Schärfere Regeln für die Tierhaltung
Bundesrat will neue Vorgaben für Viehzüchter beschließen – Bauern fürchten Folgen
BERLIN/STUTTGART - Schärfere Regeln für die Haltung von Schweinen, Rindern und Hühnern wollen die Bundesländer am Freitag in Berlin beschließen. Doch wie streng die Vorgaben sein werden, ist noch offen. CDU auf der einen und die Grünen auf der anderen Seite sind sich uneins. Deshalb muss sich BadenWürttemberg bei der entscheidenden Abstimmung wohl enthalten – die grün-schwarzen Regierungspartner können sich weder auf ein Ja noch auf ein Nein einigen. Unter anderem geht es um die Haltung von Schweinen in sogenannten Kastenständen. Oft sind diese so eng, dass sich die Tiere nicht ausstrecken können. Ein weiterer wichtiger Punkt: die Anbindehaltung von Rindern.
Heinz Scheffold, Schweinezüchter aus Alleshausen (Kreis Biberach) wirft der Politik Regulierungswut vor. Selbstverständlich sei den Bauern am Wohl ihrer Tiere gelegen, sie seien auch bereit, Dinge zu verändern. Doch immer neue Auflagen sorgten für Unsicherheit und steigende Kosten. „Wenn das so weitergeht, werden viele kleine Familienbetriebe aufgeben“, so Scheffold.
Thekla Walker, Vizechefin der Grünen im Südwest-Landtag, äußert Verständnis: „Unsere Bäuerinnen und Bauern müssen für Klimaschutz und tiergerechte Haltung entlohnt werden. Mindestens 30 Prozent der EU-Agrargelder sollen unserer Auffassungen nach künftig in Klimaschutz, Tierwohl und Naturschutz fließen.“Aber für die Grünen sei klar: „Wir müssen wegkommen von unerträglichem Tierleid in Haltungsformen, die rein auf Fleischproduktion und Gewinnmaximierung
ausgerichtet sind. Es braucht klare Vorgaben für das Tierwohl.“
Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU) wirbt hierbei für Kompromisse: „Wir haben uns, sowohl bei den Übergangszeiten als auch bei den zeitlichen Vorgaben in der Schweinehaltung für eine ausgewogenere Lösung im Sinne unserer Bauern, aber auch des Tierschutzes, eingesetzt.“Der angedachte Kompromiss sei nicht optimal. Aber: „Wir lassen die Bauern auf dem Weg der Umstellung sowohl bei der Beratung als auch finanziell nicht im Stich.“
- Wie viel Platz braucht ein Schwein im Stall? Wo beginnt Qualhaltung, wo angemessene Praxis? Darüber streiten Tierschützer und Bauern. Baden-Württembergs Landesregierung ist sich ebenfalls uneins, am Freitag befasst sich der Bundesrat mit dieser und anderen Fragen zum Tierwohl. Worum es bei der Debatte geht und was Landwirte aus der Region dazu sagen.
Wie werden Sauen gehalten?
Seit Jahren werden Sauen zeitweise in Kastenständen untergebracht. Das sind mit Metallstreben abgegrenzte Abteile. Genaue Vorgaben zur Größe gibt es bisher nicht. Allerdings ist klar festgelegt, dass sich die Tiere hinlegen und ausstrecken können müssen. Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung haben Jungtiere in der Regel zwei Meter hohe und 65 Zentimeter breite Stände, Altsauen 70 Zentimeter breite. Tierschützer halten das für gesetzwidrig. Der Platz reiche nicht, damit sich die Sauen hinlegen könnten. Dennoch hätten Aufsichtsbehörden solche Stände genehmigt.
Muss man die Sauen überhaupt auf so engem Raum halten?
