Einsames Machtspiel
Jürgen Klinsmann kann eines besonders gut: Lächeln, nach außen Optimismus ausstrahlen, positiv denken, vor allem aber: positiv reden, das Leben in den USA hat ihn geprägt. Aufbruchstimmung vermitteln ist der Unique selling Point, die Verkaufsspezialität des Ex-Bundestrainers und Ex-Weltmeisters. Der Geislinger hat allerdings auch ein anderes Gesicht, ein machiavellistisches: Klinsmann reißt gerne alle Macht an sich. Wenn er irgendwo einsteigt, will er, dass die Dinge exklusiv so laufen, wie er sich das vorstellt. Dem VfB Stuttgart war das Machtstreben der früheren Clublegende kürzlich nicht ganz so geheuer – er lehnte einen Vorstandschef Klinsmann nach diversen Gesprächen ab.
Bei Hertha BSC reagierten sie anders, die graue Maus der Liga empfing den Weltstar frei nach dem Motto „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“wie einen Erlöser. Investor Lars Windhorst, der neue heimliche Clubchef, überreichte Klinsmann stolze 80 Millionen Euro, um das abstiegsgefährdete Team im Winter zu verstärken. Manch’ Zauber aber nutzt sich schnell ab, und nach 76 Tagen, in denen er viel von Visionen, Plänen, dem „Big City Club“und dem „spannendsten Fußballprojekt Europas“erzählt hatte, verbreitete Klinsmann am Dienstag nur noch eines: Egozentrik. Offenbar waren er und Sportdirektor Preetz sich so grün wie eine Eiswüste, Preetz wollte – aus wirtschaftlicher Sicht verständlich – offenbar abwarten, bis der Klassenerhalt gesichert ist. Nicht mit Klinsmann.
Spannend wird jetzt sein, was im Machtspielchen Teil zwei mit Preetz geschieht. Der Aufsichtsrat Klinsmann und Investor Lars Windhorst dürften ihre Probleme damit haben, wenn ihnen ein Skeptiker respektive Realist wie Preetz die ganze schöne Aufbruchstimmung kaputt macht.