Wann muss die Kuh von der Leine?
Die Anbindehaltung bleibt wohl vorerst erlaubt – Ein Gericht könnte sie aber kippen
- Die Milchtüte mit der Kuh auf der Weide ist oft ein leeres Werbeversprechen: Viele Rinder werden das ganze Jahr über im Stall angebunden. Die sogenannte Anbindehaltung ist vor allem in Süddeutschland verbreitet, denn hier gibt es viele kleine Betriebe. Für sie ist die geforderte Umrüstung auf Laufställe oft schwierig. Manche liegen in Ortslagen, wo der Stall schwer um Auslaufflächen erweitert werden kann. Manche Kleinbetriebe können sich die Umbauten nicht leisten. 2018 rechneten Bayern und Baden-Württemberg in einer gemeinsamen Erklärung vor, dass in Bayern noch etwa die Hälfte der Milchviehbetriebe Anbindehaltung betreibt, in Baden-Württemberg ist es etwa noch ein Drittel, Tendenz fallend.
Einigen geht es aber nicht schnell genug, sie wollen die Rinder jetzt von der Kette lassen. Am Freitag steht bei der Bundesratsdebatte zur Nutztierhaltungs verordnung auch ein Verbots antrag Hessens zur Debatte. Baden-Württem bergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) glaubt aber, dass die Ländermehrheit einem Umstellungszwang derzeit nicht zustimmen wird. „Erfreulich ist, dass nach aktuellem Stand die Frage der Abschaffung der Anbindehaltung keine Mehrheit finden wird“, sagte Hauk am Donnerstag der „Schwäbischen Zeitung“. Wie der Bundesrat letztlich entscheidet, dürfte erst kurz vor der Sitzung am Freitag feststehen.
Doch Hauk wirbt für eine freiwillige Variante: Baden-Württemberg habe mit dem „erfolgreichen KombiHaltungs-Modell“eine gute Lösung gefunden, „die das Tierwohl stärkt und die Existenz der kleinen Betriebe, vor allem im Schwarzwald, sichert“, sagte der CDU-Politiker. Auch in Bayern wird das Kombi-Haltungs-Modell angewendet. Dabei werden den Tieren bis zu 120 Tage mit freier Bewegung (zum Beispiel auf der Weide) zugestanden, bei weniger verpflichtet sich der Landwirt zu mehr Tierwohl. In der restlichen Zeit ist Anbindehaltung möglich.
Eine Dauerlösung ist das nicht: Auch der Bauernverband zeigt sich offen für „Weiterentwicklungen“. Doch ob die freiwillig kommen, ist offen: Derzeit ist ein Verfahren zur Zulässigkeit der ganzjährigen Anbindehaltung beim Oberverwaltungsgericht Münster anhängig. Die Vorinstanz hatte die Haltungsform bereits als „tierschutzwidrig“eingestuft.
Vorsichtshalber hat das Bundesagrarministerium bereits 2018 die Folgen eines möglichen Verbots durchrechnen lassen: Demnach wären 13 500 meist kleine Betriebe betroffen, die mit Mehrkosten von zwischen 0,26 und 13,42 Cent pro Kilo Milch rechnen müssten, rechnete das Thünen-Institut vor. Die Wissenschaftler rechnen mit Umstellungskosten von 222 bis 287 Millionen Euro binnen zehn Jahren – und fordern eine Weideprämie.