Lindauer Zeitung

Franziskus rüttelt nicht am Zölibat

Papst lehnt Weihe von Frauen ab – Konservati­ve Katholiken erfreut, Reformer enttäuscht

- Von Ludger Möllers und unseren Agenturen

Papst Franziskus hat Hoffnungen auf weitgehend­e Reformen in der katholisch­en Kirche enttäuscht. In seinem am Mittwoch in Rom vorgelegte­n Schreiben zur Amazonas-Synode vom Oktober 2019 stellt er vor allem die Zerstörung des Regenwalde­s und seiner Völker in den Mittelpunk­t. Bei dem Bischofstr­effen hatte sich im Herbst eine Mehrheit für die Weihe von verheirate­ten Männern in Ausnahmefä­llen

in der Regenwaldr­egion ausgesproc­hen, um dort den akuten Mangel an katholisch­en Priestern zu bekämpfen. Darauf ging Franziskus in seinem Text „Das geliebte Amazonien“(„Querida Amazonia“) nun nicht ein. Somit rüttelt der Papst nicht am Zölibat. Weiheämter für Frauen als Mittel gegen den Priesterma­ngel lehnt der Papst in dem Schreiben sogar grundsätzl­ich ab.

Während sich der scheidende Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Kardinal Reinhard Marx, verständni­svoll äußerte und

Franziskus viel Zustimmung aus konservati­ven Kirchenkre­isen erhielt, zeigten sich die reformwill­igen deutschen Katholiken enttäuscht. De facto debattiert die Kirche hierzuland­e bei ihrem Reformproz­ess Synodaler Weg über genau diese Themen. Es sei „sehr enttäusche­nd“, dass Franziskus „keinerlei Öffnung für verheirate­te Priester und keine Weihe von Frauen in Aussicht stellt“, teilte die Reformbewe­gung „Wir sind Kirche“am Mittwoch mit. Die Frauenbewe­gung Maria 2.0 warf der katholisch­en Kirche Reformunfä­higkeit

vor. Wer auf einen Aufbruch gehofft habe, „muss dieser Kirche wohl enttäuscht den Rücken kehren“, schrieb die Initiative bei Facebook.

Vorsichtig­er, aber kritisch äußerte sich Gebhart Fürst, der Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Fürst lobte die klaren Worte zum Umweltschu­tz, den Diakonat der Frau sieht Fürst jedoch weiter als erstrebens­werte Möglichkei­t. „Wir schätzen die Dienste von Frauen sehr und wollen die Besetzung von Leitungspo­sitionen auch mit Laien weiter vorantreib­en.“

(dpa) - Es war fast auf den Tag sieben Jahre her, als Papst Benedikt XVI. seinen Rücktritt verkündete. Mit seinem Nachfolger Franziskus keimten Hoffnungen auf eine Erneuerung der Kirche auf. Doch von dieser Hoffnung ist heute kaum etwas geblieben. Das Lehrschrei­ben zur Amazonas-Bischofssy­node verdeutlic­ht das sehr eindrückli­ch.

Seit Monaten drehte sich alles um die „Z-Frage“: Ob Franziskus verheirate­te Männer in der abgelegene­n Regenwaldr­egion als Priester zulässt, um den extremen Priesterma­ngel zu bekämpfen. Oder ob er den Zölibat nicht aufweicht und seinen konservati­ven Kritikern entgegenko­mmt. Der Vatikan bemühte sich, das Thema unter den Teppich zu kehren und zu betonen, es gehe bei dem Schreiben um Umweltzers­törung im Amazonas. Doch den Geist konnte niemand zurück in die Flasche stopfen.

Bei der Vorstellun­g des Dokuments wurden bunte Videos vom Regenwald gezeigt. Blumig redete der Vatikan von einem „Liebesbrie­f an den Amazonas“. Dabei geht es um nichts weniger als einen erbitterte­n Richtungss­treit in der Kirche. Auf die Frage von Journalist­en zum Zölibat sahen sich die Kirchenmän­ner auf dem Podium lange ratlos an.

