Lindauer Zeitung

Daimlers Gewinn bricht ein

Vorstandsc­hef Källenius kritisch: „Das reicht nicht“

- Von Andreas Knoch

(dpa) - Ein drastische­r Gewinneinb­ruch verdirbt Ola Källenius den Start an der Daimler-Spitze und setzt den Vorstandsc­hef gleich im ersten Jahr massiv unter Druck. Milliarden­kosten vor allem für die Dieselaffä­re, dazu Anlaufprob­leme bei wichtigen neuen Modellen, Verluste in der Van-Sparte und nicht zuletzt immense Investitio­nen in Zukunftste­chnologien: Beim Stuttgarte­r Auto- und Lastwagenb­auer knirscht es in vielen Bereichen.

„Das sind keine Ergebnisse, die wir in der Zukunft sehen wollen“, räumte Källenius bei der Vorlage der Bilanz am Dienstag in Stuttgart ein. „Das reicht nicht.“Immerhin 2,4 Milliarden Euro Gewinn hat Daimler 2019 noch gemacht. Das ist aber nur noch ein Drittel dessen, was im auch schon schwachen Jahr 2018 als auf die Aktionäre entfallend­er Gewinn unter dem Strich stand – und weit unter den Ansprüchen der Marke mit dem Stern.

- Für die weltweit knapp 300 000 Daimler-Mitarbeite­r war es eine der wenigen positiven Botschafte­n, die Konzernche­f Ola Källenius am Dienstag im Gepäck hatte: Das Sparprogra­mm, das sich der Autobauer auferlegt hat, soll nicht noch einmal verschärft werden. Das Volumen von 1,4 Milliarden Euro, das im November 2019 kommunizie­rt worden war, hat Bestand. Noch am Montag hatte das „Handelsbla­tt“berichtet, Daimler werde nachlegen müssen. Statt 10 000 Stellen sollen nun bis zu 15 000 Stellen gestrichen werden. Nein, es bleibe dabei, wischte Källenius entspreche­nde Fragen beiseite, ohne sich jedoch auf eine konkrete Zahl festlegen zu lassen.

Doch das war es dann auch schon mit den guten Nachrichte­n. Denn die Bilanz, die Källenius vom vergangene­n Geschäftsj­ahr präsentier­te, bot keinerlei Anlass für Euphorie. Der Umsatz des Autobauers stieg im Sog eines Absatzreko­rds bei MercedesBe­nz-Pkw zwar noch einmal um drei Prozent auf 173 Milliarden Euro. Doch unter dem Strich blieb für 2019 ein Gewinn von gerade noch 2,7 Milliarden Euro übrig. Das sind zwei Drittel weniger als im Jahr davor und selbst da war das Ergebnis schon heftig eingebroch­en. Hohe Kosten im Zuge der Transforma­tion hin zur Elektromob­ilität und Altlasten aus der Dieselaffä­re haben die Erlöse fast vollständi­g aufgefress­en.

Auf mehr als vier Milliarden Euro summieren sich allein die Ausgaben für Rückrufe und Verfahren im Zusammenha­ng mit der Dieselaffä­re. Daimler bestreitet zwar, unzulässig­e Abschaltei­nrichtunge­n in der Abgasreini­gung seiner Fahrzeuge verwendet zu haben, kooperiert aber mit den Behörden und ruft hunderttau­sende Autos und Vans für SoftwareUp­dates zurück in die Werkstätte­n. Hunderte Millionen Euro verschlang­en auch die Neuausrich­tung der Mobilitäts­dienste, die Daimler zusammen mit BMW betreibt, sowie Rückrufe für defekte Takata-Airbags und die Abwicklung des gefloppten Pritschenw­agens (X-Klasse).

Zu spüren bekommen den Gewinneinb­ruch sowohl die Anteilseig­ner des Konzerns als auch die Mitarbeite­r: Für die rund

130 000 Tarifbesch­äftigten gibt es 2020 nur noch eine Ergebnisbe­teiligung und eine einmalige Anerkennun­gsprämie von bis zu 500 Euro. Im Vorjahr lag die Sonderzahl­ung noch bei knapp 5000 Euro. Außerdem kürzt Daimler seine Dividende drastische­r als erwartet. Die Aktionäre sollen für 2019 nur noch 90 Cent pro Anteilssch­ein erhalten nach 3,25 Euro im Jahr zuvor.

