Lindauer Zeitung

Tausende trauern um die Opfer von Hanau

Sportschüt­zen lehnen Verschärfu­ng des Waffenrech­ts ab – Mehrheit der Deutschen macht AfD für Gewalt mitverantw­ortlich

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(dpa) - Tausende Menschen haben am Sonntag in Hanau der Opfer des mutmaßlich rassistisc­hen Anschlags in der Stadt gedacht und ein Zeichen gesetzt für Toleranz und Menschlich­keit. „Wichtig ist für uns, Flagge zu zeigen. Gegen Terror, Fremdenfei­ndlichkeit und antimuslim­ischen Rassismus“, sagte Mitorganis­ator Teyfik Oezcan. „Unsere Botschaft lautet: Wir sind Deutschlan­d. Wir gehören zusammen.“

Nach Schätzunge­n der Polizei liefen bis zu 10 000 Menschen vom Tatort Kurt-Schumacher-Platz in die Innenstadt. Dort gab es eine Kundgebung, an der Angehörige der Opfer, der türkische Botschafte­r Ali Kemal Aydin, Oberbürger­meister Claus Kaminsky (SPD) sowie Religionsv­ertreter teilnahmen. Es sei dringend nötig, ein Gegengift zu finden für den Hass, sagte Botschafte­r Aydin. Die türkische Gemeinde erlebe von Jahr zu Jahr mehr Angriffe auf Menschen, auf Moscheen oder auf Vereine. „Das kann und darf so nicht weitergehe­n.“Lippenbeke­nntnisse reichten nicht aus.

In der Nacht zum Donnerstag hatte nach Ermittlung­en der Polizei ein 43 Jahre alter Deutscher in Hanau neun Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln erschossen. Der Sportschüt­ze soll auch seine 72 Jahre alte Mutter und sich selbst getötet haben. Nach bisherigen Erkenntnis­sen hatte der mutmaßlich­e Täter eine rassistisc­he Gesinnung und war psychisch krank.

„Die Tage und Stunden sind zu Friedensze­iten die schwärzest­en und dunkelsten, die unsere Stadt je erlebt hat“, sagte Oberbürger­meister Kaminsky. Denjenigen, die die Gesellscha­ft spalten wollten, rief er zu: „Wir sind mehr, und wir können euch daran hindern.“Der Bruder eines Todesopfer­s sagte, „wir sind im Stich gelassen worden“. Solange es die AfD weiter gebe, „müssen wir in Angst leben“. Die Veranstalt­ung, die laut Polizei friedlich verlief, war von Hanauer Vereinen organisier­t worden.

Unterdesse­n lehnt der Deutsche Schützenbu­nd (DSB) eine Verschärfu­ng des Waffenrech­ts ab. „Als Sportschüt­zen macht es uns besonders betroffen, dass der mutmaßlich­e Täter ein Mitglied unserer Vereine war“, sagte Robert Garmeister, DSB-Leiter für Recht und Verbandsen­twicklung in Wiesbaden. Doch gegen menschlich­es Fehlverhal­ten und kriminelle Energie hälfen die besten Gesetze nicht. Zudem bedeuteten weitere gesetzlich­e Restriktio­nen zusätzlich­e bürokratis­che und finanziell­e Hürden. Diese gefährdete­n die Zukunft des Schießspor­ts und des Schützenwe­sens

als Kulturgut. Zuvor hatte etwa der frühere Grünen-Chef Jürgen Trittin vorgeschla­gen, dass Sportschüt­zen ihre Waffen nicht mehr mit nach Hause nehmen dürfen, sondern im Verein einschließ­en müssen. Seine Fraktion im Bundestag regt in einem Aktionspla­n an, dass Munition nur noch gelagert werden darf, wo auch geschossen werden darf.

Die Mehrheit der Deutschen sieht einer Umfrage zufolge eine Mitverantw­ortung der AfD an rechtsextr­emer Gewalt. 60 Prozent der Befragten sind dieser Meinung, wie das Institut Kantar für „Bild am Sonntag“herausfand. Nur 26 Prozent glauben nicht, dass die Partei mitverantw­ortlich ist für Gewalttate­n wie in Hanau, 14 Prozent sind unentschlo­ssen. Der Umfrage zufolge glauben 49 Prozent der Befragten außerdem, dass vom Rechtsextr­emismus die größte Terrorgefa­hr in Deutschlan­d ausgeht.

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FOTO: NICOLAS ARMER/DPA Tausende Menschen nahmen an einem Trauermars­ch teil.

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