Freitagstreff ist offen für alle Kreative
Künstlerin Stephanie von Hoyos bietet sowohl ein integratives als auch ein soziales Projekt an
- Kunst machen und Kunst schaffen soll jedem möglich sein. Deshalb hat Stephanie von Hoyos den Freitagstreff ins Leben gerufen und damit eine Kunstwerkstatt möglich gemacht, in der mit allerlei Materialien, Farbenarten und den verschiedensten Techniken gemalt, gezeichnet oder modelliert werden kann. Und das Besondere dabei ist: Der „offene Freitagstreff“ist ein soziales wie auch integratives Projekt und richtet sich obendrein auch an all jene, die sich ihre Kreativität nicht unbedingt leisten könnten.
„Ich bin fertig“, sagt Peter und zieht seinen Pulli aus, der ihm als Malerkittel dient. Seine Bilder sind noch gar nicht richtig trocken. Neun Stück hat er gemalt, alle ähnlich, aber doch nicht gleich. Serielle Kunst, eine Bilderfolge wie man sie von Andy Warhol kennt. Immer ein und dasselbe Motiv, nur die Farben variieren. Wundervoll harmonische Farben hat er dafür ausgewählt. Drei mal drei gerahmte Bilder, als Komposition, ein toller Hingucker fürs Wohnzimmer, denkt sich die Journalistin. Als wäre es Gedankenübertragung, sagt Stephanie von Hoyos bewundernd, „die würde ich mir glatt aufhängen“.
Stephanie von Hoyos ist selbst Künstlerin und malt seit ihrem 30. Lebensjahr. Vor drei Jahren ist 75Jährige mit ihrem Mann von Fürstenfeldbruck nach Lindau gezogen und hat „mit viel Glück“in Reutin ein Atelier gefunden. Außer, dass sie „gegenstandslose“Bilder malt, wie sie selbst ihren Stil bezeichnet, weil das Wort abstrakt ihn nicht trifft, und sie momentan gerade viel mit Ton arbeitet, ist sie im Vorstand des KuBa (Wasserburger Kunstbahnhof) aktiv. Und weil sie in Fürstenfeldbruck über eine Tagesklinik schon ehrenamtlich eine Inklusionsgruppe für Menschen mit und ohne Behinderung
gegründet und geleitet hatte und zudem über die dortige Caritas auch noch eine für Menschen mit wenig Einkommen, wollte sie mit einer solchen Malwerkstatt in Lindau weitermachen. Sie suchte den Kontakt zur Tagesklinik und fand mit dem Leiter Jörg Sautier einen Förderer, der von ihrer Idee sofort begeistert war. Weil der tageskliniknahe Verein Ellipse ohnehin schon über Werkstatträume im nahen Kasernweg verfügte, war es dann ein leichtes dort, und damit zentral auf der Insel, die Malwerkstatt als offenen Freitagstreff einzurichten. Und weil die Künstlerin für die Räumlichkeiten keine Miete zahlen muss, kaufte sie das Material, die erste Ausstattung, selbst. „Ich wollte gern, dass hier etwas entsteht“, begründet Stephanie von Hoyos ihren Einsatz und erzählt, dass sie seit der zweiten Ausstattungsrunde die Stiftung Bodenseebank
für ihr Projekt gewonnen habe, so dass die Stiftung jetzt die hohen Materialkosten übernehme. Denn das Wichtigste für sie dabei ist: „Dass alle kommen, die in irgendeiner Art eine Bedürftigkeit haben.“
Um zu malen, zu zeichnen, zu reden, zuzuschauen, zu modellieren, zu fragen oder einfach nur dabei zu sein, sind an diesem Freitagnachmittag außer Peter, dem Künstler mit Ausstellungserfahrung, noch sieben weitere Kreative. Darunter ein paar aus der Tagesklinik, aber auch ganz alltägliche Kunstschaffende und somit einfach solche, die in der Zeitung von dem Angebot gelesen haben, wie Stephanie von Hoyos erklärt. Wen die Künstlerin allerdings noch in der niemals gleichen Runde vermisst, seien „die Ärmeren, die sich nicht mal einen VHS-Kurs leisten können“. Warum? „Ich will einen Raum öffnen für Menschen, die kreativ sein wollen. Einen Raum, wo sich Menschen kreativ betätigen sollen oder einfach kommen können, um eine Tasse Tee zu trinken.“Und kreativ betätigen sollen sie sich können, ganz gleich, welchen Stil sie bereits haben oder welchen sie erst finden wollen. Denn gerne steht die Künstlerin zwar mit Rat und Tat beiseite, jedoch nur, wenn ihre Hilfe erwünscht ist. Ansonsten will sie das Angebot „niederschwellig“halten. Deshalb sollen die Menschen kommen und gehen können, wie und wann sie wollen. „Drei bis vier kommen immer, aber manche kommen nur ein Mal und nie wieder und wieder andere kommen ein Mal und dann erst nach einem halben Jahr wieder.“Kaum hat Stephanie von Hoyos das gesagt, klopft es an der Tür. Vor der Ladenwerkstatt stehen eine Frau und ein Mann, die, wie sich herausstellen wird, völlig unabhängig voneinander vorbei gekommen sind. Die Frau, um einen Blick in jene Werkstatt zu werfen, von der sie in der Tagesklinik gehört hat. Der Mann, weil er neu ist in der Stadt und vom offenen Freitagstreff in der Zeitung gelesen hat. Allerdings gibt er schnell zu, nicht das gefunden zu haben, was er erhoffte. Denn er ist weniger der bildenden Kunst als der Musik zugetan und sucht eigentlich einen Chor, bei dem er mitsingen kann. Weder er noch die Dame bleiben wenigstens für eine Tasse Tee. Doch die Frau verspricht, ein anderes Mal wiederzukommen. Die Begegnungen mit den unterschiedlichen Künstlern hier haben ihr wohl Lust auf mehr gemacht. Oder vielleicht sind es auch die Möglichkeiten, die der Freitagstreff bietet. Denn da ist der Maler, der mit feinen Pinselstrichen atemberaubend gut Stimmungen des Sees in Aquarell festhält. Oder jener Künstler, der Ton mit streichenden Bewegungen formt und Stück für Stück zusammensetzt. Oder die Künstlerin, die an diesem frühlingshaften Freitagnachmittag mitten im Winter schon den Frühling malend herbeiruft oder jene Künstlerin, die am Gemeinschaftsbild arbeitet und Farbe mit unterschiedlichen Materialien kombiniert. Oder eben Peter, der Schnellmaler, der aus dem Bauch heraus malt und eigentlich schon längst gehen wollte, aber doch noch für ein Interview und das Foto bleibt.
Der „offene Freitagstreff“der Ellipse-Werkstatt im Kasernweg 5 auf der Insel ist jeden Freitag von 15 bis 17 Uhr für alle geöffnet. Dabei richtet sich das Angebot an Erwachsene und Jugendliche ab 16 Jahren. Vorkenntnisse sind keine nötig, das Material wird gestellt und es werden auch keine Kursgebühren fällig.