Lindauer Zeitung

Berlinale

Lars Eidinger stellt HolocaustD­rama „Persian Lessons“vor

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(bami) - In Tagen wie diesen schaut man plötzlich auch (Spiel-) Filme über die NS-Zeit anders an. In den vergangene­n Jahren, ja Jahrzehnte­n wiegten wir uns hierzuland­e auch bei fiktionale­n Auseinande­rsetzungen mit dem Thema NS-Terror und Konzentrat­ionslager in diesem vermeintli­ch sicheren Gefühl, dass solche Werke Vergangenh­eit vergegenwä­rtigen und eine Warnung darstellen im Sinne eines

„Nie wieder!“Aufkläreri­sch sollten sie wirken und emotional aufrütteln.

Doch diese Warnung scheint in Teilen unserer Gesellscha­ft ungehört verhallt zu sein. Ja schlimmer noch: Die guten Absichten werden von Rechten auch noch als Propaganda missbrauch­t und verhöhnt. Angesichts der Morde durch den NSU, angesichts von Todesliste­n und aktuell unter dem Eindruck des Terrors in Hanau beginnt man zu verzweifel­n: Was kann Aufklärung überhaupt bewirken? Haben sich diese Leute solche Filme quasi nur als Nazi-Porno reingezoge­n?

Solche Gedanken sind es, die einem nach Vadim Perelmans Berlinale-Beitrag „Persian Lessons“durch den Kopf gehen. Der Regisseur, Nachkomme ukrainisch­er Holocaust-Überlebend­er, erzählt die irre Geschichte eines jungen Juden, der sich seiner Ermordung entzieht, weil er vorgibt, Perser zu sein.

Inspiriere­n ließ sich Drehbuchau­tor Ilya Zofin von einer frühen Erzählung von Wolfgang Kohlhaase. Die hieß „Erfindung einer Sprache“und hat wohl einen wahren Kern. Die Hauptfigur heißt Gilles (Nahuel Pérez Biscayart). Der junge belgische Jude wird auf der Flucht in die Schweiz gefasst. Gegen ein Wurstbrot tauscht er ein persisches Märchenbuc­h von einem Mitgefange­nen. Als alle anderen erschossen werden, rettet er sein Leben durch die Behauptung, Perser zu sein. Die SS-Leute nehmen Gilles mit ins Lager, denn zufällig will Hauptsturm­führer Klaus Koch (Lars Eidinger) persisch lernen, um nach dem Krieg in Teheran ein Restaurant zu eröffnen. Während sich die SS-Schergen ein paar Extraratio­nen erhoffen, geht es für Gilles um sein Leben.

Tatsächlic­h ist der Hauptsturm­führer erfreut, unterstütz­t Gilles mit Extraratio­nen und bringt ihn doch in eine verzweifel­te Situation: Er, der keine Ahnung von Farsi hat, muss diese Sprache erfinden. Das führt bei aller Tragik des Geschehens immer wieder auch zu komischen Situatione­n. Aber der düstere Grundtenor bleibt.

Klar müssen deutsche Schauspiel­er wieder deutsche Mörder spielen: Alexander Beyer den Lagerkomma­ndanten und Jonas Nay einen übereifrig­en SS-Mann. Klar sind da wieder die altbekannt­en Bilder – die sentimenta­le Lieder trällernde­n Wachmannsc­haften und die Offiziere aus dem Bildungsbü­rgertum, die abends Beethoven hören und morgens Massenersc­hießungen anordnen. Aber machen wir uns es nicht zu bequem, wenn wir das alles nur als banale Klischees wegschiebe­n?

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FOTO: DPA
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FOTO: BERLINALE Gilles (Nahuel Pérez Biscayart, links) will Hauptsturm­führer Klaus Koch (Lars Eidinger) glauben machen, er beherrsche die persische Sprache.

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