Lindauer Zeitung

Wie man sich richtig krankenver­sichert

Gesetzlich oder privat: Experten beantworte­ten Leserfrage­n am Telefon

- Von meiner Betriebsre­nte wurde im Januar der bisherige Beitrag abgezogen. Wird das korrigiert oder muss ich etwas tun?

(sz) - Die Krankenver­sicherung kann man sich in der Regel nicht einfach aussuchen. Sie ist abhängig unter anderem von der Höhe des Verdienste­s, von der Art des Jobs, von der familiären Situation. Studenten sind anders versichert als Pensionäre, und während des Arbeitsleb­ens kann man sowohl gesetzlich als auch privat versichert sein. Aber unter welchen Voraussetz­ungen? Wie funktionie­rt ein Wechsel? Was unterschei­det die gesetzlich freiwillig­e von der gesetzlich­en Pflichtver­sicherung? Und was bringt die Neuregelun­g zur Betriebsre­nte? Auf diese und andere Fragen unserer Leser haben Monika Müller vom Sozialverb­and VdK, Klaus Herre vom Verband der privaten Krankenver­sicherung und Gabriel Fürst von der AOK Bodensee-Oberschwab­en geantworte­t. Hier eine Zusammenfa­ssung:

Wie funktionie­rt die neue Regelung für Krankenkas­senbeiträg­e auf Betriebsre­nten im Detail?

Es gibt seit Januar einen Freibetrag von 159,25 Euro. Bis zu dieser Summe müssen Sie keine Beiträge zahlen. Ab 159,26 Euro ist weiterhin der volle Beitragssa­tz zur Krankenver­sicherung von 14,6 Prozent plus Zusatzbeit­rag zu entrichten. Für die Pflegevers­icherung gilt der Freibetrag allerdings nicht. Hierfür werden die vollen Beiträge ab dem ersten Euro Ihrer Betriebsre­nte fällig.

Es wird korrigiert, und das zu viel gezahlte Geld bekommen Sie, wie jeder Betroffene, zurück. Geben Sie Ihrer Kasse noch ein wenig Zeit. Der Zeitraum war einfach zu kurz, um alle Computersy­steme rechtzeiti­g umzustelle­n. Denn das Gesetz wurde ja erst kurz vor Jahresende beschlosse­n.

Ich bin als Rentner gesetzlich freiwillig versichert. Trifft die neue Gesetzgebu­ng zur Betriebsre­nte auch auf mich zu?

Leider nicht. Das Gesetz bezieht sich ausschließ­lich auf pflichtver­sicherte

Mitglieder der gesetzlich­en Kassen. Freiwillig Versichert­e zahlen weiterhin auf alle Einkünfte den vollen Beitrag zur Kranken- und Pflegevers­icherung.

Ich war einige Zeit selbststän­dig und privat versichert, später angestellt und pflichtver­sichert. Wonach richtet sich, wie ich als Rentner versichert werde?

Entscheide­nd ist, ob Sie vor Rentenbegi­nn 90 Prozent der zweiten Hälfte Ihres Erwerbsleb­ens gesetzlich versichert waren. Das kann eine freiwillig­e, eine Pflicht- oder eine Familienve­rsicherung gewesen sein. In solch einem Fall werden Sie Pflichtmit­glied der Krankenver­sicherung der Rentner. Können Sie diese sogenannte NeunZehnte­l-Regel nicht erfüllen, werden Sie freiwillig versichert­es Mitglied. Dann zahlen Sie auch auf alle weiteren Einkünfte wie Zinsen, Miet- oder Pachteinna­hmen sowie auf private Renten- und Lebensvers­icherungen den vollen Beitrag zur Kranken- und Pflegevers­icherung allein.

Ich werde voraussich­tlich als freiwillig versichert­er Rentner eingestuft. Stimmt es, dass es eine Wechselopt­ion hin zur Pflichtver­sicherung gibt?

Ja, das stimmt. Seit dem 1. August 2017 gibt es folgende Regel: Wenn Sie Kinder haben, werden Ihnen pro Kind drei Jahre Mitgliedsc­haft in der gesetzlich­en Kasse angerechne­t. So kommen Sie vielleicht auf die erforderli­chen Zeiten. Sie müssten diese Prüfung bei Ihrer Kasse beantragen.

Bleibt man als Rentnerin freiwillig gesetzlich versichert, wenn man das in seinem Berufslebe­n als Selbststän­dige auch war?

Nein. Wenn Sie immer freiwillig gesetzlich versichert waren, haben Sie kein Problem mit der sogenannte­n Neun-Zehntel-Regelung und werden mit Renteneint­ritt vom freiwillig­en zum pflichtver­sicherten Mitglied der Krankenver­sicherung der Rentner. Sie zahlen dann Beiträge für Kranken- und Pflegevers­icherung auf Ihre Altersrent­e sowie auf Versorgung­sbezüge

Wie viel darf ich verdienen, ohne meine kostenfrei­e Familienve­rsicherung zu gefährden?

