Lindauer Zeitung

Ski fahren wie auf Eisenbahns­chienen – das Rad ist schon sehr weit gedreht

Der alpine Skizirkus beklagt, auch am Wochenende wieder, viele Verletzung­en – Vor allem für die Knie sind die extremen Fliehkräft­e gefährlich

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(dpa) - Vor solchen Bildern haben alle Angst im alpinen Skizirkus. Viktoria Rebensburg humpelt wegen einer schweren Knieverlet­zung aus dem Zielareal von Garmisch-Partenkirc­hen, die Italieneri­n Sofia Goggia folgt ihr kurz danach mit einem gebrochene­n und provisoris­ch geschiente­n Unterarm. Die Schweizeri­n Nathalie Gröbli liegt zu dem Zeitpunkt längst im Krankenhau­s, sie erlitt zwei Tage zuvor einen offenen Schien- und Wadenbeinb­ruch. Für alle drei Sportlerin­nen ist die Saison zu Ende – sie verlängern eine Liste, auf der bereits Dominik Paris, Hannes Reichelt oder Adrien Theaux stehen.

Jede Verletzung zieht im Weltcup Sicherheit­sfragen nach sich. Hätten Athletinne­n und Athleten besser geschützt werden können? Welche Rolle spielen die Pisten, welche Rolle spielen die Ski? Wurde vielleicht sogar die Gesundheit wegen des Spektakels aufs Spiel gesetzt?

„Du kannst es drehen und wenden, wie du möchtest“, sagte der deutsche Alpin-Chef Wolfgang Maier. Bei den Dauerdebat­ten um Sicherheit, sportliche­n Wettkampf und Attraktivi­tät für die Zuschauer sei am Ende immer jemand unzufriede­n. Und just die Sportler selbst hielten nichts davon, durch harmlosere Ski oder Pisten verlangsam­t zu werden. „Die wollen ja gewinnen“, so der erfahrene Funktionär. Genauso sieht es Marco Büchel. Der Liechtenst­einer war früher selbst Rennfahrer, inzwischen arbeitet er als TV-Experte, ist zudem Berater des Ski-Weltverban­des FIS in Sicherheit­sund Materialfr­agen. Auch er stellt fest, dass ein ambitionie­rter Sportler nie freiwillig bremst. „Wir dürfen eines nie vergessen: Es ist ein Extremspor­t, so oder so“, sagte der 48-Jährige zuletzt der „Süddeutsch­en Zeitung“.

Dabei passieren schwere Verletzung­en nicht nur in Abfahrt oder Super-G, wo Athleten teils mit mehr als 100 Stundenkil­ometern den Berg hinunterra­sen. Vor allem in den technische­n Wettkämpfe­n wie Slalom und

Riesenslal­om häufen sich grobe Blessuren. Der Südtiroler Simon Maurberger riss sich beim Parallel-Riesenslal­om von Chamonix am Sonntag das Kreuzband, einen Tag davor hatte es Österreich­s Marc Digruber im Slalom erwischt. Der Deutschen Marlene Schmotz war die gleiche Verletzung beim Torlauf von Zagreb Anfang Januar passiert.

Sind so scharfe Kanten ...

Das Problem sind die Ski. Diese haben heute so scharfe Kanten, damit die Sportler so wenig wie möglich rutschen und stattdesse­n in den Kurven beschleuni­gen können. Dadurch erhöhen sich die Fliehkräft­e, denen vor allem die Knie ausgesetzt sind. „Früher gab ein Ski noch nach und rutschte weg. Heute läuft er wie auf einer Eisenbahns­chiene in eine Richtung, und dein Körper geht in eine andere. Da ist das Kreuzband nun mal die Sollbruchs­telle in diesem Spiel“, sagt Marco Büchel, der findet, dass

„das Material den Körper allmählich überholt“habe.

Eine Lösung gibt es nicht, HerrenRenn­chef Markus Waldner sagte jüngst in Kitzbühel: „Das Radl haben wir jetzt weit gedreht. Und das zurückzudr­ehen, wird ein sehr schwierige­s Unterfange­n.“

Man könnte die Pisten weicher präpariere­n, damit die Kanten nicht so scharf sein müssen. Dann aber entstehen früh tiefe Furchen im Schnee und spätere Starter haben keine Chance mehr. Oder man schreibt vor, Ski mit größeren Radien zu fahren. Dadurch würden die Fliehkräft­e bei den Schwüngen minimiert. Allerdings lassen sich Ski dann schwerer bewegen, Sportler bekommen Probleme mit dem Rücken. Deutschlan­ds Rekordsieg­er im Weltcup, Felix Neureuther, hatte den Großteil seiner Karriere wegen jener Ski Rückenleid­en. Nachdem Ski mit kürzeren Radien erlaubt waren, riss sein Kreuzband.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Derzeit an der Tagesordnu­ng: schlimme Stürze – hier jener Sofia Goggias beim Super-G in Garmisch-Partenkirc­hen.

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