Lindauer Zeitung

Auf Mallorca regt sich Widerstand gegen Alkohol-Begrenzung­en

Wortführer des Protests ist ein deutscher Hoteldirek­tor – Angeblich werden nicht alle Tourismusb­etriebe gleich behandelt

- Von Alexandra Wilms

(dpa) - Noch ist Winter, trotzdem herrscht im Hotel Samos im Februar geschäftig­es Treiben. Das Vier-Sterne-Haus in Magaluf im Südwesten von Mallorca beherbergt in den kälteren Monaten des Jahres ausschließ­lich Senioren, die mit einem vom spanischen Staat geförderte­n Reiseprogr­amm auf die Insel kommen. Sie dürfen im Rahmen ihres All-inclusive-Urlaubs weiterhin nach Lust und Laune Alkohol trinken. Die Teilnehmer des Programms sind aber die einzigen, die vom neuen „Gesetz gegen den Exzess-Tourismus“auf den Balearen ausgenomme­n sind.

Für alle anderen Touristen gilt im Hotel Samos seit Ende Januar: Wer All-inclusive bucht, der darf zum Mittag- und Abendessen jeweils nur noch drei alkoholisc­he Getränke kostenfrei bestellen – danach wird zur Kasse gebeten. Für Hoteldirek­tor Christoph Gräwert kommt diese Norm einem Alptraum gleich.

Der 40-jährige Deutsche fühlt sich durch das neue Anti-Sauftouris­mus-Regelwerk in seiner Wettbewerb­sfähigkeit eingeschrä­nkt. Dieses gilt nur in einem Urlaubsgeb­iet auf Ibiza und zwei berühmt-berüchtigt­en Regionen Mallorcas. Neben der speziell bei Deutschen beliebten Playa de Palma östlich der Inselhaupt­stadt Palma ist die britische Partyhochb­urg Magaluf betroffen.

Aber nur einige Straßenzüg­e fallen unter das Gesetz, ganze Stadtteile sind ausgenomme­n, auch in Strandnähe. Ein nur hundert Meter entferntes Nachbarhot­el darf weitermach­en wie bisher. Und auch Unterkünft­e, die außerhalb der Sonderzone liegen, befürchten negative Folgen, etwa einen Preisverfa­ll im Ort und Konkurrenz aus anderen Gemeinden.

Der gebürtige Augsburger Gräwert will das nicht hinnehmen und hat deshalb eine Plattform für Betroffene gegründet. 45 Hotels machen schon mit. Mit vereinten Kräften wollen sie gegen die ihrer Meinung nach unfaire Behandlung und deren Folgen kämpfen.

Die Hotelbesit­zer sind auch deshalb frustriert, weil viele von ihnen den Kampf gegen den Sauftouris­mus sogar unterstütz­en. „Wir haben vergangene­s Jahr renoviert, um auf vier Sterne aufrüsten zu können. Unser Anliegen war es, den Exzess-Tourismus durch mehr Qualität und höhere

Preise zu verdrängen – da hat uns das neue Gesetz jetzt in die Suppe gespuckt“, so Gräwert. Er befürchtet, dass die britischen Gäste, die rund die Hälfte seiner Kundschaft ausmachen, auf Halbpensio­n umsteigen – und er letztlich Personal entlassen muss.

Der Hotelier fühlt sich als Sündenbock. „Wir sehen keinen Zusammenha­ng zwischen den nächtliche­n Exzessen in gewissen Gegenden und dem, was die Hotels tagsüber anbieten“, sagt er. Das Gesetz selbst liefere indirekt den Beweis: Im ebenfalls betroffene­n Urlaubsgeb­iet Sant Antoni de Portmany auf Ibiza befinde sich kein einziges All-inclusive-Hotel, argumentie­rt er. Für das Problemvie­rtel auf der südlichen Nachbarins­el gelte also nur jener Teil des Gesetzes, der sich auf Bars und Geschäfte bezieht.

Für Gräwert sind genau diese die Wurzel des Übels, sprich: der teils ausschweif­enden Trinkgelag­e. Von dem Gesetz seien sie aber im Grunde kaum betroffen: „Die Bars dürfen keine Werbung mehr für Alkoholexz­esse machen und keine Happy Hour mehr anbieten. Aber dann verkaufen sie statt drei Bier für drei Euro eben jeweils ein Bier für einen Euro.“Dass Läden, die Alkohol verkaufen, nun schon um 21.30 Uhr schließen müssten, dürfte wohl nur zu Hamsterkäu­fen kurz vor Ladenschlu­ss führen, so Gräwert.

Schon seit 2016 gibt es in Magaluf eine Gemeindeve­rordnung, in der Regeln für alle Problember­eiche verankert sind. Öffentlich­e Alkoholgel­age, Prostituti­on, Drogenkons­um, Ruhestörun­gen oder das Klettern von einem Balkon zum anderen sind somit auf dem Papier bereits seit Jahren verboten. Aber es fehle an Polizisten, um diese Regeln auch durchzuset­zen, heißt es. Für die erste Saison mit dem neuen Regelwerk rechnen die Hoteliers mit Chaos. Denn die Neuregelun­g gilt nur für All-inclusiveP­akete, die ab dem Inkrafttre­ten des Gesetzes am 23. Januar verkauft wurden. Einige der Hotelgäste dürfen in diesem Sommer also nach Belieben Alkohol trinken, während andere nur drei Drinks pro Mahlzeit bekommen. Wie das kontrollie­rt werden soll, ist Gräwert ein Rätsel.

Die Balearenre­gierung fürchtet angesichts regelmäßig­er Berichte über Unfälle und sexuelle Übergriffe durch Betrunkene um die öffentlich­e Sicherheit und die Zukunft des Tourismus in der Region. Die neuen Beschränku­ngen für Unternehme­n seien notwendig, argumentie­rt sie.

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FOTO: CLARA MARGAIS/DPA Wer inzwischen All-inclusive bucht, darf nur noch drei alkoholisc­he Getränke kostenfrei bestellen.

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