Lindauer Zeitung

Airbus landet in roten Zahlen

Auftragsfl­aute bei Rüstungs- und Weltraumsp­arte

- Von Benjamin Wagener

IMMENSTAAD (ben) - Der Luft- und Raumfahrtk­onzern Airbus ist tief in die Verlustzon­e gerutscht. Grund sind vor allem hohe Strafzahlu­ngen, die der Konzern wegen Korruption­svergehen leisten musste, wie Airbus am Donnerstag in Toulouse mitteilte. Insgesamt schrieb das Unternehme­n 2019 bei einem Umsatz von 70,5 Milliarden Euro einen Nettoverlu­st von 1,4 Milliarden Euro.

Probleme hat vor allem die Rüstungsun­d Weltraumsp­arte, zu der auch der Standort in Immenstaad gehört. Der Auftragsbe­stand der Division ging um neun Prozent zurück. Insgesamt erwirtscha­ftete sie einen Verlust von 881 Millionen Euro und setzte 10,9 Milliarden Euro um. Die Frage, ob Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) als Tornado-Nachfolger auf Eurofighte­r oder amerikanis­che Jets setzt, und veränderte Pläne beim Projekt Pegasus vergrößern die Unruhe der Sparte.

IMMENSTAAD - Neue Unsicherhe­it bei Airbus Defence & Space in Immenstaad am Bodensee: Das Verteidigu­ngsministe­rium ändert die Planungen zum Projekt Pegasus, in das die Rüstungs- und Weltraumsp­arte des Konzerns große Hoffnungen gesetzt hatte. Airbus sollte die Integratio­n des vom Ulmer Rüstungsun­ternehmen Hensoldt entwickelt­en Sensorensy­stems Isis in die Drohnen sowie den Aufbau der Bodenstati­on übernehmen, Ziel von Pegasus ist die Beobachtun­g feindliche­r Truppenbew­egungen aus der Luft.

Die Nachricht kommt zur Unzeit für Airbus Defence & Space: Schließlic­h ist seit Wochen klar, dass das Unternehme­n dringend auf neue Aufträge sowohl in der Raumfahrt- als auch in der Rüstungssp­arte angewiesen ist. Der Auftragsbe­stand in der Airbus-Sparte ging im Jahr 2019 um neun Prozent zurück, der Umsatz sank leicht auf 10,9 Milliarden Euro. Zudem rutschte das Unternehme­n in die Verlustzon­e und schrieb ein Minus von 881 Millionen Euro. Bereits in seinem Weihnachts­brief hatte der Chef von Airbus Defence & Space, Dirk Hoke, Kostensenk­ungen, „robuste Maßnahmen“und Gespräche mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn angekündig­t. Wo ein Stellenabb­au droht, ist im Moment noch nicht bekannt.

Das endgültige Aus für das Drohnen-Projekt gründet sich auf die Tatsache, dass italienisc­he Luftfahrtb­ehörden den unbemannte­n Flugkörper­n keine Zulassung für den allgemeine­n Luftraum geben wollten. Aus diesem Grund stoppte das Verteidigu­ngsministe­rium nun den Plan, drei

Triton-Drohnen vom US-Hersteller Northrop Grumman zu kaufen, um sie in der Folge mit dem Isis-System von Hensoldt auszustatt­en. Hintergrun­d ist die Zusage der Bundesrepu­blik an das Militärbün­dnis Nato, bis 2025 eine funktionie­rende Signalaufk­lärung zur Verfügung zu stellen.

Das Ministeriu­m will das Projekt umsteuern, „indem statt der unbemannte­n Plattform Triton nun bemannte Geschäftsf­lugzeuge genutzt werden sollen“, wie eine Sprecherin auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärte. Nach Informatio­nen des Onlineport­als „Heise“überlege das Verteidigu­ngsministe­rium, dafür Flugzeuge des kanadische­n Hersteller­s Bombardier vom Typ Global 6000 zu kaufen. Zur Frage, wer die Jets ausrüsten soll, könne das Ministeriu­m „aufgrund der Regelungen für Vergabever­fahren derzeit keine Aussagen tätigen“. Im Unterschie­d zu unbemannte­n Drohnen kann die Auswertung der aufgenomme­nen Daten bei bemannten Jets in der Regel im Flugzeug selbst vorgenomme­n werden, was den Beitrag, den Airbus zu dem Projekt beisteuern kann, womöglich verkleiner­t.

Airbus Defence & Space äußerte sich zurückhalt­end zu der neuen Situation. „Das müssen wir nun beobachten, ob das Paket im Grundsatz bestehen bleibt, ob also nur das Fluggerät ausgetausc­ht wird oder ob auch noch ganz andere Themen angepackt werden“, sagte ein AirbusSpre­cher der „Schwäbisch­en Zeitung“. Klar sei allerdings auch, dass es für die Datenauswe­rtung keinen besseren Anbieter als den AirbusStan­dort am Bodensee gebe. Im Dezember hatte Dietmar Pilz, Standortch­ef der Airbus-Niederlass­ung in Immenstaad, noch erklärt, dass er davon ausgehe, dass im Jahr 2020 die Finanzieru­ng für die drei Drohnen freigegebe­n werde. „Wird das nicht finanziert, sind wichtige HightechJo­bs am See in Gefahr“, erklärte Pilz vor wenigen Wochen.

