Altmaier plant Bonpflicht erst von zehn Euro an
Wie sich Zettelberge an der Ladenkasse vermeiden lassen: Startups präsentieren digitale Kassenbons
(dpa) - Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat einen neuen Anlauf zur Lockerung bei der seit Jahresbeginn geltenden Kassenbonpflicht gestartet. In einem Brief an die Finanzminister der Länder schlägt Altmaier nach Informationen der „Bild“vor, dass „sämtliche Geschäfte des täglichen Lebens, die einen Wert von zehn Euro nicht übersteigen“, wieder von der Bonpflicht ausgenommen werden sollen. Mit dem aktuellen Regelwerk sei die „Verhältnismäßigkeit der gesetzlich vorgegebenen Mittel und ihres Vollzugs derzeit nicht gewährt“, zitiert die Zeitung aus dem Brief.
- Sie heißen Greenbill, Killbill oder Anybill und sie sind angetreten, einem der großen Aufreger im Einzelhandel den Schrecken zu nehmen: der seit Jahresanfang geltenden Belegausgabepflicht – im Volksmund Bonpflicht genannt. Seitdem müssen Händler und Restaurantbesitzer jedem Kunden einen Kassenzettel aushändigen – egal ob es sich um den 200-Euro-Einkauf im Supermarkt oder das 50-Cent-Brötchen beim Bäcker handelt.
Handel und Handwerk wettern seit Wochen lautstark gegen die Bonpflicht. Sie werde zu mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Länge an Bons im Jahr führen, sei Umweltfrevel und bedeute einen erheblichen bürokratischen Aufwand und Kosten, heißt es vom Handelsverband und den regionalen Handwerkskammern.
Gemach, gemach, kontert der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Thomas Eigenthaler, und kritisiert die „Wahnsinns-Show“der Lobbyverbände, die ihre Mitglieder zum Widerstand gegen ein gültiges Gesetz ermunterten und sich nebenbei auch noch zum Umweltkümmerer erheben würden. Die Belegausgabepflicht habe ihren Sinn. Sie diene der Steuergerechtigkeit und zeige dem Kunden, dass seine Barzahlung final und manipulationssicher vom Ladeninhaber verbucht wurde.
Grundlage ist das im Jahr 2016 beschlossene Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen – kurz Kassengesetz –, das 2017 mit der Kassensicherungsverordnung noch einmal präzisiert wurde. Mit beiden Gesetzen will der Fiskus dem milliardenschweren Steuerbetrug bei Bargeldumsätzen und den Missbrauch von Registrierkassen abstellen. Schätzungen zufolge entgehen dem Staat jährlich zehn Milliarden Euro an Steuern. Tendenz steigend.
Was die Kritiker der Bonpflicht gern verschweigen: Die Ausgabe der Kassenzettel schreibt das Gesetz gar nicht vor. Von Papier und von Ausdruck ist keine Rede. Der Beleg kann auch in anderer Form, zum Beispiel digital ausgegeben werden. Doch bislang haben die Kassenhersteller die Entwicklung digitaler Lösungen verschlafen.
Dieses Feld versuchen Startups mit Lösungen wie Greenbill oder Killbill zu besetzen. Hinter Greenbill steht Ludwig Heer, der Küchenchef der „Alten Post“in Kuchen (Landkreis Göppingen). Mit dem von ihm ausgedachten System glaubt Heer, eine Lösung für die von vielen Einzelhändlern beklagte Bonpflicht zu haben. Statt sich in die Software der Kassen einzuklinken, setzt Greenbill auf die einheitlichen Druckerschnittstellen, um sein System anzubinden. Eine Softwareanpassung ist damit unnötig.
Konkret sieht das so aus: Der Händler stellt sich eine Box an den Tresen, die wie ein gewöhnlicher Bon-Drucker angebunden wird.
Nach dem Bezahlvorgang bekommt der Restaurant-Besucher, der Brötchen-Käufer oder andere Kunden von Einzelhändlern den Beleg auf einem Tablet angezeigt. Jetzt stehen mehrere Möglichkeiten zur Auswahl. Erstens, die vermeintlich einfachste Lösung: Der Kunde will den Beleg gar nicht. In dem Fall kann er auf einen Ausdruck verzichten und die Kopie des Belegs ins digitale Nichts zu schicken. Für die meisten Kleingeschäfte wäre das eine WinWin-Situation. So können die wenigsten Kunden mit einem Kassenzettel vom Bäcker etwas anfangen, gleichzeitig kann der Händler mit jedem Druck auf den Ablehn-Button Papier und Zeit sparen.
Zweitens: Der Kunde schickt sich die Quittung vom Tablet direkt per E-Mail oder er holt sich über einen QR-Code die Rechnung aufs Smartphone und speichert sie dort ab. „Das ist vor allem für Geschäftsleute attraktiv, die ihre Spesen direkt an die Arbeit schicken“, sagt Heer. Die dritte Möglichkeit bleibt aber auch weiterhin, sich den Beleg ausdrucken zu lassen.
