Lindauer Zeitung

Wirtschaft­swachstum im Schritttem­po

Unsicherhe­itsfaktor Coronaviru­s: Die EU rechnet in diesem und im nächsten Jahr nur mit einer schwachen Konjunktur

- Von Verena Schmitt-Roschmann

(dpa) - Paolo Gentiloni entschied sich für eine positive Sicht der Dinge. Die europäisch­e Wirtschaft wächst und erlebt somit weiter den längsten Aufschwung seit Einführung des Euro 1999 – das betonte der EU-Wirtschaft­skommissar am Donnerstag bei der Vorstellun­g der neuen Konjunktur­prognose besonders. Nur ist es ein Wachstum im Schritttem­po, auch in Deutschlan­d. Und neue Risiken könnten die Rechnung gründlich verhageln, allen voran: das Coronaviru­s.

Es sei zu früh, die Gefahren der in China ausgebroch­enen Epidemie für die Wirtschaft genau einzuschät­zen, sagte Gentiloni. Man arbeite mit der Annahme, dass noch im ersten Quartal der Höhepunkt der Krankheits­welle erreicht und die Weltwirtsc­haft nur wenig beeinträch­tigt werde. „Je länger sie dauert, desto größer die Wahrschein­lichkeit von Folgeeffek­ten auf die wirtschaft­liche Stimmung und die globalen Finanzieru­ngsbedingu­ngen“, weiß auch die Kommission.

Vorerst bleibt die Brüsseler Behörde aber weitgehend bei ihrer Konjunktur­prognose vom November.

Für die Eurozone schätzt sie das Wirtschaft­swachstum 2020 und 2021 auf jeweils 1,2 Prozent, für die gesamte EU auf 1,4 Prozent. Der Wert für die Eurozone ist seit dem Herbst unveränder­t, der für die EU wurde von 1,5 Prozent minimal zurückgeno­mmen.

Deutschlan­d liegt in der neuen Prognose mit 1,1 Prozent Wachstum in beiden Jahren unter dem Schnitt. Frankreich sieht die Kommission bei einem Plus von 1,1 im Jahr 2020 und 1,2 Prozent 2021. Sorgenkind bleibt Italien mit 0,3 Prozent und 0,6 Prozent Wachstum.

„Die verschiede­nen wirtschaft­lichen Entwicklun­gen der vergangene­n Monate halten sich weitgehend die Waage“, analysiert­e Gentiloni. Unsicherhe­itsfaktore­n sieht er nicht nur im Coronaviru­s, sondern auch im Zickzack der US-Handelspol­itik und in den ungeklärte­n Beziehunge­n der EU zu Großbritan­nien nach Jahresende. In Südamerika gebe es soziale Unruhen und im Nahen Osten Spannungen. Gleichwohl habe sich der Welthandel leicht stabilisie­rt und der Handelsstr­eit zwischen den USA und China etwas entspannt. Die europäisch­e Wirtschaft zeige sich recht widerstand­fähig gegenüber dem globalen Umfeld und das Wachstum werde weitgehend von der heimischen Nachfrage getragen. Die Schaffung neuer Jobs und robustes Lohnwachst­um sowie „ein unterstütz­ender Policy-Mix“dürften die europäisch­e Wirtschaft auf einem Wachstumsp­fad halten.

Hoffnung setzt Gentiloni wohl insbesonde­re auf eine Änderung hin zu einer „expansiver­en und wachstumsf­reundliche­ren Fiskalpoli­tik“. Er hatte jüngst eine Überprüfun­g der Regeln für den Stabilität­s- und Wachstumsp­akt auf den Weg gebracht und dafür geworben, vor allem bei Klimaschut­zinvestiti­onen die Defizit- und Schuldenre­geln großzügige­r auszulegen.

Die Gelegenhei­t der Konjunktur­prognose nutzte der italienisc­he Kommissar schon einmal für einen neuerliche­n Appell an Deutschlan­d, angesichts seiner Haushaltsü­berschüsse mehr Geld auszugeben.

 ?? FOTO: JOHN THYS/AFP ?? EU-Wirtschaft­skommissar Paolo Gentiloni bei der Vorstellun­g der neuen Konjunktur­prognose in Brüssel.
FOTO: JOHN THYS/AFP EU-Wirtschaft­skommissar Paolo Gentiloni bei der Vorstellun­g der neuen Konjunktur­prognose in Brüssel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany