine Zukunft gemacht, sagte Martin Strobel am Montag. „Das ist mir nach 17 Jahren Profisport nicht leicht gefallen. Allerdings sehe ich jetzt den richtigen Zeitpunkt.“Und so sind die Business-Fotos schon geschossen, eine Webseite befindet sich im Aufbau. „Meine Erfahrungen im Leistungssport haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin: Ihr Experte für die Entwicklung und Steuerung leistungsstarker Teamplayer“, schreibt Martin Strobel dort – macht aber noch ein kleines Geheimnis daraus, was genau er demnächst vorhat.
Klarer ist: Drei Dinge seien wesentlich für seine Entscheidung gewesen, die Karriere im Sommer zu beenden. Zum einen muss er nach seiner schweren Knieverletzung vor gut einem Jahr nun deutlich mehr Aufwand
betreiben, um sein Leistungslevel zu halten. Zum anderen habe er seine Laufbahn immer auf einem guten Niveau beenden wollen – „wenn ich etwas mache, mache ich es zu 100 Prozent. Ich bin nicht der Typ, der sich mit Einschränkungen zufriedengibt, nur um etwas hinauszuzögern, was in den nächsten Jahren ohnehin angefallen wäre.“Drittens schließlich arbeitet Martin Strobel auch an einem Buch.
Es soll in den nächsten Monaten erscheinen, Strobel hat es größtenteils selbst geschrieben. Vielleicht finden sich in ihm auch die größten Erfolge einer außergewöhnlichen Karriere: 2016 gewann Martin Strobel mit dem Nationalteam unter Ex-Bundestrainer Dagur Sigurdsson sensationell den EM-Titel in Polen und anschließend noch die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Danach war seine Laufbahn im Trikot der DHB-Auswahl eigentlich beendet, bis ihn der jüngst freigestellte Christian Prokop zu einem Comeback zur Heim-WM im Januar
2019 überreden konnte. Strobel sei eine „Spielmaus“, sagte Prokop – und von denen gibt es derzeit kaum welche im deutschen Handball.
Brand traut ihm Tokio zu
Der frühere Weltmeister-Coach Heiner Brand kennt Martin Strobel schon seit Juniorenzeiten und bezeichnet ihn und Nationalmannschaftskapitän Uwe Gensheimer als die zwei talentiertesten Spieler, die es damals gab. „Martin ist ein gestandener, solider Typ. Eigentlich sogar ein bisschen zu ruhig, er hätte manchmal noch etwas dominanter auftreten können“, so Brand. Die Olympischen Spiele im Sommer traut er dem Rückraumstrategen noch zu: „Wenn er in Form ist, ist er auf jeden Fall ein Kandidat.“
Kann man so sehen. Sonst endet eine große Handballkarriere am 14. Mai, 19 Uhr. Am letzten Bundesliga-Spieltag, beim Balinger Gastspiel bei der HSG Wetzlar.
Martin Strobel, geboren in Rottweil, spielte zwölf Jahre für den HBW Balingen-Weilstetten. Zunächst, nachdem er von seinem Jugendverein SV Hausen zur JSG Balingen-Weilstten gewechselt war. 2005 stieg er in den Profikader auf, ging aber 2008 für fünf Jahre zum TBV Lemgo, bevor er 2013 zum HBW zurückkehrte. Strobel sagte am Montag, er sei überzeugt davon, dass die Balinger in Zukunft auch ohne sein Mitwirken erfolgreich sein würden. Vier weitere Personalentscheidungen für diese Zukunft gab der HBW jetzt bekannt: Benjamin Meschke und Juan de la Peña stehen 2020/21 nicht mehr im Kader. Rückraumakteur Lukas Saueressig hat seinen Vertrag um drei Jahre verlängert, von der HSG Konstanz wird Kreisläufer Fabian Wiederstein nach zwei Jahren wieder nach Balingen zurückkehren.