Heer präsentierte sein System in der vergangenen Woche auf der Leitmesse für Hotellerie und Gastronomie, der Intergastra in Stuttgart – und erntete damit „enormen Zuspruch“, wie er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“sagt. „Wir haben Partnerschaften mit etlichen Kassenherstellern und -händlern abgeschlossen und können Greenbill ab sofort liefern.“
Getestet hat Heer Greenbill unter anderem in seinem Restaurant in Kuchen sowie im Hotel und Restaurant Lago in Ulm. Aufgesprungen ist nach der Intergastra auch der Einzelhandelsriese Edaka. Die Filiale in Bonlanden, einem Ortsteil von Filderstadt, wird Greenbill demnächst als Piloten testen. Kosten soll das System zuzüglich einer einmaligen Installationsgebühr „ab 49 Euro monatlich“, sagt Heer.
Noch etwas schlanker als Greenbill kommt Killbill daher – entwickelt vom Friedrichshafener Startup Pieye.
Vor dem Druck wird der Bon auf einem Display angezeigt. Der Kunde kann dann entscheiden, ob er den Bon ausdrucken möchte oder nicht. Entscheidet er sich dagegen, wird der Bon noch vor dem Druck vernichtet. Verbunden mit der Kasse ist Killbill über die Druckerschnittstelle. „Es ist nur ein minimaler Eingriff ins bestehende System, der finanzielle Aufwand ist sehr gering, und die Kunden müssen keinerlei persönliche Daten preisgeben“, erklärt Harald Ilg-Wassner, einer der Geschäftsführer von Pieye, die Vorteile.
Im Testbetrieb ist Killbill an der Kasse der Boulderhalle Blöckle in Ravensburg. „An guten Tagen haben wir hier bis zu 1000 Geschäftsvorfälle, für die seit Januar jeweils ein Bon fällig ist. Diese Zettelwirtschaft können wir mit Killbill deutlich reduzieren“, sagt Boulderhallen-Chef Tobias Menzel. Als Preis für Killbill ruft Pieye einmalig 500 Euro auf.
Dass Bons auch elektronisch übermittelt werden können, sehen die Gesetze ausdrücklich vor. Was immer der Kunde empfangen kann, ist erlaubt – es müssen nur alle relevanten Angaben samt kryptografischer Signatur lesbar übermittelt werden. „Und der Händler muss mit den digitalen Lösungen seine Geschäftsvorfälle für das Finanzamt nachvollziehbar speichern können, sonst verstößt er gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung“, ergänzt Christine VargaZschau, Compliance- und Geldwäschespezialistin beim Beratungsunternehmen Rödl & Partner. Eine Mitnahmepflicht für den Kunden – egal ob in Papierform oder digital – bestehe nicht.
Varga-Zschau räumt noch mit einem anderen Gerücht auf: Dem, dass es Übergangsfristen gebe, und die Belegausgabepflicht bis zum 30. September vom Finanzamt nicht überprüft werde. „Eine Übergangsfrist wurde vom Fiskus nur für die Umrüstung der Kassen mit einer sogenannten Technischen Sicherheitseinrichtung gewährt, weil viele Kassenhersteller nicht rechtzeitig lieferfähig waren.“Kontrollen des Fiskus in Sachen Bonpflicht seien jederzeit möglich, warnt Varga-Zschau.
Allerdings können die Finanzämter Ausnahmen von der Belegausgabepflicht gestatten, wenn eine generelle Bonausgabe im Einzelfall nicht zumutbar ist. Rechtsgrundlage dafür ist Paragraf 148 der Abgabenordnung. Doch bislang ist deutschlandweit nur ein einziger positiv beschiedener Fall bekannt: der der Dresdner Backhaus GmbH. Die Kette wurde vom zuständigen Finanzamt Dresden-Süd von der Bonpflicht befreit. Warum, das können sich weder Geschäftsführerin Elisa KreutzkammAumüller, noch die sächsische Bäckerinnung so richtig erklären.
Auf Nachfrage des MDR Sachsen erklärte eine Sprecherin des Finanzamts, eine Befreiung sei grundsätzlich nur möglich, „wenn für den einzelnen Steuerpflichtigen eine besondere unzumutbare Härte besteht“. Mehrkosten, die durch die Bonpflicht entstehen – etwa zusätzliche Kassenrollen oder die Entsorgung – seien jedenfalls kein Grund für eine Ausnahmeregelung.
Eine Sprecherin des baden-württembergischen Finanzministeriums nannte die Entscheidung in Sachsen „erstaunlich“, zumal eine Begründung dafür nicht mitgeliefert wurde. Im Südwesten jedenfalls sei stand heute keine einzige Befreiung erteilt worden.