Daimlers Gewinn bricht ein
Vorstandschef Källenius kritisch: „Das reicht nicht“
(dpa) - Ein drastischer Gewinneinbruch verdirbt Ola Källenius den Start an der Daimler-Spitze und setzt den Vorstandschef gleich im ersten Jahr massiv unter Druck. Milliardenkosten vor allem für die Dieselaffäre, dazu Anlaufprobleme bei wichtigen neuen Modellen, Verluste in der Van-Sparte und nicht zuletzt immense Investitionen in Zukunftstechnologien: Beim Stuttgarter Auto- und Lastwagenbauer knirscht es in vielen Bereichen.
„Das sind keine Ergebnisse, die wir in der Zukunft sehen wollen“, räumte Källenius bei der Vorlage der Bilanz am Dienstag in Stuttgart ein. „Das reicht nicht.“Immerhin 2,4 Milliarden Euro Gewinn hat Daimler 2019 noch gemacht. Das ist aber nur noch ein Drittel dessen, was im auch schon schwachen Jahr 2018 als auf die Aktionäre entfallender Gewinn unter dem Strich stand – und weit unter den Ansprüchen der Marke mit dem Stern.
- Für die weltweit knapp 300 000 Daimler-Mitarbeiter war es eine der wenigen positiven Botschaften, die Konzernchef Ola Källenius am Dienstag im Gepäck hatte: Das Sparprogramm, das sich der Autobauer auferlegt hat, soll nicht noch einmal verschärft werden. Das Volumen von 1,4 Milliarden Euro, das im November 2019 kommuniziert worden war, hat Bestand. Noch am Montag hatte das „Handelsblatt“berichtet, Daimler werde nachlegen müssen. Statt 10 000 Stellen sollen nun bis zu 15 000 Stellen gestrichen werden. Nein, es bleibe dabei, wischte Källenius entsprechende Fragen beiseite, ohne sich jedoch auf eine konkrete Zahl festlegen zu lassen.
Doch das war es dann auch schon mit den guten Nachrichten. Denn die Bilanz, die Källenius vom vergangenen Geschäftsjahr präsentierte, bot keinerlei Anlass für Euphorie. Der Umsatz des Autobauers stieg im Sog eines Absatzrekords bei MercedesBenz-Pkw zwar noch einmal um drei Prozent auf 173 Milliarden Euro. Doch unter dem Strich blieb für 2019 ein Gewinn von gerade noch 2,7 Milliarden Euro übrig. Das sind zwei Drittel weniger als im Jahr davor und selbst da war das Ergebnis schon heftig eingebrochen. Hohe Kosten im Zuge der Transformation hin zur Elektromobilität und Altlasten aus der Dieselaffäre haben die Erlöse fast vollständig aufgefressen.
Auf mehr als vier Milliarden Euro summieren sich allein die Ausgaben für Rückrufe und Verfahren im Zusammenhang mit der Dieselaffäre. Daimler bestreitet zwar, unzulässige Abschalteinrichtungen in der Abgasreinigung seiner Fahrzeuge verwendet zu haben, kooperiert aber mit den Behörden und ruft hunderttausende Autos und Vans für SoftwareUpdates zurück in die Werkstätten. Hunderte Millionen Euro verschlangen auch die Neuausrichtung der Mobilitätsdienste, die Daimler zusammen mit BMW betreibt, sowie Rückrufe für defekte Takata-Airbags und die Abwicklung des gefloppten Pritschenwagens (X-Klasse).
Zu spüren bekommen den Gewinneinbruch sowohl die Anteilseigner des Konzerns als auch die Mitarbeiter: Für die rund
130 000 Tarifbeschäftigten gibt es 2020 nur noch eine Ergebnisbeteiligung und eine einmalige Anerkennungsprämie von bis zu 500 Euro. Im Vorjahr lag die Sonderzahlung noch bei knapp 5000 Euro. Außerdem kürzt Daimler seine Dividende drastischer als erwartet. Die Aktionäre sollen für 2019 nur noch 90 Cent pro Anteilsschein erhalten nach 3,25 Euro im Jahr zuvor.