Die Tiere werden zur Besamung in den Kastenständen untergebracht sowie rund um die Geburt ihrer Ferkel. Während der Brunft, der sogenannten Rausche, seien die Sauen aggressiv und verletzten sich gegenseitig, erklärt Hansjörg Schrade, Chef der LSZ Boxberg, einer Forschungseinrichtung des Landes zur Schweinehaltung. Außerdem verlören Sauen die Ferkel häufiger, wenn sie nach der Besamung frei umherlaufen können. Studien zeigten auch, dass mehr Jungtiere sterben, wenn ihre Mütter ungehindert zu ihnen können. Sie erdrücken den Nachwuchs aus Versehen. Deswegen ist der Kastenstand auch auf Biohöfen für „Problemsauen“erlaubt. Demgegenüber kommt ein Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zu dem Schluss, die Stände dienten der Bequemlichkeit und dem Profit der Landwirte. Für die Sauen bedeute die Art der Haltung Stress und verhindere, dass sie sich artgerecht bewegen könnten.
Welche Änderungen stehen an?
Mehrere Gerichtsurteile sehen die bisherige Praxis infrage gestellt. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) plant deshalb Regeländerungen. Unter anderem sollen Sauen höchstens 13 Tage im Kastenstand stehen. Derzeit verbringen die Tiere im Schnitt bis zu 70 Tage dort. Außerdem soll es Vorgaben für die Größe geben, mindestens 85 Zentimeter sollen die Stände breit sein. Damit werde alles besser, argumentieren Klöckner und ihr Südwest-Amtskollege Peter Hauk (CDU). Deshalb könne man auf eine andere Regel verzichten: Diese besagt bisher, dass die Tiere Platz zum Ausstrecken haben müssen. Baden-Württembergs Tierschutzbeauftragte Julia Stubendie bord hält das für falsch: „Mit ausgestreckten Gliedmaßen zu ruhen, ist ein essenzieller Bestandteil des Grundbedürfnisses der Tiere. Wird es nicht erfüllt, leiden die Tiere.“So sehen das auch die Grünen. Landwirten bereitet jede Änderung Probleme, die größere Boxen vorsieht oder mehr Abstand dazwischen. Sie müssen Stände vergrößern oder angrenzende Boxen frei lassen. Damit könnten sie auf der gleichen Fläche erheblich weniger Tiere halten als zuvor, der Ertrag sinkt. Die Ställe umzubauen wiederum kostet viel Geld und ist manchmal gar nicht möglich. Deswegen sind Übergangsfristen zwischen zehn und 17 Jahren im Gespräch. Tierschützer protestieren: die Gesetze seien seit Jahrzehnten in Kraft – Einhaltung habe nur niemand kontrolliert.
Was sagen die Landwirte dazu?
Die Zahl der Schweinezüchter im Südwesten sinkt seit Jahrzehnten. Viele der 1,6 Millionen Schweine stehen im nördlichen Oberschwaben. 140 davon gehören Heinz Scheffold aus Alleshausen (Kreis Biberach). Der Landwirt ist Vize-Vorsitzender des regionalen Bauernverbands. Das Sterben vieler Betriebe hat für ihn vor allem einen Grund: Immer neue Auflagen verunsicherten Landwirte. Wer heute in einen Stall investiere, wisse nicht, ob dieser morgen noch Recht und Gesetz entspreche. „Das Geld für Neu- und Umbauten müssen wir erst mal erwirtschaften. Und Verbraucher kaufen lieber Fleisch aus dem Ausland, wo die Auflagen nicht so streng sind und die Bauern daher billiger produzieren können.“Scheffold betont: „Wir sind nicht gegen Veränderungen, das Tierwohl ist uns sehr wichtig.“Das brauche Zeit, sonst könnten Betriebe sich nicht umstellen.
Und die Tierschützer?
Thekla Walker, Tierschutz-Expertin der Grünen im Südwest-Landtag: „Langfristig muss es das Ziel sein, die Kastenhaltung von Schweinen komplett abzuschaffen. Die Formulierung, dass Schweine ihre Gliedmaßen ausstrecken können müssen, darf unter keinen Umständen gestrichen werden.“Tierschutzverbände fordern, Kastenstände zu verbieten. Alles andere verstoße gegen geltendes Recht und führe das Staatsziel Tierschutz ad absurdum.