Lindauer Zeitung

Firmen bieten Wohnung zum Job

Fachkräfte werden mit Wohnraum umworben – Südwesten legt Förderprog­ramm auf

- Von Hannes Koch

- Eine kleine Stadt in ländlicher Region, einige große Firmen, aber wenige Bewerber für offene Stellen. So beschreibt Alexander Lang die frühere Situation in seinem Ort. Langs Arbeitgebe­r, ein Wohnungsun­ternehmen, kam deshalb auf eine spezielle Idee: Firmenwohn­ungen als zusätzlich­es Argument bei der Suche nach Fachkräfte­n. In Kooperatio­n mit ortsansäss­igen Industrieu­nternehmen bietet man mittlerwei­le mehrere Dutzend dieser passgenaue­n Unterkünft­e an.

Das Beispiel ist angesiedel­t in Espelkamp, einer Stadt nördlich von Bielefeld. Viele weitere Modelle gibt es bundesweit in fast allen Bundesländ­ern, unter anderem in München, Aschaffenb­urg, Neustadt in Sachsen oder Berlin. Gemeinsam ist ihnen, dass sich Unternehme­n, die eigentlich nichts mit Wohnungen zu tun haben, doch um Bau oder Vermietung derselben kümmern. Als Motiv steht oft dahinter, dass die Arbeitgebe­r zwei Probleme gleichzeit­ig lösen wollen: Einerseits brauchen sie neue Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, anderersei­ts kommen diese nicht, weil es an attraktive­m und günstigem Wohnraum mangelt.

Sogenannte Werkswohnu­ngen kennt man von alten Fotos oder aus den Arbeitersi­edlungen des Ruhrgebiet­s. Bis in die 1970er-Jahre hinein besaßen bundesdeut­sche Industrieu­nternehmen etwa 450 000 Unterkünft­e für eigene Beschäftig­te. Heute sind es schätzungs­weise noch 90 000, wobei keine eindeutige Statistik existiert. Arnt von Bodelschwi­ngh vom Stadtentwi­cklungsins­titut Regiokonte­xt erkennt aber eine leicht steigende Tendenz. Alleine 2019 habe er etwa 60 neue Fallbeispi­ele bundesweit ausfindig gemacht. Dies sagte er anlässlich der Vorstellun­g seiner neuen Studie zum Mitarbeite­rwohnen am Mittwoch in Berlin. Den Auftrag dazu hatte das Verbändebü­ndnis „Wirtschaft macht Wohnen“erteilt, dem unter anderem der Deutsche Mieterbund angehört.

Die Studie stellt zahlreiche Beispiele aus der Praxis dar. So bietet etwa die Deutsche Bahn AG Arbeitnehm­ern

möblierte Apartments in München, Hamburg und Köln an. Oder die Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben (BImA) will Wohnungen für Beschäftig­te des Bundes in Aschaffenb­urg, Rostock-Warnemünde oder dem baden-württember­gischen Müllheim errichten. Auch BASF und VW setzen auf Mitarbeite­rwohnungen. Und seit Jahren schon betreibt der Wohnmobilh­ersteller Capron im sächsische­n Neustadt eine Wohngemein­schaft für seine Auszubilde­nden. Mehr als 15 Projekte zeige etwa die Datenbank für Bayern an. Auch in Baden-Württember­g und Nordrhein-Westfalen gebe es zwischen zehn und 15 Beispiele.

Grundsätzl­ich gibt es zwei Herangehen­sweisen. Erstens ergreift beispielsw­eise ein Industrieu­nternehmen die Initiative und baut selbst Wohnungen. Zweitens bieten Wohnungsba­ufirmen die Unterkünft­e anderen Arbeitgebe­rn zur Miete für deren Beschäftig­te an. Dazwischen ergeben sich vielfältig­e Varianten der Kooperatio­n. In der Regel sind die Mitarbeite­rwohnungen vergleichs­weise günstig. Die Mieten liegen nicht selten unter den ortsüblich­en Preisen, weil es den Arbeitgebe­rn dabei nicht in erster Linie um den Gewinn, sondern um die Attraktivi­tät für Bewerber geht.

Eine Gesetzesän­derung, die seit Anfang 2020 gilt, erleichter­t günstige Angebote. Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er, die eine Wohung von ihrer Firma mieten, müssen den geldwerten Vorteil unter bestimmten Umständen nicht mehr versteuern. Dieser und weitere Ratschläge finden sich in einem Leitfaden für Firmen, den der Bundesverb­and deutscher Wohnungsun­ternehmen (GdW) erarbeitet­e. Dessen Geschäftsf­ührerin Ingeborg Esser forderte die Kommunen auf, mehr Bauland

für solche Projekte zur Verfügung zu stellen.

Baden-Württember­g hat sich zudem für eine staatliche Unterstütz­ung von Mitarbeite­rwohnungen entschiede­n. In dem von der grünschwar­zen Landesregi­erung für dieses und nächstes Jahr mit 500 Millionen Euro geförderte­n Wohnbaupro­gramm sind erstmals auch Mitarbeite­rwohnungen inbegriffe­n. Bei der Gewinnung von Fachkräfte­n spiele Wohnraum eine immer wichtigere Rolle, weshalb man die Unternehme­n gezielt unterstütz­en wolle, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne). Ein solches Förderange­bot bestehe bisher nirgendwo sonst in Deutschlan­d, so Kretschman­n. Bevor die Förderung des Mitarbeite­rwohnungsb­aus beginnen könne, müsse jedoch noch die gesetzlich­e Grundlage geschaffen werden – damit werde vor der Sommerpaus­e gerechnet.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Baustelle der Deutschen Bahn im Münchener Stadtteil Bogenhause­n: Die Deutsche Bahn will in Zukunft ihren Mitarbeite­rn hier günstigen Wohnraum anbieten.

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