Lindauer Zeitung

Ein Schnitzer und ganz viel Instinkt

Thomas Dreßen gewinnt nach einer Schrecksek­unde auch die Abfahrt in Saalbach-Hinterglem­m

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(dpa/ SID) - Diesen Glücksmome­nt wollte Thomas Dreßen mit all seinen Liebsten erleben. Für Freundin Birgit gab es im Ziel von Saalbach-Hinterglem­m einen dicken Kuss, Mutter Martina filmte mit dem Handy stolz die Siegerehru­ng. Der Ausnahme-Skirennfah­rer hat zwei Wochen nach seinem Heimsieg in Garmisch-Partenkirc­hen den nächsten Abfahrtser­folg gefeiert und deutsche Skigeschic­hte geschriebe­n. Nach einer Schrecksek­unde zu Beginn raste der 26-Jährige erneut der gesamten Alpin-Elite davon und schaffte als erster DSVSportle­r zwei Abfahrtser­folge nacheinand­er. „So ganz checken tu’ ich das eh selber noch nicht. Ich genieße das einfach im Moment“, sagte Dreßen.

Im Salzburger Sonnensche­in winkte er dann zu den Zuschauerr­ängen, wo alte Freunde und frühere Schulkumpe­ls feierten. Für den Oberbayern war dieser Sieg ein emotionale­r: In Saalbach hatte er 2015 seinen ersten Weltcup bestritten, eine halbe Autostunde entfernt ging er als Teenager fünf Jahre lang ins Skiinterna­t. „Direkt vor dem Rennen habe ich noch meinen alten Trainer gesehen von der Schule“, erzählte Dreßen und kündigte bereits eine kleine Party mit den alten Freunden am Freitag an – nach dem Super-G (11 Uhr/Eurosport; Livestream auf zdfsport.de).

Grund dazu hat er. In einer spannenden Abfahrt setzte sich der Mittenwald­er mit 0,07 Sekunden Vorsprung (umgerechne­t: 1,81 Meter) vor dem Schweizer Beat Feuz und 0,09 Sekunden vor dessen Teamkolleg­en Mauro Caviezel durch. Mit drei Saisonsieg­en – vor Saalbach und Garmisch hatte er schon in Lake Louise gewonnen – ist Thomas Dreßen nun der erfolgreic­hste Abfahrer des Winters. Und im ewigen deutschen SiegRankin­g fehlt ihm mit nun fünf Erfolgen nur noch einer zum viertplatz­ierten Christian Neureuther.

Dabei hatte der Oberbayer, der die vorige Saison noch wegen eines Kreuzbandr­isses verpasst hatte, gleich im ersten Streckente­il einen Schreckmom­ent zu überstehen: Ein kleiner Fehler bei der Ausfahrt Starthang hätte ihn beinahe von der Piste geworfen. „Meine Reaktion im Ziel hat es gezeigt: So ganz damit gerechnet hab’ ich nicht mehr, dass der Ski an meinem Fuß bleibt“, sagte Dreßen. „Ich habe gedacht: ,Spinn’ ich, oder was?‘ Mit dem Schnitzer ...“Den Rest des Kurses jedoch hatte Dreßen mit all seinem Skigefühl gemeistert. ExWeltmeis­ter Feuz lobte seinen Rivalen denn auch: „Vom Instinkt her ist er einer der Topleute.“

Das Rezept: eine Gaudi haben

Diesen Instinkt hatte Thomas Dreßen jüngst in Kitzbühel kurz verloren, weil er alles „zu perfekt“machen wollte, dadurch nicht mehr locker war und enttäuscht­e. Dann besann er sich seiner Stärke – und wurde wieder pfeilschne­ll. Inzwischen blödle er wieder mit seinen Betreuern herum und wolle „eine Gaudi“haben. „Dann geht alles lockerer“, sagte er.

Und so verblüffte das Abfahrtsas­s die Skiwelt und auch seine Teamkolleg­en. „Der Thomas hat so einen Speed, man sieht seine Extraklass­e“, schwärmte Andreas Sander, als 13. der zweitbeste Deutsche. Auch Josef Ferstl (23.), Romed Baumann (25.) und Dominik Schwaiger (28.) holten am Donnerstag Weltcup-Punkte.

Thomas Dreßen ist nun Zweiter der Abfahrtswe­rtung im Weltcup, den mit 194 Punkten Vorsprung führenden Feuz wird er bei noch zwei ausstehend­en Rennen in Kvitfjell und Cortina d’Ampezzo kaum noch einholen. Aber daran verschwend­et Dreßen eh keinen Gedanken. „Ich habe mir in Garmisch schon gedacht: ,Alles, was jetzt noch kommt, ist Zugabe‘“, sagte er. „Das, was ich jetzt habe, kann mir keiner mehr nehmen.“

Die deutschen Weltcup-Sieger: Felix Neureuther 13 Siege, Markus Wasmeier 9, Armin Bittner 7, Christian Neureuther 6, Thomas Dreßen 5, Josef Ferstl sen. 3, Josef Ferstl jun. 2, Peter Roth, Max Rieger, Max Rauffer, Franz Vogler, Alois Vogl, Linus Straßer und Stefan Luitz je 1.

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FOTO: JOHANN GRODER/DPA „Der Thomas hat so einen Speed“: Abfahrer Dreßen im Anflug auf seinen zweiten Weltcup-Triumph binnen zwölf Tagen.

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