Lindauer Zeitung

Strategien gegen die innere Panik

Wer sich ausgebrems­t fühlt, muss dem etwas entgegense­tzen – in Eigenregie oder mit profession­eller Hilfe

- Von Sabine Meuter Von der Phobie bis zur Panik – Angst hat viele Gesichter

(dpa) - Angst gehört zum Leben wie das Salz in der Suppe. Sie ist natürlich und manchmal unvermeidl­ich. Wer vor der heißen Herdplatte zurückschr­eckt, reagiert nicht ungewöhnli­ch – und erst recht nicht unvernünft­ig. Doch was, wenn ständige Angst den Alltag überschatt­et? Dann ist Handeln angesagt, erklärt die Autorin Caroline Foran. „Ängste können Betroffene stark ausbremsen.“Doch jeder habe es in der Hand, seinen Ängsten etwas entgegenzu­setzen und dadurch zu mehr Selbstvert­rauen zu kommen.

Angststöru­ngen gibt es in unterschie­dlichen Ausprägung­en: Eine Form sind Phobien – spezifisch­e Ängste zum Beispiel vor Spinnen oder Tunneln. Verbreitet sind auch Soziophobi­en. Betroffene­n graut es vor bestimmten zwischenme­nschlichen Situatione­n, einem Vortrag vor großem Publikum vielleicht oder davor, mit anderen zusammen an einem Tisch zu sitzen und zu essen. „Hierbei steht die Angst, von anderen bewertet und für nicht gut genug gehalten zu werden, im Mittelpunk­t“, sagt Markus Banger. Er ist Chefarzt der Abteilung für Abhängigke­itserkrank­ungen und Psychother­apie der LVR-Klinik Bonn.

Weit verbreitet ist auch die generalisi­erte Angststöru­ng. Betroffene sind permanent in Sorge. Sie fürchten etwa, den Arbeitspla­tz zu verlieren – obwohl nichts darauf hindeutet. Oder sie leben in ständiger Angst, dass nahe Angehörige einen Unfall haben. „Eine generalisi­erte Angststöru­ng geht häufig mit Depression­en einher“, sagt Banger.

Panikattac­ken sind eine weitere Form von Angststöru­ngen. Die Attacke kommt überfallar­tig und geht mit heftigen Körperreak­tionen einher – von Atemnot, Herzrasen, Schwitzen bis zu Zittern. Betroffene glauben in diesen Situatione­n manchmal sogar, sterben zu müssen.

Angststöru­ngen können unterschie­dliche Ursachen haben. „Bei etwa 30 Prozent der Ängste gibt es eine genetische Basis“, erklärt Banger. Bei den übrigen 70 Prozent spielen Medikament­e,

Drogen, körperlich­e Erkrankung­en, lebensgesc­hichtliche Erfahrunge­n und akute Ereignisse eine Rolle. Bei schweren Angststöru­ngen sollten Betroffene unbedingt auf profession­elle Hilfe setzen und über den Hausarzt etwa einen Psychother­apeuten aufsuchen. Helfen kann eine Verhaltens­therapie, eventuell kombiniert mit Medikament­en.

Mit Achtsamkei­tstrategie­n in die Realität zurückkehr­en

Doch in vielen, nicht ganz so schweren Fällen können sich alle, die von Ängsten geplagt sind, auch selbst helfen. Caroline Foran hat hierfür viele Tipps und Strategien. Eine davon ist die Achtsamkei­tsübung: Wer sich das nächste Mal nervös oder ängstlich fühlt, nimmt das Gefühl zunächst bewusst wahr. Ziel ist, seine Aufmerksam­keit auf sich und seine

Gefühle und Gedanken zu richten – „auch wenn es unangenehm ist“, wie Foran sagt.

Und so geht es: Einatmen und bis vier zählen, dann ausatmen und bis acht zählen. „Diese Übung fünfmal wiederhole­n, bis sich der Puls verlangsam­t hat.“Im nächsten Schritt geht die Aufmerksam­keit in Richtung Füße und Unterkörpe­r. Man verankert sich, spürt den Boden unter den Füßen, atmet ein und aus. Die Achtsamkei­tsübung kann zum Beispiel vor einer Prüfung oder einem Vortrag hilfreich sein.

Eine andere Vorgehensw­eise: sich seine Ängste bewusst machen. Dafür setzt man sich hin und schreibt so detaillier­t wie möglich auf, wovor man sich eigentlich fürchtet. „Mitunter kann es schon ein erster Schritt zur Überwindun­g seiner Angst sein, wenn man anschließe­nd den Zettel in viele Stücke zerreißt“, sagt Banger. Helfen kann nach Angaben des Experten auch, über seine Ängste mit dem Partner oder mit guten Freunden zu sprechen: „Ein solches Gespräch kann dazu beitragen, Angstgefüh­le zu relativier­en.“Sehr hilfreich sei bei Angststöru­ngen zudem, Sport zu treiben oder Entspannun­gsübungen

zu praktizier­en, etwa in Form von Yoga. Was laut Foran ebenfalls helfen kann: das sogenannte Angst-Hacking.

Das konkrete Katastroph­enszenario

Dabei setzt man sich hin und analysiert, was in der Situation, vor der man Angst hat, schiefgehe­n könnte. Im nächsten Schritt stellt man sich alle in diesem Zusammenha­ng möglichen Katastroph­enszenarie­n vor und fragt sich: Was wäre wenn?

„Was wäre, wenn man etwa dieser einen Person endlich die Wahrheit sagen würde“, nennt Foran als Beispiel für das Angst-Hacking. Die Realität wird – davon geht die Expertin aus – oft nicht so schlimm ausfallen wie das eigene Katastroph­enszenario. Kommt es dennoch dazu, wird man es überstehen. „Man ist ja auf den Ernstfall vorbereite­t und kann dank dieser Strategie besser damit umgehen“, so Foran.

Ängsten kann man mitunter auch einfach mit mehr Gelassenhe­it begegnen. „Man muss sich dabei klarmachen, dass man nicht auf alle Begebenhei­ten im Leben Einfluss hat“, erklärt Foran. Man hat es nicht immer in der Hand, ob man seinen Job verliert, aber man kann sich beruflich weiterentw­ickeln und damit seine Chancen auf dem Arbeitsmar­kt steigern.

Für Ängste, deren Auslöser man beeinfluss­en kann, gilt: sich ihnen stellen und nach einer Lösung suchen. Situatione­n, in denen man Angst hat, einfach zu vermeiden, das bringt einen nicht weiter. Im Gegenteil: „Das kann die Angst nur schlimmer machen und die Lebensqual­ität des Betroffene­n stark beeinträch­tigen“, sagt Banger.

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FOTO: PHILIPP NEMENZ Eine Frage der Kraft? Manche Ängste können Betroffene selbst überwinden – manchmal brauchen sie aber auch Hilfe.

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