In Cortina d’Ampezzo wird Skifahrern eingeheizt
Der noble Wintersportort pflegt das italienische Dolce Vita und bereitet sich auf Olympia 2026 vor
Alles schläft noch, wenn Guido Lorenzi frühmorgens in die dunkle Stube seiner Hütte tritt. Er ist leise. Dabei würde der Wind, der um seinen schneebedeckten Gipfelsitz fegt, seine Schritte auf den knarzenden Dielen ohnehin übertönen. Die Berge liegen noch im Dunkeln. Auch Wirt Guido lässt das Licht aus. Er liebt den Moment zwischen nächtlicher Ruhe und dem Erwachen des Tages, wenn die aufgehende Sonne das Blau des Nachthimmels aufhellt. „Das sind wunderschöne Augenblicke“, sagt der 55-jährige Hüttenwirt, der seit 15 Jahren einen Großteil seines Lebens auf 2255 Metern Höhe verbringt.
Eine Hütte namens Eichhörnchen
Der Besitzer des Refugio Scoiattoli – die Hütte mit dem Namen „Eichhörnchen“wird schon seit 100 Jahren von der Familie geführt – lebt in einer Welt für sich. Hier oben prahlt die Natur mit der steinernen Pracht der Dolomiten: mit Zinnen und Graten, Rinnen und Scharten. Gleich vor der Haustür etwa ragen die spitz zulaufenden Nadeln der Cinque Torri (Fünf Türme) in den Himmel. 1956 fanden in dem bis dahin eher verschlafenen Cortina d’Ampezzo die Olympischen Winterspiele statt – ein kleines Sportfest, verglichen mit den Events von heute, die in dem Ort während der Weltcup-Saison ausgetragen werden. Aber groß genug, um die Aufmerksamkeit der Wintersportler damals auf sich zu lenken. Cortina wurde bald zum Nobelskiort, und es gehörte vor allem unter den reichen Italienern in Rom, Florenz, Bologna oder Venedig zum guten Ton, dort einen Zweitwohnsitz zu haben. 5000 Einwohner zählt das Dorf mittlerweile und 20 000 Gästebetten. Wer seit Generationen in Cortina lebt, darf sich Ampezzano/a nennen, alle anderen sind und bleiben Reingeschmeckte. Den Unterschied merkt man sofort: Die Einheimischen unterhalten sich auf Ladinisch, während die anderen „nur“Italienisch sprechen.
Wahrscheinlich ist Cortina d’Ampezzo bis heute der italienischste Skiort in den Dolomiten. Wohl kaum irgendwo sonst wird la dolce vita so selbstverständlich gelebt. Im Zentrum in der Fußgängerzone gibt es jede Menge schicke Boutiquen mit den neuesten Trends aus Mailand oder Paris. Und auf den Hütten wird der Genuss großgeschrieben. Im Rifugio Capanno im Gebiet Faloria zum Beispiel haben die Gäste die Wahl zwischen rund 100 Grappas. Davor wird Erlesenes serviert, wie fluffige Steinpilztörtchen, in Butter geschwenkte Casunzei (Schlutzkrapfen) mit Roter Beete und Parmesan oder Geschmortes vom Hirsch mit Polenta.
Da hat man hinterher wieder genug Kräfte zum Carven. Mit 120 Pistenkilometern ist das Ampezzo-Gebiet ein Traum für Skifahrer und Snowboarder. Dank der Lage auf der Südseite der Alpen scheint hier zumindest statistisch an acht von zehn Tagen die Sonne. Einziger Wermutstropfen: Die Bergbahnen und Liftanlagen sind etwas in die Jahre gekommen. Doch das hat auch Vorteile: Zum einen, dass sich auf den Pisten keine Massen tummeln wie an der benachbarten Sellaronda. Zum anderen kann man so im Urlaub besser entschleunigen. Allerdings sollen bis zu den Olympischen Winterspielen im Jahr 2026 noch einige Anlagen modernisiert werden. Ein Anfang ist mit der neuen Gondel in Tofana schon gemacht.
Die Region umfasst insgesamt drei Skigebiete: Faloria-Cristallo, Tofana sowie Lagazuoi-Cinque Torri. Faloria-Cristallo, das mit der Seilbahn vom Dorfzentrum aus am schnellsten zu erreichen ist, besticht besonders mit seinen langen schwarzen Abfahrten für Könner. Tofana am oberen Ortsrand ist vor allem für Familien mit Kindern geeignet. Legendär ist dort die Abfahrt vom Col Druscié nach Cortina. Bereits James Bond brauste hier „in tödlicher Mission“ins Tal. Der längste Hang ist die elf Kilometer lange Piste von Tofana nach Cortina d’Ampezzo. Besonders anspruchsvoll ist dagegen die Olympia delle Tofane mit ihren bis zu 68 Prozent Gefälle und dem markanten Felsen, an dem Top-Athleten bei den Weltcuprennen mit 120 Stundenkilometern gen Tal vorbeischießen. Im kleinsten Skigebiet Cinque Torri, das nur per Bus oder Auto erreichbar ist, sind alle Pisten blau oder rot markiert. Die Hänge bieten sich fürs Genuss-Carven an. Keinesfalls versäumen sollten Wintersportler hier die sogenannte Super-8-Runde – allein schon wegen der sensationellen Bergsicht.
Spät abends hinunter ins Tal
Am späten Nachmittag, wenn die Lifte schließen, ist ein Einkehrschwung im Rifugio Scoiattoli im Gebiet Cinque Torri ein unvergessliches Erlebnis. Nicht nur, weil Guido Lorenzis Küche mit Zutaten aus der Region eine Wucht ist und auf der Karte sagenhafte 200 Weine zur Auswahl stehen, sondern auch weil seine Gäste – nach Reservierung – draußen in der Natur im heißen Bottich baden können. Guido heizt das Wasser noch mit Holzscheiten auf. Ein bisschen müssen sich Mann und Frau also gedulden, ehe sie ins warme Nass steigen dürfen. Rund 15 Minuten lang ist es trotz Windböen wunderbar entspannend, dann wird der Kopf schlagartig eiskalt und es zieht einen zurück in die Hütte. Wie gut, dass es für jeden ein Fell gibt, in das man sich kuscheln kann. Die Antipasti mit geräuchertem Prosciutto und Lardo werden wegen der eisigen Temperaturen diesmal nicht wie sonst üblich auf dem schwimmenden Brett im Bottich, sondern in der gemütlichen Stube serviert. Wer es sich zutraut, fährt zum Schluss auf Skiern mit Stirnlampe bergab. Alle anderen bringt Guido mit der Pistenraupe oder dem Skidoo zuverlässig ins Tal.
Oben auf dem Gipfel senkt sich derweil die nächtliche Ruhe über das Rifugio Scoiattoli. Von sternenklarem Himmel kann heute leider keine Rede sein. Stattdessen fällt Schnee in dicken Flocken.
Weitere Informationen unter www.cortina.dolomiti.org
Die Recherche wurde unterstützt von Cortina Dolomiti Marketing.