Der Gewinneinbruch hat Källenius den Start an der Daimler-Spitze gründlich verdorben und setzt den Schweden gleich in seinem ersten Jahr massiv unter Druck. Nach drei Gewinnwarnungen in Folge muss er nun beweisen, dass das im November angekündigte Spar- und Effizienzprogramm funktioniert. Immerhin scheint sich der DaimlerChef dem Ernst der Lage bewusst: „Das reicht nicht. Das akzeptiere ich nicht“, kommentierte er die Finanzkennzahlen des Konzerns und kündigte an, den Fokus künftig auf „profitables Wachstum“legen zu wollen.
Das dürfte auch als Seitenhieb auf die Daimler-Ingenieure zu verstehen sein, für die bislang vor allem die Devise von Unternehmensgründer Gottlieb Daimler galt: Das Beste oder nichts. Künftig, so Källenius, wolle Daimler mehr Augenmerk auf die Ertragskraft der vielen Fahrzeugmodelle legen. Was das für einzelne Baureihen heißt, ließ der Vorstandschef zwar offen. Er machte aber deutlich, dass die teure Modellpalette gestrafft werde. Investitionen würden gedeckelt und stärker dort konzentriert, wo die höchsten Renditen zu erwarten sind.
Erste Verbesserungen beim Ergebnis stellte Källenius schon für dieses Jahr in Aussicht. Für höhere Renditen vertröstete er auf Folgejahre. Denn die 1,4 Milliarden Euro, die Daimler bis Ende 2022 jährlich bei den Personalkosten sparen will – vor allem im Management –, kosten den Konzern erst einmal viel Geld – etwa zwei Milliarden Euro insgesamt, wie Finanzvorstand Harald Wilhelm einräumte, rund 1,2 Milliarden Euro davon im laufenden Jahr.
Damit die Daimler-Bilanz wieder besser wird muss aber vor allem die Elektromobilität Fahrt aufnehmen. Und in diesem Punkt hinkt der Stuttgarter Autobauer der Konkurrenz und den eigenen Ansprüchen meilenweit hinterher. Mercedes hatte erst 2019 das erste Modell seiner vollelektrischen EQ-Familie, den EQC, auf den Markt gebracht, hatte aber auch dabei mit Anlaufproblemen zu kämpfen. Gelingt es nicht, in naher Zukunft eine nennenswerte Zahl von E-Autos zu verkaufen, drohen dem Konzern hohe Strafzahlungen, weil die CO2-Grenzwerte für den Flottenverbrauch nicht eingehalten werden. Zuletzt lag die Daimler-Flotte bei etwa 137 Gramm CO2 pro Kilometer. In diesem Jahr muss ein Grenzwert von 95 Gramm pro Kilometer erreicht werden. „Ich bin zuversichtlich, dass wir die Ziele in den nächsten Jahren schaffen“, sagte Källenius. Für dieses und nächstes Jahr sei er jedoch „nicht sicher“, dass dies gelinge.
Viel hängt davon ab, ob Daimler die dringend benötigten Batteriekapazitäten wie geplant hochfahren kann. Das sei eine „Herausforderung“, gestand Källenius ein. Doch damit steht und fällt das Ziel, im laufenden Jahr den Anteil von Plug-inHybriden und vollelektrischen Fahrzeugen am Gesamtabsatz auf rund neun Prozent zu vervierfachen. Im kommenden Jahr soll der StromerAnteil dann noch einmal verdoppelt werden. Immerhin: Kolportierte Probleme bei der Belieferung mit Batteriezellen sieht Källenius nicht. Die fünf Anbieter des Konzerns hätten zugesagt, ihren Lieferverpflichtungen in den kommenden Jahren nachkommen zu können.
„Wir wissen, dass wir in den nächsten zwei Jahren jede Menge Arbeit vor uns haben“, schloss Källenius seine erste Bilanzpressekonferenz als Daimler-Chef. Eine klare Perspektive, wo er mit dem Autobauer in fünf Jahren stehen will und wie sie Aktionäre und Mitarbeiter seit Längerem fordern, blieb der Schwede aber schuldig.