Lindauer Zeitung

Dieser Rückzug kommt zur Unzeit

- Von Ludger Möllers l.moellers@schwaebisc­he.de

Der Rückzug, den Kardinal Reinhard Marx antritt, indem er auf eine als sicher anzunehmen­de Wiederwahl an die Spitze der Deutschen Bischofsko­nferenz verzichtet, kommt für die deutschen Katholiken zur Unzeit. Denn gerade erst hat Marx sich mit ihnen auf den Synodalen Weg begeben. Das Echo nach den ersten Arbeitssit­zungen stimmt positiv und lässt hoffen. Doch Richtung und Ziel dieses Reformproz­esses stehen längst nicht fest. Konservati­ve Kräfte rund um den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki könnten das Vakuum nutzen und den Rückwärtsg­ang einlegen: Woelki hat den Synodalen Weg als „protestant­isches Kirchenpar­lament“abgekanzel­t und damit Reformer wie Protestant­en beleidigt.

Daher ist die Enttäuschu­ng derer, die auf Marx als Wegweiser hoffen, jetzt groß und verständli­ch. Warum lässt der Kardinal sich nicht wiederwähl­en, um in drei Jahren, nach der Hälfte der Amtszeit und dem Abschluss des Synodalen Weges, das Amt an einen Nachfolger zu übergeben? Unverständ­nis und Unsicherhe­it sind umso größer, da sich kein Nachfolger für den Vorsitz der Bischofsko­nferenz aufdrängt, der den Reformkurs ähnlich konsequent vorantreib­en könnte.

Weiter hinterläss­t Marx eine offene Flanke, denn die Entschädig­ungszahlun­gen für die Opfer des Missbrauch­sskandals sind noch nicht geklärt. Auch diese Hypothek hinterläss­t er seinem Nachfolger.

Freilich sind Marx’ Motive für den Rückzug zu respektier­en: das Alter, der Strukturwa­ndel in der Erzdiözese München, der anstehende Generation­swechsel in der Bischofsko­nferenz. Und dann der Richtungss­treit: Marx will Reformen, ohne die Lehrmeinun­g zu verbiegen. Daher haben die aufreibend­en Konflikte um den Kommunione­mpfang für wieder verheirate­t Geschieden­e, die Segnung homosexuel­ler Paare, den Zölibat oder das Weiheamt für Frauen bei ihm persönlich­e Verletzung­en und Kränkungen hinterlass­en.

Bei allem Verständni­s für Befindlich­keit: Der Frontmann Marx befördert Frust bei den Getreuen seiner Kirche. Ob er das bedacht hat?

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany