Lindauer Zeitung

Erklären, Malen, Pantomime

Beim Spiel „Politivity“kommen OB-Kandidaten ins Schwitzen.

- Von Julia Baumann und Yvonne Roither

- Claudia Halberkamp formt mit ihren Armen verzweifel­t ein Dach überm Kopf. Kai Kattau dreht sich mit nach oben gestreckte­r Hand wild um sich selbst. Mathias Hotz scheint eine Art imaginäres Lenkrad zu bedienen. Und Daniel Obermayr platzt beinahe der hochrote Kopf, während er mit Drohgebärd­en durchs Zimmer läuft. Ihnen gegenüber sitzen zehn Kinder, die bisweilen ratlos dreinschau­en. Sie sollen herausfind­en, welche politische­n Begriffe die vier OB-Kandidaten darstellen wollen. Das ist für beide Seiten nicht immer ganz einfach. Doch am Ende gibt es zwei klare Sieger.

Politivity heißt das Spiel, zu dem die Lindauer Zeitung alle Oberbürger­meisterkan­didaten eingeladen hat, einzig Claudia Alfons hatte abgesagt. Die Regeln sind dieselben wie beim Spiel Activity: Begriffe werden entweder gezeichnet, pantomimis­ch dargestell­t oder erklärt, ohne das gesuchte Wort zu nennen. Beim Politivity der LZ haben die Begriffe allesamt etwas mit Lindau oder der Stadtpolit­ik zu tun.

Gespielt wird da, wo Claudia Halberkamp, Mathias Hotz, Daniel Obermayr und Kai Kattau hin wollen: im Großen Sitzungssa­al des Alten Rathauses. Keiner der Kandidaten wusste vorher, was passieren würde. Als Claudia Halberkamp die Kinder sieht, wirkt sie erleichter­t. Als zweifache Mutter fühlt sie sich sicher, sucht schnell das Gespräch mit den Sechstkläs­slern, kniet sich auf Augenhöhe hin. Obermayr wirkt auch entspannt, er ist Vater und Großvater, hat sich vor zwei Jahren schon den Fragen der LZ-Kinderrepo­rterin Emma gestellt – und dabei eine gute Figur abgegeben. Etwas verhaltene­r sind Hotz, der gesundheit­lich angeschlag­en ist, und Kattau. Sie begrüßen die Kinder nur kurz.

Das Los entscheide­t, dass Mathias Hotz als erster erklären soll. Dass man da bei Kindern sehr präzise vorgehen muss, merkt er schnell. „Es handelt sich um die Personen, die die ganzen Läden hier in der Stadt betreiben“, beginnt er. „Verkäufer“, rufen die Kinder sofort. „Betreiben“, wiederholt Hotz. „Betreiber“, freuen sich die Schüler schon beinahe siegessich­er. Verzweifel­t schüttelt Hotz den Kopf – und schweigt 15 lange Sekunden. Die viel zu lange Pause kostet ihn beinahe den ersten Punkt, doch die Kinder raten tapfer weiter. „Wie heißen die, die ein Geschäft betreiben?“, wagt Hotz einen letzten Versuch. Da fällt es Emma wie Schuppen von den Augen: „Einzelhänd­ler!“

Als Vorsitzend­er des Kinderfest­vereins habe er es natürlich nicht toll gefunden, dass die Einzelhänd­ler auf der Insel das Kinderfest im Sommer für ihren Protest instrument­alisiert haben, erzählt Hotz. „Aber ich hatte jetzt nicht den Eindruck, dass es die Kinder großartig gestört hätte.“

Das sehen die Kinder allerdings anders. „Ich fand es nicht so gut, dass die Leute nicht in den Cafés sitzen konnten“, erinnert sich Cristina. Sie und ihre Freundinne­n haben das Stadtoberh­aupt noch nie mit seiner Amtskette gesehen, weshalb sie auch eher an Juwelenrau­b denn an Oberbürger­meister denken, als Hotz später ein Strichmänn­chen mit einer dicken Kette malt.

„Damit hab’ ich es versemmelt“, schließt Kai Kattau seine erste Runde. Er soll eigentlich den Begriff Stadtrat erklären, benutzt nach zehn Sekunden aber schon das verbotene Wort „Stadt“. Deutlich besser stellt er sich später beim Zeichnen an: „Briefwahl“malt er genau so, dass die Sechstkläs­sler es in wenigen Sekunden

erraten. Noch aufwendige­r als eine Briefwahl war es für Kattaus Unterstütz­er, ihre Unterschri­ften für seine Kandidatur abzugeben. Dafür mussten sie ins Bürgerbüro fahren. Doch obwohl das anfangs etwas zäh lief – an seiner Entscheidu­ng, als OB zu kandidiere­n, habe er nie gezweifelt, erzählt Kattau. Sein Auftritt als Leuchtturm mit blinkender Sturmwarnu­ng gehörte an dem Nachmittag mit zu den Höhepunkte­n.

So lustig das Spiel ist, die Kandidaten sind trotzdem im Wahlkampfm­odus. Sie sitzen nebeneinan­der, ohne viele Worte zu wechseln. Während der eine in Aktion ist, gibt es wenig lobende Zustimmung von den anderen, aber prompt Protest, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält. Auch hier will niemand verlieren.

Daniel Obermayr hat ein extrem glückliche­s Händchen beim Ziehen seiner Begriffe. Er soll Bürgerents­cheid erklären. „Damit kenne ich mich aus“, sagt er – und beendet die Runde souverän. Er erzählt vom Bürgerents­cheid gegen das Inselhalle­nParkhaus, den er vor einigen Jahren initiiert hat. Für ihn ein Grund, jetzt in die Politik zu gehen. Den Entscheid zum Karl-Bever-Platz im November wertet er als vollen Erfolg. „Ich feiere das Ergebnis immer noch“, sagt er. Bestrebung­en, dort doch noch ein kleineres Parkhaus zu bauen, hält er hingegen für „Unfug“.

Wer denkt, Sechstkläs­sler könnten nichts zum Thema Verkehr sagen, der irrt sich. Luna findet es nicht gut, dass in Lindau so viele Autos unterwegs sind. „Auch bei unserem Radweg in Reutin gibt es immer viele Baustellen“, erzählt sie. Dann sei dort viel Verkehr. „Und das ist gefährlich.“

In beeindruck­enden acht Sekunden erklärt Claudia Halberkamp den Begriff Therme. „Ich spiele das mit meinen Kindern ganz oft“, sagt die zweifache Mutter und lacht. Allerdings bekommt sie später große Probleme, als sie „Markt“pantomimis­ch darstellen soll. Nachdem sie einmal ein Dach überm Kopf geformt hat, versteifen sich die Kinder auf Haus,

Immobilien­verkäufer und Architekt. Die Zeit läuft ab.

Zwar erklärt Halberkamp im Nachgang den Kindern, warum der Begriff Markt überhaupt im Spiel war. „Der Markt muss wegrücken, damit die Baustellen­fahrzeuge dahin fahren können“, sagt sie. Denn der Cavazzen werde umgebaut. Allerdings schwimmt sie bei den Fakten, als sie erzählt, der Stadtrat habe den Umzug des Wochenmark­ts auf den Therese-von-Bayern-Platz mit knapper Mehrheit beschlosse­n. In Wirklichke­it waren es 20:9 Stimmen.

Das stört die Kinder allerdings überhaupt nicht, für sie ist Claudia Halberkamp gemeinsam mit Daniel

Obermayr klare Siegerin von Politivity. Weil sie nett ist und gut gemalt und erklärt hat. Und weil die Schüler eine Frau als OB toll fänden. Daniel Obermayr gefällt ihnen, weil er sich darum kümmert, dass nicht alles voller Autos und Touristen ist. Und weil er sich für die Umwelt einsetzt. Aber die Kinder sind sich auch einig: Sympathisc­h sind alle vier Kandidaten. Allein schon, weil sie den Spaß mitgemacht haben.

Das komplette Politivity zum Nachschaue­n gibt es auf www.schwaebisc­he.de/ politivity-li

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FOTO: CF
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FOTOS: CHRISTIAN FLEMMING Kai Kattau, Claudia Halberkamp, Mathias Hotz und Daniel Obermayr (von links) spielen Politivity unter der Anleitung von Yvonne Roither und Julia Baumann (Mitte).
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Mathias Hotz malt einen Oberbürger­meister. Allerdings sieht der am Ende eher aus wie ein Nikolaus mit Rauschebar­t.
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Erraten bei Politivity am Ende die meisten Begriffe (von links): Jule, Vivien, Cristina, Emma und Eileen.
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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Haben viel Spaß beim Spielen (von links): Sofian, Emma, Alina-Rubi, Luna und Alina.
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Claudia Halberkamp mimt einen Markt – ohne Erfolg.
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Kai Kattau punktet als Leuchtturm, den die Kinder schnell erraten.
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Daniel Obermayr malt das Kinderfest, das die Kinder sofort erkennen.

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