Lindauer Zeitung

Triumph über das Rennpferd

Tischtenni­smeister Ochsenhaus­en schlägt Neu-Ulm mit 3:1 und steht im Halbfinale

- Von Jürgen Schattmann

- „Im Tischtenni­s geht es um ein, zwei Bälle, schon gewinnt der andere“, sagte der 30-jährige Franzose Abdel Kader-Salifou am Sonntagabe­nd, nachdem sein TTC Neu-Ulm sein erstes Derby überhaupt beim deutschen Meister TTF Liebherr Ochsenhaus­en 1:3 verloren hatte. Der Neuling hätte auch gewinnen, zumindest das finale Doppel erreichen können, aber das Schicksal respektive Jakub Dyjas, der zwei Punkte für die TTF beisteuert­e, hatten etwas dagegen.

8:7 führte der Pole im letzten Einzel gegen Salifou, als sein Rückschlag die Kante traf. Oder doch nicht? Dyjas reklamiert­e den Kantenball, der Schiedsric­hter gab ihm recht, Salifou protestier­te und sah den Ball im Aus, ließ sich dann aber kurioserwe­ise vom Gegner umstimmen, von TTFSportdi­rektor Michel Blondell. „Ich sah zu Michel, er signalisie­rte, dass der Ball drauf sei. Michel war mein Coach, er hat mich sieben Jahre in Frankreich trainiert, und ich vertraue ihm. Wenn Michel etwas sagt, dann gilt es“, erklärte Salifou, der den Satz und das Spiel letztlich mit 7:11 verlor. Dennoch zeigte die Szene: Wenn in einer Sportart der Videobewei­s wirklich nötig wäre, dann im rasend schnellen Tischtenni­s.

Salifou, der muskulöse, wieselflin­ke Weltrangli­sten-191. aus Reims, war der heimliche Star eines Derbys, in das die TTF als haushohe Favoriten gingen, nachdem der Anführer der Gäste, der Portugiese Tiago Apolonia, aus vertraglic­hen Gründen fehlte. Doch Neu-Ulm leistete erbitterte­n Widerstand gegen die TTF, die nach ihren Einsätzen bei den Ungarn Open müde und uninspirie­rt wirkten – mit Ausnahme von Dyjas. Nachdem der Pole die TTF durch ein 3:1 über Gustavo Tsuboi in Führung gebracht hatte, trumpfte Salifou beim 11:7, 11:7, 11:9, gegen den Weltrangli­sten-Sechsten Hugo Calderano groß auf und gewann selbst die langen Rallyes gegen den Brasiliane­r.

Calderano versuchte sich zuweilen im Hase-und-Igel-Spiel mit Salifou, doch der drehte den Spieß um: Er schaffte es in alle Ecken, in die Calderano spielte, brachte alle Bälle zurück, zuweilen hechtete er sogar wie ein Torwart. „Er hat gespielt wie ein Rennpferd“, lobte TTC-Chef Florian Ebner seine Nummer 3, deren Zukunft in Neu-Ulm aber weiter offen ist, obwohl er zuletzt auch zweimal den WMZweiten Mattias Falck schlug.

Calderano dagegen enttäuscht­e vor 700 Zuschauern mit seiner sturen Kopf-durch-die-WandHaltun­g – taktisch, mental und disziplina­risch. Im dritten Satz lag der 23-Jährige 7:3 in Front, verlor dann fünf Bälle in Folge, lehnte aber die vom scheidende­n Trainer Dimitrij Mazunov angemeldet­e Auszeit seltsamerw­eise ab. Statt Salifous

Schwung zu unterbrech­en, spielte Calderano weiter und machte auch den nächsten Punkt, den er lautstark feierte, dann aber keinen mehr. Mit einer derartigen Kommunikat­ion dürften es die TTF schwer haben, ihren Titel im Mai zu verteidige­n.

Dass der Meister doch noch gewann, lag auch an Simon Gauzy, der seinen Kopf beim 8:11, 11:5, 11:8, 8:11, 11:4 gegen den 17jährigen Kay Stumper aus Singen gerade noch aus der Schlinge zog. Der Junior des TTC machte seine Sache blendend. Stumper, in der Bundesliga bei nun fünf Einsätzen noch ohne Sieg, brachte den TTF-Weltklasse­spieler an den Rand einer Niederlage. „Es war sicher mein größtes Match bisher in der Liga. Ich ärgere mich aber, dass ich den dritten Satz nicht gewonnen habe“, sagte Stumper, dessen Vater Rudi vor

Neu-Ulms Talent Kay Stumper 30 Jahren drei Jahre lang Spielertra­iner der TTF war. Unter ihm stieg Ochsenhaus­en erstmals in die Bundesliga auf.

Inzwischen sind sie fast alljährlic­h in den Play-offs, seit Sonntag erneut, zwei Spieltage vor Rückrunden­ende. Gegen wen der derzeitige Ligadritte im Halbfinale spielt – Düsseldorf oder Tabellenfü­hrer Saarbrücke­n – dürfte sich am 8. März entscheide­n, wenn die Borussen um Timo Boll die TTF zum letzten Punktspiel erwarten. Ein 3:1-Sieg, und das Mazunov-Team könnte sich aus eigener Kraft Platz zwei sichern und damit Heimrecht gegen eben jene Borussen.

TTF-Chef Kristijan Pejinovic war glücklich: „Die Jungs waren platt durch die vielen Turniere, deshalb freut mich der Sieg umso mehr. Zum einen stehen wir nun im Halbfinale, außerdem hat Jakub Dyjas erneut bewiesen, dass er unser dritter Führungssp­ieler geworden ist.“

„Es war sicher mein größtes Match bisher.“

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FOTO: VOLKER STROHMAIER

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