Airbus landet in roten Zahlen
Auftragsflaute bei Rüstungs- und Weltraumsparte
IMMENSTAAD (ben) - Der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus ist tief in die Verlustzone gerutscht. Grund sind vor allem hohe Strafzahlungen, die der Konzern wegen Korruptionsvergehen leisten musste, wie Airbus am Donnerstag in Toulouse mitteilte. Insgesamt schrieb das Unternehmen 2019 bei einem Umsatz von 70,5 Milliarden Euro einen Nettoverlust von 1,4 Milliarden Euro.
Probleme hat vor allem die Rüstungsund Weltraumsparte, zu der auch der Standort in Immenstaad gehört. Der Auftragsbestand der Division ging um neun Prozent zurück. Insgesamt erwirtschaftete sie einen Verlust von 881 Millionen Euro und setzte 10,9 Milliarden Euro um. Die Frage, ob Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) als Tornado-Nachfolger auf Eurofighter oder amerikanische Jets setzt, und veränderte Pläne beim Projekt Pegasus vergrößern die Unruhe der Sparte.
IMMENSTAAD - Neue Unsicherheit bei Airbus Defence & Space in Immenstaad am Bodensee: Das Verteidigungsministerium ändert die Planungen zum Projekt Pegasus, in das die Rüstungs- und Weltraumsparte des Konzerns große Hoffnungen gesetzt hatte. Airbus sollte die Integration des vom Ulmer Rüstungsunternehmen Hensoldt entwickelten Sensorensystems Isis in die Drohnen sowie den Aufbau der Bodenstation übernehmen, Ziel von Pegasus ist die Beobachtung feindlicher Truppenbewegungen aus der Luft.
Die Nachricht kommt zur Unzeit für Airbus Defence & Space: Schließlich ist seit Wochen klar, dass das Unternehmen dringend auf neue Aufträge sowohl in der Raumfahrt- als auch in der Rüstungssparte angewiesen ist. Der Auftragsbestand in der Airbus-Sparte ging im Jahr 2019 um neun Prozent zurück, der Umsatz sank leicht auf 10,9 Milliarden Euro. Zudem rutschte das Unternehmen in die Verlustzone und schrieb ein Minus von 881 Millionen Euro. Bereits in seinem Weihnachtsbrief hatte der Chef von Airbus Defence & Space, Dirk Hoke, Kostensenkungen, „robuste Maßnahmen“und Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern angekündigt. Wo ein Stellenabbau droht, ist im Moment noch nicht bekannt.
Das endgültige Aus für das Drohnen-Projekt gründet sich auf die Tatsache, dass italienische Luftfahrtbehörden den unbemannten Flugkörpern keine Zulassung für den allgemeinen Luftraum geben wollten. Aus diesem Grund stoppte das Verteidigungsministerium nun den Plan, drei
Triton-Drohnen vom US-Hersteller Northrop Grumman zu kaufen, um sie in der Folge mit dem Isis-System von Hensoldt auszustatten. Hintergrund ist die Zusage der Bundesrepublik an das Militärbündnis Nato, bis 2025 eine funktionierende Signalaufklärung zur Verfügung zu stellen.
Das Ministerium will das Projekt umsteuern, „indem statt der unbemannten Plattform Triton nun bemannte Geschäftsflugzeuge genutzt werden sollen“, wie eine Sprecherin auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“erklärte. Nach Informationen des Onlineportals „Heise“überlege das Verteidigungsministerium, dafür Flugzeuge des kanadischen Herstellers Bombardier vom Typ Global 6000 zu kaufen. Zur Frage, wer die Jets ausrüsten soll, könne das Ministerium „aufgrund der Regelungen für Vergabeverfahren derzeit keine Aussagen tätigen“. Im Unterschied zu unbemannten Drohnen kann die Auswertung der aufgenommenen Daten bei bemannten Jets in der Regel im Flugzeug selbst vorgenommen werden, was den Beitrag, den Airbus zu dem Projekt beisteuern kann, womöglich verkleinert.