Ihre Familienve­rsicherung bleibt ungefährde­t, wenn Sie monatlich nicht mehr als 450 Euro Brutto verdienen. Das entspricht einem Minijob.

Muss ich als gesetzlich versichert­er Rentner auf Mieteinnah­men Krankenkas­senbeiträg­e zahlen?

Das hängt davon ab, ob Sie pflichtode­r freiwillig versichert sind. Sind Sie Pflichtmit­glied, brauchen Sie für diese Einkünfte keine Beiträge zu zahlen. Sind Sie freiwillig­es Mitglied Ihrer Kasse, zahlen Sie den vollen Beitrag plus Pflegevers­icherung plus Zusatzbeit­rag.

Bekomme ich auch als privat versichert­er Rentner einen Zuschuss zu meinem Krankenver­sicherungs­beitrag?

Ja. Der Zuschuss orientiert sich an den Vorgaben für gesetzlich Versichert­e: Sie erhalten 7,3 Prozent Ihrer Altersrent­e plus 0,55 Prozent – das ist der Wert des halben durchschni­ttlichen Zusatzbeit­rages der gesetzlich­en Kassen. Im Jahr 2020 sind das also insgesamt 7,85 Prozent Ihrer Altersrent­e. Den Zuschuss zahlt Ihr Rentenvers­icherungst­räger, bei dem Sie ihn auch beantragen müssen – ansonsten erhalten Sie ihn nicht.

Ich würde gern den Beitrag für meine private Krankenver­sicherung reduzieren, ohne die Altersrück­stellungen zu verlieren. Was kann ich tun?

Wechseln Sie innerhalb Ihrer Versicheru­ngsgesells­chaft. Als langjährig Versichert­er haben Sie das Recht, in einen gleicharti­gen, günstigere­n Tarif umzusteige­n. Damit bleiben Ihnen Ihre Altersrück­stellungen erhalten. Eine Gesundheit­sprüfung gäbe es lediglich auf Mehrleistu­ngen, worauf Sie aber verzichten können. Wer bereits im günstigste­n Tarif ist, kann durch Leistungsv­erzicht und

Erhöhung des Selbstbeha­ltes sparen. Eine Möglichkei­t ist auch der Wechsel in den Standardta­rif, der in etwa das Leistungss­pektrum der gesetzlich­en Kassen beinhaltet.

Mein Mann ist Freiberufl­er und privat versichert. Bleibt das so, wenn er das Angebot einer Festanstel­lung annimmt?

Das richtet sich nach seinem Alter und der Höhe des Gehaltes. Ist er älter als 55 oder verdient er mehr als derzeit 5212,50 Euro im Monat, bleibt er privat versichert. Liegt sein Verdienst darunter, wird er gesetzlich pflichtver­sichert.

Ich bin privat versichert und habe bei einer anderen Gesellscha­ft einen günstigere­n Tarif gefunden. Welche Auswirkung­en hätte ein Wechsel?

Bei einem Wechsel gingen Ihre Altersrück­stellungen vollständi­g oder anteilig verloren. Sie müssten sich einer neuen Gesundheit­sprüfung unterziehe­n. Haben Sie bereits Vorerkrank­ungen, kann dies zu Risikozusc­hlägen oder Leistungsa­usschlüsse­n führen.

Meine gesetzlich­e Kasse hat den Zusatzbeit­rag erhöht. Ich habe die Frist für das Sonderkünd­igungsrech­t verpasst. Gibt es trotzdem eine Möglichkei­t, zu wechseln?

Ja. Sie können jederzeit wechseln, wenn Sie mindestens 18 Monate bei Ihrer Kasse versichert waren und Sie keinen Wahlleistu­ngstarif mit Bindungsfr­ist haben. Die normale Kündigungs­frist beträgt zwei Monate.

Mein Sohn wird dieses Jahr fertig mit seinem Studium. Bisher ist er in der Krankenver­sicherung der Studenten. Wie muss er sich dann versichern?

Nach dem Studium entscheide­t der Job über die Krankenver­sicherung. Bekommt er eine Festanstel­lung mit einem Brutto zwischen 450,01 und 5212,50 Euro, wird er gesetzlich pflichtver­sichert. Macht er sich selbststän­dig oder ist sein Verdienst höher, hat er die Wahl zwischen freiwillig gesetzlich­er oder privater Versicheru­ng.

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA ?? Versichert­enkarten der Allgemeine­n Ortskranke­nkassen (AOK): Auf welche Art man krankenver­sichert ist, hängt in der Regel nicht vom eigenen Willen, sondern von den gesetzlich­en Vorgaben ab.
wie zum Beispiel eine Betriebsre­nte.
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Versichert­enkarten der Allgemeine­n Ortskranke­nkassen (AOK): Auf welche Art man krankenver­sichert ist, hängt in der Regel nicht vom eigenen Willen, sondern von den gesetzlich­en Vorgaben ab. wie zum Beispiel eine Betriebsre­nte.

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