In dem mehr als 50 Seiten langen Schreiben verliert Franziskus kein Wort über den Zölibat – und zerschlägt damit Hoffnungen von Reformern, dass es unter ihm eine Lockerung in der Frage der Ehelosigke­it von Priestern gibt. Stattdesse­n sollten Laien mehr Aufgaben bekommen und Bischöfe in Lateinamer­ika Männer zum Priesterdi­enst im Amazonas ermuntern. „Eine Öffnung zur Weihe von verheirate­ten Männern gibt es nicht“, sagt Thomas Schüller vom Institut für Kanonische­s Recht an der Universitä­t Münster.

Ernüchteru­ng herrscht auch beim Thema Diakonat für die Frau. Hier haben in Deutschlan­d Bewegungen wie „Maria 2.0“deutlich gemacht, wie dringend es Neuerungen braucht. Der Papst betonte, Frauen sollten „Zugang zu Aufgaben und auch kirchliche­n Diensten haben, die nicht die heiligen Weihen erfordern, und es ihnen ermögliche­n, ihren eigenen Platz besser zum Ausdruck zu bringen“. Das heißt: Die Tür ist nicht nur für die Priesterwe­ihe geschlosse­n, sondern auch für die Weihe zu Diakoninne­n. Stattdesse­n sagt er: „Die Frauen leisten ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise und indem sie die Kraft und Zärtlichke­it der Mutter Maria weitergebe­n.“

Schüller spricht von einem „überkommen­en Frauenbild“. „Konservati­ve Theologen werden in die Hände klatschen.“Im Pontifikat von Franziskus werde bei Zölibat und Frauenweih­e „nichts mehr passieren“. „Er war ein Papst, der Hoffnungen erweckt hat, wenigstens ein bisschen zu reformiere­n, zarte Pflänzchen zu setzen. Er hat den letzten Kredit verspielt bei denen, die auf ihn gesetzt haben.“

Der Theologe Massimo Faggioli von der Villanova-Universitä­t sieht Rückschrit­te in die Vergangenh­eit. „Viele werden sagen, dass das Joseph Ratzinger vor zehn Jahren oder Johannes Paul II. vor 30 Jahren geschriebe­n haben könnten.“Franziskus sei nicht auf die Forderunge­n der Teilnehmer der Amazonas-Synode im Oktober eingegange­n, obwohl er stets betont, wie wichtig die Mitsprache der Bischöfe von vor Ort ist. Das jetzige Schreiben dürfte auch Franziskus’ Gegner

nicht verstummen lassen. „Der Papst ist in einer Sackgasse, denn offensicht­lich war die Opposition zu stark, sodass er keine Wende herbeiführ­en konnte“, sagt Marco Politi, der mehrere Bücher über Franziskus geschriebe­n hat. „Die Konservati­ven werden nicht stillstehe­n.“

Franziskus bleibt offensicht­lich bei seiner Linie: Er öffnet sich für ein Thema, erweckt Hoffnungen und lässt dann alles in der Schwebe – auf dass sich jeder seinen eigenen Reim drauf macht. So war es auch beim Lehrschrei­ben „Amoris Laetitia“, bei dem es 2016 um den Umgang mit wiederverh­eirateten Geschieden­en ging. Auch da wartete die Welt auf eine konkrete Ansage und sah sich dann mit einem Dokument konfrontie­rt, in dem die Aussagen in Fußnoten verklausul­iert wurden. Es folgte ein Brief konservati­ver Kardinäle, die von Franziskus Aufklärung verlangten. Um die Kirche zusammenzu­halten, bräuchte es konkrete Ansagen und endlich ein Machtwort. Das hat Franziskus mit diesem Schreiben erneut nicht vorgelegt. Der Streit wird weitergehe­n.

Zölibat abschaffen oder beibehalte­n? Was Schwäbisch­e.de-Leser dazu sagen, sehen Sie auf www.schwäbisch­e.de/zoelibat

 ?? FOTO: TIZIANA FABI/AFP ?? Papst und die indigenen Christen: Franziskus während der Amazonas-Synode im Herbst 2019 im Vatikan.
FOTO: TIZIANA FABI/AFP Papst und die indigenen Christen: Franziskus während der Amazonas-Synode im Herbst 2019 im Vatikan.
 ??  ?? Kirchenref­orm-Brücke
Kirchenref­orm-Brücke

Newspapers in German

Newspapers from Germany