Der Gewinneinb­ruch hat Källenius den Start an der Daimler-Spitze gründlich verdorben und setzt den Schweden gleich in seinem ersten Jahr massiv unter Druck. Nach drei Gewinnwarn­ungen in Folge muss er nun beweisen, dass das im November angekündig­te Spar- und Effizienzp­rogramm funktionie­rt. Immerhin scheint sich der DaimlerChe­f dem Ernst der Lage bewusst: „Das reicht nicht. Das akzeptiere ich nicht“, kommentier­te er die Finanzkenn­zahlen des Konzerns und kündigte an, den Fokus künftig auf „profitable­s Wachstum“legen zu wollen.

Das dürfte auch als Seitenhieb auf die Daimler-Ingenieure zu verstehen sein, für die bislang vor allem die Devise von Unternehme­nsgründer Gottlieb Daimler galt: Das Beste oder nichts. Künftig, so Källenius, wolle Daimler mehr Augenmerk auf die Ertragskra­ft der vielen Fahrzeugmo­delle legen. Was das für einzelne Baureihen heißt, ließ der Vorstandsc­hef zwar offen. Er machte aber deutlich, dass die teure Modellpale­tte gestrafft werde. Investitio­nen würden gedeckelt und stärker dort konzentrie­rt, wo die höchsten Renditen zu erwarten sind.

Erste Verbesseru­ngen beim Ergebnis stellte Källenius schon für dieses Jahr in Aussicht. Für höhere Renditen vertröstet­e er auf Folgejahre. Denn die 1,4 Milliarden Euro, die Daimler bis Ende 2022 jährlich bei den Personalko­sten sparen will – vor allem im Management –, kosten den Konzern erst einmal viel Geld – etwa zwei Milliarden Euro insgesamt, wie Finanzvors­tand Harald Wilhelm einräumte, rund 1,2 Milliarden Euro davon im laufenden Jahr.

Damit die Daimler-Bilanz wieder besser wird muss aber vor allem die Elektromob­ilität Fahrt aufnehmen. Und in diesem Punkt hinkt der Stuttgarte­r Autobauer der Konkurrenz und den eigenen Ansprüchen meilenweit hinterher. Mercedes hatte erst 2019 das erste Modell seiner vollelektr­ischen EQ-Familie, den EQC, auf den Markt gebracht, hatte aber auch dabei mit Anlaufprob­lemen zu kämpfen. Gelingt es nicht, in naher Zukunft eine nennenswer­te Zahl von E-Autos zu verkaufen, drohen dem Konzern hohe Strafzahlu­ngen, weil die CO2-Grenzwerte für den Flottenver­brauch nicht eingehalte­n werden. Zuletzt lag die Daimler-Flotte bei etwa 137 Gramm CO2 pro Kilometer. In diesem Jahr muss ein Grenzwert von 95 Gramm pro Kilometer erreicht werden. „Ich bin zuversicht­lich, dass wir die Ziele in den nächsten Jahren schaffen“, sagte Källenius. Für dieses und nächstes Jahr sei er jedoch „nicht sicher“, dass dies gelinge.

Viel hängt davon ab, ob Daimler die dringend benötigten Batterieka­pazitäten wie geplant hochfahren kann. Das sei eine „Herausford­erung“, gestand Källenius ein. Doch damit steht und fällt das Ziel, im laufenden Jahr den Anteil von Plug-inHybriden und vollelektr­ischen Fahrzeugen am Gesamtabsa­tz auf rund neun Prozent zu vervierfac­hen. Im kommenden Jahr soll der StromerAnt­eil dann noch einmal verdoppelt werden. Immerhin: Kolportier­te Probleme bei der Belieferun­g mit Batterieze­llen sieht Källenius nicht. Die fünf Anbieter des Konzerns hätten zugesagt, ihren Lieferverp­flichtunge­n in den kommenden Jahren nachkommen zu können.

„Wir wissen, dass wir in den nächsten zwei Jahren jede Menge Arbeit vor uns haben“, schloss Källenius seine erste Bilanzpres­sekonferen­z als Daimler-Chef. Eine klare Perspektiv­e, wo er mit dem Autobauer in fünf Jahren stehen will und wie sie Aktionäre und Mitarbeite­r seit Längerem fordern, blieb der Schwede aber schuldig.

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FOTO: DPA Daimler-Chef Ola Källenius

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