Hier keck und jeck – da Mut machend, Wut machend
DGJarstein Jhon Córdoba
as Kostüm wird
diesen Karneval nicht mehr tragen können: Zur traditionellen Club-Sitzung seines 1. FC Köln unter der Woche war der kolumbianische Stürmer im Mönchshabit erschienen. Launiger Hinweis auf seine – gefühlt ewige – Enthaltsamkeit auf gegnerischem Platz? Das letzte Auswärtstor Marke Jhon Andrés Córdoba Copete notierte die Bundesliga am 18. September 2016 – das 1:0 beim 3:1 seines damaligen Arbeitgebers FSV Mainz 05 in Augsburg. Danach folgten 30 Partien ohne, folgten 2123 trefferfreie Auswärtsminuten für den 26-Jährigen.
Jetzt aber das Ende aller Askese: Den Kölner 5:0-Coup bei Hertha BSC leitete Jhon Córdoba per Doppelschlag ein, nach Lehrbuchbeispielen jeweils für rasantestes Umschaltspiel. Beim 0:3 bat der Mönch auf Genussreise den Berliner Schlussmann
keck zum Tänzchen, ehe Teamkollege seinen Querpass verarbeitete. Jeck verarbeitete: Der Österreicher schoss, Torwart Jarstein lenkte den Ball gegen den Pfosten, vom Pfosten prallte der Ball zurück gegen Jarstein – und von Jarstein schließlich hinter die Linie. Konfettikanone! Herr Kapellmeister,
Florian Kainz Rune
Tusch! Und, Herr Kainz: feiern, feiern! Ging doch auch das 0:4 auf Ihr Konto, hatten Sie – als bislang nur bester Kölner Vorbereiter – doch gleich zweifach Torpremiere im FC-Trikot.
Rosenmontagszugstimmungstechnisch kam all das recht gelegen für die Rheinländer, Berlins Big-City-Club in spe indes wähnte sich jenseits von Aschermittwoch am Samstagnachmittag: Kein Torschuss in den Minuten eins bis 45, gedanklich und läuferisch viel zu behäbig (speziell in der Rückwärtsbewegung) – „all die elementaren Dinge“, die ein Fußballspiel gemeinhin ausmachen, vermisste Interimstrainer bei den Seinen. Mannschaftskapitän
versuchte sich an einer Erklärung, so unbeholfen wie zuvor an defensiver Qualitätsarbeit: „Wir hatten viel vor, wollten die drei Punkte unbedingt, auch wenn man das von
GStark Alexander Nouri Niklas
außen nicht erkannt hat.“Hat man beim besten Willen nicht: Die Herthaner auf den Rängen, hartgesotten in nachklinsmann’schen Zeiten, intonierten „Oh, wie ist das schön“...
(Selbst)Ironie wird man dem zahlenden Zuschauer nicht verwehren können (auch nicht müssen), mündiges Denken zum Glück auch nicht. So begleiteten die Schweigeminute für die Opfer von Hanau in vielen Stadien „Nazis raus“-Rufe, in Freiburg war zudem ein großes Spruchband mit der Aufschrift „Rassismus tötet! Alle(s) gegen Rassismus!“zu sehen. Der Fußball steht zusammen, der Fußball steht auf. Stark! Mut machend!
GSchwach, Wut machend, was einige Wirrköpfe in Mönchengladbach taten: Beim 1:1 gegen 1899 Hoffenheim hielten sie – vermummt – kurz nach Wiederanpfiff ein Banner hoch, das
Gden Kopf von Hoffenheim-Mäzen
in einem Fadenkreuz zeigte. Eine Entgleisung, die
den Torhüter der Badener, zum Gebrauch der Vokabel „Morddrohung“nötigte. Schiedsrichter
handelte sofort, unterbrach: „Ich habe gesagt, dass ich erst weiterspielen lasse, wenn das Plakat nicht mehr zu sehen ist.“Borussen-Sportdirektor und Kapitän
redeten vor der Nordkurve auf die Maskierten ein, das Gros der Zuschauer quittierte deren Aktion mit Pfiffen und „Ultras raus“-Gesängen. Konzertierte Vernunft Vieler gegen die Dumpfbackigkeit Weniger – im Jahr 2020 ist auch das Fußball.
Dietmar Hopp Baumann, Brych Stindl
GGMax Eberl Rudy Oliver Felix Lars
Der DFB-Kontrollausschuss wird ein Ermittlungsverfahren einleiten, Borussia Mönchengladbach muss mit Sanktionen rechnen. Dass auch die bestraft werden (können), die hetzten, ist ungewiss: Wie sie ermitteln? Die Frage treibt Max Eberl um. Mehr noch allerdings eine andere: „Was soll ich mit diesen Menschen machen?“Ein Fadenkreuz ... gut eine Stunde nach einer Schweigeminute für zehn bei einem Anschlag Erschossene – die Frage ist berechtigt. Antworten hat auch 1899-Trainer keine. Sehr wohl aber hatte er einen festen Vorsatz: „Ich habe zu
gesagt, wenn das Plakat nicht weggeht, gehen wir alle heim, da sollen sie die drei Punkte haben.“
Alfred Schreuder Sebastian
Zwischen Köln und Mönchengladbach liegen 45 Kilometer Luftlinie. Diesen Rosenmontag sind es Welten.