Die Ungeduld in der CDU wird größer
Die Fraktionsspitze fordert Ruhe – mehrere Abgeordnete wollen schneller entscheiden, wer die Partei künftig führt
- Ein wenig erinnert Michael Grosse-Brömer an diesem Morgen an den Polizisten Frank Drebin aus der Komödie „Die nackte Kanone“. In einer Filmszene steht Drebin vor einem lichterloh brennenden Haus und will Schaulustige vertreiben. „Bitte gehen Sie weiter. Es gibt nicht das Geringste zu sehen“, sagt er, während hinter ihm Chaos ausbricht.
Am Dienstag sitzt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag in Berlin und beschreibt die Lage nach dem Kanzlerkandidaten-Verzicht von Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) auf die Union. Die sei „rein faktisch“kaum anders als vor zwei Tagen. „Wir haben jetzt innerhalb der CDU einen Kandidaten/eine Kandidatin weniger als vorher. Alles andere ist gleich geblieben.“Will heißen: AKK bleibt bis auf Weiteres CDU-Bundesvorsitzende, und auch an ihrem Zeitplan für die Kanzlerkandidatenkür wird nicht gerüttelt. Demnach soll die CDU ihren möglichen Merkel-Nachfolger im Dezember in Stuttgart küren. Übersetzt heißt das: Gehen Sie weiter. Es gibt nichts zu sehen.
Das Kleinreden hat ein Ziel: Die Abgeordneten wollen mit Sacharbeit punkten. Unter anderem in Sachen Rente, Landwirtschaft und Automobilbau stehen Entscheidungen an. Nun bestehe Gefahr, „dass wir uns jetzt elendig lange mit Personaldebatten beschäftigten“, sagt Fraktionschef Ralph Brinkhaus.
Doch geht es ohne? Dass die CDU zehn Monate im Vakuum ohne Führungs-Entscheidung durchstehen kann, wird intern kaum geglaubt. Immerhin haben sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch Parteichefin Kramp-Karrenbauer nun ihren Rückzug angekündigt. Das heißt, gleich zwei politische „Lame Ducks“, lahme Enten, bilden die Doppelspitze einer Partei, die um ihr Profil ringt. Die CSU fordert von der Schwesterpartei Personalentscheidungen „vor der Sommerpause“– und ist damit nicht allein. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält den bisherigen Zeitplan für „abwegig“. „Krisenhafte Situationen bewältigt man nicht durch das Zelebrieren der Krise, sondern durch Handeln“, sagt er.
„Zwangsjacke“Unvereinbarkeit?
Und die Krise schwelt weiter: In Thüringen, wo sie mit der gemeinsamen Wahl eines Ministerpräsidenten durch AfD, CDU und FDP ihren Ausgang nahm, ist eine Einigung unterdessen nicht in Sicht. Zumindest macht die Landes-CDU wenig Anstalten, dem Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundespartei zu AfD und Linkspartei zu folgen, den Thüringens CDU-Generalsekretär Raymond Walk am Montag als „Zwangsjacke“kritisiert hatte. Nun soll erst einmal eine „Basiskonferenz“klären, was die etwa 10 000 Mitglieder wollen.
Der wegen der Krise ebenfalls angeschlagene FDP-Chef Christian Lindner sieht die Liberalen da weiter. Bei der FDP gelte: keine Kooperation mit der AfD, keine Koalition (aber doch Kooperation) mit der Linkspartei. Andere seien weniger gefestigt: „Die Ereignisse in Thüringen haben bei anderen die Debatte um den Umgang mit AfD und Linkspartei neu eröffnet“, sagt er am Dienstag und meint die CDU.
Dort sehen immer mehr in der „Werteunion“ein Problem: Der Verein sieht sich selbst als Heimstatt der Konservativen in der Partei, ist aber keine offizielle Gliederung wie beispielsweise die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA). Die wiederum forderte am Dienstag die Unvereinbarkeit einer Mitgliedschaft von Werteunion und CDU.
Für Grosse-Brömer wird die Bedeutung der Werteunion sowieso medial überschätzt. Dessen nordbadischer Vorsitzender Alexander Mitsch sei ein „abgewählter Beisitzer im Kreisvorstand von Wattweißichwo in Baden-Württemberg“, der immer dann von den Journalisten befragt werde, wenn es in der CDU mal ruhig sei.