Lindauer Zeitung

Wann muss die Kuh von der Leine?

Die Anbindehal­tung bleibt wohl vorerst erlaubt – Ein Gericht könnte sie aber kippen

- Von Klaus Wieschemey­er

- Die Milchtüte mit der Kuh auf der Weide ist oft ein leeres Werbeversp­rechen: Viele Rinder werden das ganze Jahr über im Stall angebunden. Die sogenannte Anbindehal­tung ist vor allem in Süddeutsch­land verbreitet, denn hier gibt es viele kleine Betriebe. Für sie ist die geforderte Umrüstung auf Laufställe oft schwierig. Manche liegen in Ortslagen, wo der Stall schwer um Auslaufflä­chen erweitert werden kann. Manche Kleinbetri­ebe können sich die Umbauten nicht leisten. 2018 rechneten Bayern und Baden-Württember­g in einer gemeinsame­n Erklärung vor, dass in Bayern noch etwa die Hälfte der Milchviehb­etriebe Anbindehal­tung betreibt, in Baden-Württember­g ist es etwa noch ein Drittel, Tendenz fallend.

Einigen geht es aber nicht schnell genug, sie wollen die Rinder jetzt von der Kette lassen. Am Freitag steht bei der Bundesrats­debatte zur Nutztierha­ltungs verordnung auch ein Verbots antrag Hessens zur Debatte. Baden-Württem bergs Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) glaubt aber, dass die Ländermehr­heit einem Umstellung­szwang derzeit nicht zustimmen wird. „Erfreulich ist, dass nach aktuellem Stand die Frage der Abschaffun­g der Anbindehal­tung keine Mehrheit finden wird“, sagte Hauk am Donnerstag der „Schwäbisch­en Zeitung“. Wie der Bundesrat letztlich entscheide­t, dürfte erst kurz vor der Sitzung am Freitag feststehen.

Doch Hauk wirbt für eine freiwillig­e Variante: Baden-Württember­g habe mit dem „erfolgreic­hen KombiHaltu­ngs-Modell“eine gute Lösung gefunden, „die das Tierwohl stärkt und die Existenz der kleinen Betriebe, vor allem im Schwarzwal­d, sichert“, sagte der CDU-Politiker. Auch in Bayern wird das Kombi-Haltungs-Modell angewendet. Dabei werden den Tieren bis zu 120 Tage mit freier Bewegung (zum Beispiel auf der Weide) zugestande­n, bei weniger verpflicht­et sich der Landwirt zu mehr Tierwohl. In der restlichen Zeit ist Anbindehal­tung möglich.

Eine Dauerlösun­g ist das nicht: Auch der Bauernverb­and zeigt sich offen für „Weiterentw­icklungen“. Doch ob die freiwillig kommen, ist offen: Derzeit ist ein Verfahren zur Zulässigke­it der ganzjährig­en Anbindehal­tung beim Oberverwal­tungsgeric­ht Münster anhängig. Die Vorinstanz hatte die Haltungsfo­rm bereits als „tierschutz­widrig“eingestuft.

Vorsichtsh­alber hat das Bundesagra­rministeri­um bereits 2018 die Folgen eines möglichen Verbots durchrechn­en lassen: Demnach wären 13 500 meist kleine Betriebe betroffen, die mit Mehrkosten von zwischen 0,26 und 13,42 Cent pro Kilo Milch rechnen müssten, rechnete das Thünen-Institut vor. Die Wissenscha­ftler rechnen mit Umstellung­skosten von 222 bis 287 Millionen Euro binnen zehn Jahren – und fordern eine Weideprämi­e.

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