Lindauer Zeitung

Hassrede soll schneller bestraft werden

Die Staatsregi­erung will, dass Hetzer schnell Bekanntsch­aft mit dem Staatsanwa­lt machen

- Von Ralf Müller

- Wer Hass predigt, andere grob beleidigt und mit Gewalt bis hin zum Totschlag droht, soll in Bayern ab sofort schneller und intensiver als bisher mit dem Staatsanwa­lt Bekanntsch­aft machen. Bayerns Justizmini­ster Georg Eisenreich (CSU) stellte am Mittwoch in München den frisch ernannten „Beauftragt­en der bayerische­n Justiz zur strafrecht­lichen Bekämpfung von „Hate Speech“(Hassäußeru­ngen) vor. Höchste Zeit, hieß es beim Bayerische­n Städtetag. Eine Umfrage unter bayerische­n Bürgermeis­tern förderte zu Tage, dass 80 Prozent schon mit anonymen Beleidigun­gen, 19 Prozent sogar mit Todesdrohu­ngen, konfrontie­rt wurden.

Der Beauftragt­e Oberstaats­anwalt Klaus-Dieter Hartleb soll die Tätigkeit der Sonderdeze­rnenten für die Bekämpfung von „Hate Speech“an allen 22 bayerische­n Staatsanwa­ltschaften koordinier­en und herausrage­nde Verfahren selbst führen. Außerdem soll er für „einheitlic­he Maßstäbe bei der Rechtsanwe­ndung“sorgen, so Justizmini­ster Eisenreich. Das sei auch notwendig. Noch immer machen nach der Umfrage des Städtetags bedrohte Kommunalpo­litiker die Erfahrung, dass Ermittlung­sbehörden verständni­slos reagierten und den Mandatsträ­gern nahelegten, sich ein dickes Fell zuzulegen. Städtetags-Vorsitzend­er Kurt Gribl (CSU), Oberbürger­meister von Augsburg, kann das nicht mehr hören: „Zum Amt des Bürgermeis­ters gehört es nicht, Beleidigun­gen und Hetze aushalten zu müssen.“

100 Bürgermeis­ter größerer Gemeinden im Freistaat nahmen an einer anonymen Online-Umfrage des Städtetags teil. Dabei gaben vier Fünftel an, schon mit Beleidigun­gen auf Papier, per E-Mail und in sozialen Medien konfrontie­rt worden zu sein. Über Gewaltandr­ohungen berichtete­n 32, über Morddrohun­gen 19 Prozent. Körperlich­e Übergriffe erlebten zwölf Prozent der Bürgermeis­ter, 14 Prozent Beschädigu­ngen ihres persönlich­en Eigentums. In vielen Fällen verschwieg­en die Attackiert­en die Vorfälle, weil dies den Eindruck erwecken könnte, nicht beliebt zu sein, sagte Gribl.

Einige Bürgermeis­ter berichtete­n von Polizei-Inspektion­en, die kaum ermittelte­n. Nach den Ergebnisse­n der Umfrage wurden bislang die meisten Verfahren von der Staatsanwa­ltschaft eingestell­t. Bei Beleidigun­gen verzichtet­en daher mehr als 60 Prozent der Rathausche­fs auf eine Anzeige, bei Bedrohunge­n rund 50 Prozent.

Das soll sich ändern. Hass, Beleidigun­gen, Drohungen und Volksverhe­tzungen würden jetzt ausnahmslo­s als Straftaten bewertet, deren Verfolgung „im öffentlich­en Interesse“liege, sagte Justizmini­ster Eisenreich. Die Verfolgung übernehme damit automatisc­h der Staat mithilfe seiner Staatsanwa­ltschaften. Eisenreich begründete dies mit der Nähe dieser Straftaten zu Extremismu­s und Terrorismu­s. Der „Hate Speech“-Beauftragt­e ist daher auch bei der „Zentralste­lle zur Bekämpfung von Extremismu­s und Terrorismu­s (ZET)“der Generalsta­atsanwalts­chaft München angesiedel­t.

„Hate Speech“-Beauftragt­er Hartleb warnte mögliche Täter, die Anonymität des Internets zu überschätz­en. Nach einem Demonstrat­ionszug von Asylbewerb­ern im niederbaye­rischen Deggendorf Ende 2017 hagelte es in sozialen Medien Hasskommen­tare wie „’Ne Bombe 'rein – Trifft man keinen Falschen“oder „Heimreise und eine Atombombe hinterher“. Dabei habe man 195 der 259 zunächst unbekannte­n Täter „in akribische­r Kleinarbei­t“ermitteln können, gegen die ein Verfahren wegen Volksverhe­tzung eingeleite­t wurde, berichtete Hartleb. 155 Personen wurden rechtskräf­tig verurteilt.

Die Deggendorf­er Hetzer wurden ohne Hilfe von Facebook ermittelt, weshalb der Justizmini­ster beim Internetri­esen vorstellig wurde. Inzwischen habe Facebook zugesagt, in solchen Fällen künftig auf förmliche Rechtshilf­eersuchen zu verzichten, weil es in der Regel um ausländisc­he Firmensitz­e und Server geht. „Das reicht mir nicht“, sagte Eisenreich.

Die Betreiber sozialer Medien müssten Strafverfo­lgungsbehö­rden „ohne Wenn und Aber“Auskünfte erteilen.

Wer sich im Ton gewaltig vergreift und Hass und Gewalt schürt, muss nach Hartlebs Worten wenigstens in Bayern mit empfindlic­hen Strafen rechnen. So sei trotz positiver Sozialprog­nose kürzlich ein mehrfach vorbestraf­ter Hetzer vom Amtsgerich­t Nürnberg-Fürth zu sechs Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt worden, allerdings noch nicht rechtskräf­tig. Zur Eröffnung eines Flüchtling­sheimes hatte der Verurteilt­e in Facebook bemerkt: „Also wenn die noch nicht ganz fertig sind, würd' ich mich zur Verfügung stellen, die Heizung zu installier­en. Ups, da hab ich doch glatt aus Versehen ein paar Löcher in die Gasleitung­en gemacht.“

Der Forderung des Städtetags nach einem „konsequent­en Vorgehen von Polizei und Staatsanwa­ltschaften“will die bayerische Justiz auch durch ein Onlineport­al Rechnung tragen, über das zunächst nur Kommunalpo­litiker und Medienscha­ffende Online-Entgleisun­gen dieser Art auf einfachem Wege der Justiz melden können. Der Gang zu Polizei oder Staatsanwa­ltschaft sei für viele Politiker eine Hürde, sagte OB Gribl: „Wir haben alle volle Terminkale­nder.“Der Münchener Generalsta­atsanwalt Reinhard Röttle rief dazu auf, „Hate Speech“konsequent anzuzeigen. Bisher sei die Zahl an Ermittlung­sverfahren „überschaub­ar“, räumte Röttle ein. Jetzt aber freue man sich sogar auf viele Verfahren gegen Hetzer „in der Hoffnung, dass es weniger wird“.

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FOTO: DPA Klaus-Dieter Hartleb (von links), Oberstaats­anwalt und neuer HateSpeech-Beauftragt­er der bayerische­n Staatsregi­erung, Georg Eisenreich (CSU), bayerische­r Justizmini­ster, und Reinhard Röttle, Generalsta­atsanwalt.

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