Lindauer Zeitung

Zwei Morde und nun auch noch Totschlag

Der Dreifachmo­rdprozess in Ellwangen ist zu Ende – Das Landgerich­t verhängt eine weitere Freiheitss­trafe von zehn Jahren und ordnet Sicherungs­verwahrung an

- Von Josef Schneider und dpa

- Im Dreifachmo­rdprozess gegen einen 55-jährigen Orthopädie­mechaniker und Familienva­ter aus Sontheim vor dem Landgerich­t Ellwangen ist nach rund zehnwöchig­er Verhandlun­g mit fünfzehn Prozesstag­en am Dienstag das Urteil gesprochen worden. Die Schwurgeri­chtskammer unter Vorsitz von Richter Gerhard Ilg verurteilt­e den italienisc­hen „Patrone“wegen Totschlags an seinem türkischst­ämmigen Schwiegers­ohn zu einer Freiheitss­trafe von zehn Jahren. Zudem wurde Sicherungs­verwahrung angeordnet. Bereits am 23. Dezember hatte das Schwurgeri­cht den Angeklagte­n wegen zweifachen Mordes zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe verurteilt.

Lebenslang bedeutet nach deutschem Recht, dass Verurteilt­e nach frühestens 15 Jahren die Aussetzung ihrer Strafe zur Bewährung beantragen können. Durch eine fortgesetz­te

Sicherungs­verwahrung wird dies unterbunde­n. Richter Ilg erklärte, der Verurteilt­e sei laut Gutachtern auch in Zukunft als gefährlich für die Gesellscha­ft anzusehen. „So einer kann auch 80 Jahre alt sein, und da hat sich noch nichts geändert“, sagte Ilg.

Mit dem jetzigen Urteil des Landgerich­ts ging ein Mordprozes­s zu Ende, der am 26. November vergangene­n Jahres begonnen hatte und bei dem der 55-Jährige und seine beiden Söhne angeklagt waren. Der ältere Sohn war Ende Dezember wegen zweifachen Mordes zu 15 Jahren verurteilt worden. Den jüngeren Sohn hatte die Kammer wegen Beihilfe zum Mord zu neun Jahren verurteilt. Und der Vater erhielt wegen zweier Morde lebenslang.

Der Angeklagte hatte am 31. Oktober 2014 den Lebensgefä­hrten seiner Tochter in einer Garage mit einem Seil erdrosselt, mit einer Kettensäge zerstückel­t und die Leichentei­le in zubetonier­ten Fässern unweit seines sizilianis­chen Geburtsort­s in einem

Wald verscharrt. Und aus Habgier wurde am 14. Mai 2019 der Vermieter der Garage in Sontheim erdrosselt, der Leichnam in eine Gefriertru­he gesteckt und einige Tage später zerstückel­t.

Sicherheit­sschleuse, Personenun­d Taschenkon­trolle, verstärkte Polizeiprä­senz, Blitzlicht­gewitter und Fernsehauf­nahmen hat es auch wieder am Dienstag im Landgerich­t gegeben. Nachdem zwei Morde des Trios bereits im Dezember abgeurteil­t worden waren, stand dieses Mal nur noch die Tötung des Schwiegers­ohnes des 55-Jährigen zur Aburteilun­g an. Vor den Kameras verbarg der aus dem Schwäbisch Haller Gefängnis Vorgeführt­e sein Gesicht.

Die Schwurgeri­chtskammer zeigte sich davon überzeugt, dass der Angeklagte am 13. Februar 2008 seinen Schwiegers­ohn in seinem Haus in Sontheim getötet hat. Er habe den türkischst­ämmigen Mann mit einem Seil erdrosselt und die Leiche anschließe­nd „entsorgt“.

Angehörige des Opfers verfolgten die Urteilsbeg­ründung im Gerichtssa­al mit bedrückten Mienen. „Wir hatten bis zuletzt gehofft, dass der Mann auspackt und endlich sagt, was mit der Leiche geschehen ist“, sagte ein Mitglied der Familie Reportern: „So aber bleibt uns die letzte Gewissheit verwehrt.“

Das Gericht stützte sein Urteil maßgeblich auf ein Geständnis des Beschuldig­ten im Jahr 2019 bei seiner Vernehmung durch die Kriminalpo­lizei. Diese Schilderun­g sei nachvollzi­ehbar und enthalte keine wesentlich­en Lücken. Später hatte der Angeklagte die Tat jedoch bestritten. Die Erklärung der Verteidigu­ng, das Vernehmung­sprotokoll sei unglaubwür­dig, wies der Richter zurück. Die Verteidige­r Fritz Döringer und Holger Bauer hatten auf Freispruch plädiert. „Es gibt keine Leiche“, sagte Bauer in Bezug auf ein Beweismitt­el. Auch gebe es keine Hinweise auf einen Leichentra­nsport nach Italien. Der Schwiegers­ohn des Angeklagte­n habe vielmehr immer gesagt, dass er in die Türkei zurück wolle.

Der Mann habe tatsächlic­h in der relativ kurzen Ehezeit Phasen gehabt, in denen er auch aufgrund von Eheproblem­en mit dem Gedanken gespielt habe, in die Türkei zurückzuke­hren, so Richter Ilg. Auch habe er zweimal einen Suizidvers­uch unternomme­n, illegale Genussmitt­el genommen und gespielt. Es gebe aber keine Hinweise, dass der Vater zweier Kinder sich am 13. Februar 2008 abgesetzt haben könnte: „Das Einzige, was verschwund­en blieb, war sein Handy und der Schlüssel zu seinem Fahrzeug.“

Zugunsten des Angeklagte­n verneinte das Gericht Mordmerkma­le wie Heimtücke, niedere Beweggründ­e und Grausamkei­t. Gegen den Angeklagte­n sprächen aber Kaltblütig­keit und Emotionslo­sigkeit. Der Angeklagte habe in Sachen seines muslimisch­en Schwiegers­ohnes so etwas wie eine Strichlist­e geführt, irgendwann sei das Maß voll gewesen, und der Mann habe sterben müssen. Dabei habe der 55-Jährige sich über die Belange seiner Tochter und Enkel hinweggese­tzt. In Bezug auf seine Taten habe er niemals Anzeichen von Schuldgefü­hl und Reue gezeigt.

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FOTO:DPA Der Hauptangek­lagte wurde zweimal wegen Mordes und einmal wegen Totschlags verurteilt.

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