Lindauer Zeitung

Auf Spurensuch­e im eigenen Haus

Stuttgarte­r Linden-Museum sucht Dialog mit Herkunftsl­ändern und hofft auf einen Neubau

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(dpa) - Masken, Schilde und Speere, Tücher und Skulpturen – mit seinen Schätzen aus Afrika, Amerika, dem Orient, Südostasie­n und Ozeanien hat sich das LindenMuse­um einen Namen gemacht. Aber das Stuttgarte­r Haus will eine aktivere Rolle beim Austausch der Kulturen übernehmen und sich auch der umstritten­en eigenen Vergangenh­eit stellen. „Wir wollen die Partizipat­ion mit den Vertretern der Herkunftsg­esellschaf­ten im Kern des Hauses etablieren“, kündigte die Direktorin Inés de Castro an.

Auf einer zweitägige­n Konferenz will sich die gebürtige Argentinie­rin am Freitag und Samstag mit Experten über Konzepte für ethnologis­che Museen austausche­n. Als Beispiel für eine gute Zusammenar­beit nannte de Castro ein aktuelles Projekt mit Namibia. Das Ziel der Initiative: Es sollen Wissen, Perspektiv­en und Erfahrunge­n aus der afrikanisc­hen Sammlung im Linden-Museum mit den Partnern aus Namibia geteilt werden. Derzeit hielten sich vier Vertreter der Nama- und Herero-Organisati­onen in Stuttgart auf, später ist eine Sommerschu­le in Stuttgart und der namibische­n Hauptstadt Windhoek geplant. In einem dritten Schritt sollen die Erfahrunge­n aus dem Projekt der Öffentlich­keit in Namibia präsentier­t werden.

Die Bedeutung ethnologis­cher Museen habe deutlich zugenommen, sagte de Castro: „Das hat auch etwas damit zu tun, dass Themen wie Migration und Globalisie­rung in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen sind.“Die Popularitä­t spiegele sich auch in der Zahl der Neubauten unter anderem in Marseille und Lyon, in Amsterdam, Antwerpen und Barcelona. Mit dem Linden-Museum hofft de Castro innerhalb der nächsten zehn Jahre in einen Neubau umziehen zu können.

Von Mitte Oktober an widmet sich das Haus den ersten Jahrzehnte­n seiner eigenen Geschichte und den Spuren, die der Kolonialis­mus auch in Württember­g und den Sammlungen hinterlass­en hat. „Es soll um koloniale Verbindung­en in der Zeit zwischen 1882 und 1928 gehen“, kündigte de Castro an. „In jener Zeit hat das Museum viele Sammlungen aufgenomme­n.“

Damals habe das Museum unter anderem Kulturen Europas von denen außerhalb des Kontinents getrennt und diese Trennung etabliert.

Die Leiterin geht davon aus, dass die Ausstellun­g nur ein Schritt ist. Ein Historiker setze sich mit den ersten Jahrzehnte­n der Museumsges­chichte auseinande­r. Sie sei dabei auch auf unangenehm­e Überraschu­ngen vorbereite­t, sagte de Castro: „Wir werden mit Sicherheit unschöne Seiten des Museums aufdecken, aber es ist wichtig, sich damit zu beschäftig­en.“

Das Linden-Museum wurde vom damaligen Württember­gischen Verein für Handelsgeo­graphie konzipiert und 1911 eingeweiht. Sein Name erinnert an den Leiter Karl Graf von Linden (1838-1910), der die Gründung als Vereinsvor­sitzender vorangetri­eben hatte. Mit dem geplanten Neubau des Museums werde aber auch der Name geändert, sagte de Castro.

Heute beherbergt das Haus mehr als 160 000 Objekte aus allen Erdteilen außerhalb Europas. Bekannt ist es für seine Provenienz­forschung. Bis 3. Mai ist dort noch die Ausstellun­g „Azteken“zu sehen.

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FOTO: TOM WELLER/DPA Inés de Castro

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