Airbus Defence & Space äußerte sich zurückhaltend zu der neuen Situation. „Das müssen wir nun beobachten, ob das Paket im Grundsatz bestehen bleibt, ob also nur das Fluggerät ausgetauscht wird oder ob auch noch ganz andere Themen angepackt werden“, sagte ein AirbusSprecher der „Schwäbischen Zeitung“. Klar sei allerdings auch, dass es für die Datenauswertung keinen besseren Anbieter als den AirbusStandort am Bodensee gebe. Im Dezember hatte Dietmar Pilz, Standortchef der Airbus-Niederlassung in Immenstaad, noch erklärt, dass er davon ausgehe, dass im Jahr 2020 die Finanzierung für die drei Drohnen freigegeben werde. „Wird das nicht finanziert, sind wichtige HightechJobs am See in Gefahr“, erklärte Pilz vor wenigen Wochen.
Das Unternehmen Hensoldt, dessen Sensorsparte bis zum Jahr 2017 noch zu Airbus Defence & Space gehörte, geht davon aus, dass der eigene Beitrag für das Aufklärungsprojekt sich auch unter den neuen Voraussetzungen nicht verringert. „Aufgrund der Tatsache, dass wir an der Sensorentwicklung maßgeblich beteiligt waren, sind wir zuversichtlich, dass wir auch bei einer anderen Lösung dabei sein werden“, sagte Hensoldt-Sprecher Lothar Belz.
Nicht zuletzt auch aufgrund dieser Entwicklungen hält Airbus an seinen im Dezember angekündigten „robusten Maßnahmen“fest. Die aktuellen Zahlen der Division, die der Konzern am Donnerstag veröffentlicht hat, rechtfertigten das von Dirk Hoke angekündigte Sparpaket. „Wir treffen solche Entscheidungen nicht aufgrund von kurzfristigen Einschätzungen“, sagte der Airbus-Sprecher weiter. Die Analyse der vergangenen drei Jahre – vor allem auch im Raumfahrtbereich – zeige, dass der „Auftragsbestand immer weiter zurückgeht“. Zwar entscheide die europäische Raumfahrtagentur Esa in den Sommermonaten über mehrere Projekte, um die sich Airbus Defence & Space auch bewerben werde, aber die Ausschreibungen „müssen auch erst einmal gewonnen werden“.
Nach Angaben von Standortchef Dietmar Pilz strebt Airbus eine Beteiligung an fünf von sechs neuen Esa-Projekten im Erdbeobachtungsprogramm Copernicus an. Zudem rechnet sich der Konzern Chancen aus bei der Ausschreibung von vier Galileo-Satelliten der neuesten Generation. Pilz rechnet mit einem möglichen Auftragsvolumen von zwei bis 2,5 Milliarden Euro, wovon „ein erheblicher Teil – mindestens eine Milliarde Euro am Bodensee hängen bleibt“.
Die Verhandlungen von Konzernchef Hoke mit dem Betriebsrat über das Sparpaket hängen nach AirbusAngaben jedoch nicht vom Ausgang der Esa-Ausschreibungen ab. „Der Gesamttrend im Raumfahrtmarkt ist seit Längerem eine relativ flache Kurve“, sagte der Airbus-Sprecher. Noch habe die Verhandlungsphase jedoch nicht begonnen. Christian Birkhofer, Betriebsratsvorsitzender bei Airbus am Standort Immenstaad, wollte sich auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht äußern.
Hinzu kommt, dass der Betriebsrat von Airbus auf eine weitere Entscheidung mit Sorge blickt: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will in Kürze die Nachfolge des Kampfflugzeugs Tornado regeln. Gesamtbetriebsratschef Thomas Pretzl warnt davor, auf den USKampfjet F-18 zu setzen. „Die Zukunft der militärischen Luftfahrtindustrie in Deutschland entscheidet sich an der Frage, ob die Bundeswehr den Eurofighter oder die F-18 kauft“, sagte Pretzl der „Augsburger Allgemeinen“. Mit einer Entscheidung gegen den Eurofighter verliere Deutschland grundlegende technische Kompetenzen. Und diese Kompetenzen seien notwendig, um das von Frankreich und Deutschland vereinbarte „Luftkampfsystem der Zukunft“(FCAS) mit Kampffliegern, vernetzten Drohnen und Satelliten zu entwickeln, das 2040 einsatzfähig sein soll.
Eine solche Entwicklung würde zwar nicht den Standort von Airbus Defence & Space in Immenstaad treffen, sondern vor allem die Niederlassung in Manching bei Ingolstadt. Sie könnte aber die Rüstungs- und Raumfahrtsparte von Airbus insgesamt weiter schwächen, und auch die Sorgen am Bodensee vergrößern.