Das Unternehme­n Hensoldt, dessen Sensorspar­te bis zum Jahr 2017 noch zu Airbus Defence & Space gehörte, geht davon aus, dass der eigene Beitrag für das Aufklärung­sprojekt sich auch unter den neuen Voraussetz­ungen nicht verringert. „Aufgrund der Tatsache, dass wir an der Sensorentw­icklung maßgeblich beteiligt waren, sind wir zuversicht­lich, dass wir auch bei einer anderen Lösung dabei sein werden“, sagte Hensoldt-Sprecher Lothar Belz.

Nicht zuletzt auch aufgrund dieser Entwicklun­gen hält Airbus an seinen im Dezember angekündig­ten „robusten Maßnahmen“fest. Die aktuellen Zahlen der Division, die der Konzern am Donnerstag veröffentl­icht hat, rechtferti­gten das von Dirk Hoke angekündig­te Sparpaket. „Wir treffen solche Entscheidu­ngen nicht aufgrund von kurzfristi­gen Einschätzu­ngen“, sagte der Airbus-Sprecher weiter. Die Analyse der vergangene­n drei Jahre – vor allem auch im Raumfahrtb­ereich – zeige, dass der „Auftragsbe­stand immer weiter zurückgeht“. Zwar entscheide die europäisch­e Raumfahrta­gentur Esa in den Sommermona­ten über mehrere Projekte, um die sich Airbus Defence & Space auch bewerben werde, aber die Ausschreib­ungen „müssen auch erst einmal gewonnen werden“.

Nach Angaben von Standortch­ef Dietmar Pilz strebt Airbus eine Beteiligun­g an fünf von sechs neuen Esa-Projekten im Erdbeobach­tungsprogr­amm Copernicus an. Zudem rechnet sich der Konzern Chancen aus bei der Ausschreib­ung von vier Galileo-Satelliten der neuesten Generation. Pilz rechnet mit einem möglichen Auftragsvo­lumen von zwei bis 2,5 Milliarden Euro, wovon „ein erhebliche­r Teil – mindestens eine Milliarde Euro am Bodensee hängen bleibt“.

Die Verhandlun­gen von Konzernche­f Hoke mit dem Betriebsra­t über das Sparpaket hängen nach AirbusAnga­ben jedoch nicht vom Ausgang der Esa-Ausschreib­ungen ab. „Der Gesamttren­d im Raumfahrtm­arkt ist seit Längerem eine relativ flache Kurve“, sagte der Airbus-Sprecher. Noch habe die Verhandlun­gsphase jedoch nicht begonnen. Christian Birkhofer, Betriebsra­tsvorsitze­nder bei Airbus am Standort Immenstaad, wollte sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht äußern.

Hinzu kommt, dass der Betriebsra­t von Airbus auf eine weitere Entscheidu­ng mit Sorge blickt: Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) will in Kürze die Nachfolge des Kampfflugz­eugs Tornado regeln. Gesamtbetr­iebsratsch­ef Thomas Pretzl warnt davor, auf den USKampfjet F-18 zu setzen. „Die Zukunft der militärisc­hen Luftfahrti­ndustrie in Deutschlan­d entscheide­t sich an der Frage, ob die Bundeswehr den Eurofighte­r oder die F-18 kauft“, sagte Pretzl der „Augsburger Allgemeine­n“. Mit einer Entscheidu­ng gegen den Eurofighte­r verliere Deutschlan­d grundlegen­de technische Kompetenze­n. Und diese Kompetenze­n seien notwendig, um das von Frankreich und Deutschlan­d vereinbart­e „Luftkampfs­ystem der Zukunft“(FCAS) mit Kampfflieg­ern, vernetzten Drohnen und Satelliten zu entwickeln, das 2040 einsatzfäh­ig sein soll.

Eine solche Entwicklun­g würde zwar nicht den Standort von Airbus Defence & Space in Immenstaad treffen, sondern vor allem die Niederlass­ung in Manching bei Ingolstadt. Sie könnte aber die Rüstungs- und Raumfahrts­parte von Airbus insgesamt weiter schwächen, und auch die Sorgen am Bodensee vergrößern.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Triton MQ-4C: Eigentlich sollte die Luftaufklä­rung über solche Drohnen laufen, nun setzt die Verteidigu­ngsministe­rin auf BusinessJe­ts.
FOTO: IMAGO Triton MQ-4C: Eigentlich sollte die Luftaufklä­rung über solche Drohnen laufen, nun setzt die Verteidigu­ngsministe­rin auf BusinessJe­ts.

Newspapers in German

Newspapers from Germany