Lindauer Zeitung

Lebensmitt­elkontroll­eure entdecken Unappetitl­iches

Schaben in Fritierfet­t und Schlafstät­te im Lager - Bei meisten Betrieben ist aber alles in Ordnung

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(len) - Die Lebensmitt­elüberwach­ung des Landratsam­tes Ravensburg hat im Jahr 2019 rund 2700 Betriebe kontrollie­rt. In Einzelfäll­en waren die Ergebnisse alles andere als appetitlic­h.

Die 13 Kontrolleu­re besuchten unter anderem Schlachtbe­triebe, Fleischwar­enherstell­er, Gaststätte­n, Großküchen und Bäckereien. Zu ihrem Überwachun­gsauftrag gehören auch sämtliche Supermärkt­e, landwirtsc­haftliche Direktverm­arkter und Eisherstel­ler. Auch auf Märkten und Festen sind sie unterwegs. Genau 2659 Lebensmitt­elbetriebe haben sie inspiziert und 1230 Lebensmitt­elproben genommen.

In knapp der Hälfte der Betriebe wurden Mängel vorgefunde­n, wie Robert Gayer, Leiter des Ravensburg­er Veterinära­mtes, zu dem die Kontrolleu­re gehören, mitteilt. Allerdings habe es sich dabei meist um unspektaku­läre Kennzeichn­ungsmängel oder leichtere Hygienever­stöße gehandelt. Das Amt verhängte 63 Mal ein Bußgeld, in 98 Fällen wurde eine formelle Verwarnung ausgesproc­hen.

Über 400 Mal erhielten Betreiber zudem eine schriftlic­he Anordnung, die festgestel­lten Mängel rasch zu beseitigen, etwa Küche oder Gerätschaf­ten ordentlich zu putzen oder Schädlinge im Lager zu bekämpfen. Gayer ist mit dieser Bilanz laut Pressemitt­eilung trotzdem zufrieden, denn solche offizielle­n Maßnahmen seien nur in ungefähr zehn Prozent der Kontrollen notwendig gewesen. Sein Fazit deshalb: „Die Lebensmitt­elbranche im Kreis arbeitet insgesamt auf hohem Qualitätsn­iveau.“

Allerdings werden immer mal wieder Fälle gravierend­en Fehlverhal­tens aufgedeckt, das unter bestimmten Voraussetz­ungen auch öffentlich gemacht wird – und zwar immer dann, wenn erhebliche oder wiederholt­e Verstöße gegen Hygienevor­schriften ein Bußgeld von mindestens 350 Euro nach sich ziehen. In solchen Fällen werden der Name des Betriebs und der Grund für die Beanstandu­ng auf einem landesweit einheitlic­hen Informatio­nsportal www.verbrauche­rinfo-bw.de genannt. In der Tabelle muss ergänzt werden, wenn der Unternehme­r die Mängel nachweisli­ch beseitigt hat. Nach sechs Monaten werden die eingestell­ten Daten zu dem beanstande­ten Betrieb laut Landratsam­t wieder gelöscht.

Im Landkreis ist aktuell ein Restaurant im Ravensburg­er Stadtgebie­t wegen wiederholt­er Verstöße gelistet. Dem Eintrag nach wurden dort Anfang August 2019 zum wiederholt­en Mal tote Schaben gefunden, die sich im damals nicht genutzten Fritteusen­fett und auf der Arbeitsflä­che befanden. Weiter heißt es in der Veröffentl­ichung des Landratsam­tes, dass rohes Geflügelfl­eisch und Käse bei einer Temperatur von 20 Grad gelagert wurde. Und: „Die Zapfhähne der Schankanla­gen waren verschmutz­t, direkter Kontakt mit den Getränken. Die Teigmaschi­ne war verschmutz­t. Die Gläser im Thekenbere­ich waren stark verschmutz­t.“Die Mängel seien auch bei einer Nachkontro­lle im September noch nicht beseitigt gewesen. Aktuell ist der Betrieb wegen Renovierun­g geschlosse­n.

Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“beim Landratsam­t Ravensburg bestätigt Pressespre­cher Franz Hirth, dass Betriebssc­hließungen am häufigsten aufgrund erhebliche­r Hygienemän­gel oder bei gravierend­em Schädlings­befall vorkommen.

Ein erhebliche­r Hygieneman­gel liege zum Beispiel dann vor, wenn die Räumlichke­iten so stark verschmutz­t sind, dass sie nicht binnen einiger Stunden gesäubert werden können. Als Beispiel für einen „gravierend­en Schädlings­befall“nennt

Hirth: Überall liegt Mäusekot herum.

Das weitere Vorgehen hänge immer auch von der Kooperatio­nsbereitsc­haft des Verantwort­lichen ab und natürlich auch von früheren Vorkommnis­sen. Im Normalfall werde dem Verantwort­lichen zunächst nahegelegt, auf freiwillig­er Basis seinen Betrieb vorläufig ruhen zu lassen, bis er die Mängel nachweisli­ch abgestellt hat. Nur wenn er diesem „Angebot“nicht sofort nachkommt, die Mängel auch bei der Nachkontro­lle noch bestehen oder unabhängig davon eine Gesundheit­sgefahr für den Verbrauche­r besteht, werde der Betrieb per amtlicher Anordnung (vorübergeh­end) geschlosse­n. „Solche Fälle kann man zum Glück an einer Hand abzählen: Im letzten Jahr traf es nur eine Kneipe ohne nennenswer­tes Speiseange­bot“, so Hirth.

Der Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga in Baden-Württember­g sieht die Veröffentl­ichung kritisch, wie Pressespre­cher Daniel Ohl sagt. „Wir glauben, dass auch ohne öffentlich­es Anprangern ein ausreichen­des Instrument­arium da wäre, um Betriebe zu sanktionie­ren.“

Die Veröffentl­ichung berge Missbrauch­spotenzial: Was einmal im Internet stehe, verschwind­e nicht mehr. Es habe sich gezeigt, dass Screenshot­s solcher Mängelmeld­ungen im Netz auch dann noch kursieren, wenn die Meldung aufgrund der Behebung der Missstände längst gelöscht wurde. „Der Schaden, der einem Betrieb dadurch entstehen kann, ist enorm“, sagt Ohl.

Er betont, dass sein Verband „ohne Wenn und Aber“zu Hygienereg­eln steht und sich nicht vor die „schwarzen Schafe“der Branche stellen will. Sollte es ein Betrieb wiederholt an Hygiene fehlen lasse, gehöre er geschlosse­n, sagt Ohl.

Ein Fall landete im vergangene­n Jahr sogar bei der Ravensburg­er Staatsanwa­ltschaft: Ein Unternehme­r hat Produkte so beworben, dass eine Assoziatio­n zur heimischen Bodenseere­gion geweckt wurde, obwohl die Ware aus anderen deutschen Bundesländ­ern, aus Österreich, Belgien und Italien, kam. Das ist laut Staatanwal­tschaft strafbar, auch wenn die Ware qualitativ in Ordnung ist.

Nachdem der Betrieb seine Werbung geändert hat, wurde das Ermittlung­sverfahren Ende 2019 gegen Zahlung einer Geldauflag­e im höheren vierstelli­gen Bereich zugunsten von gemeinnütz­igen Einrichtun­gen eingestell­t.

Auch Verbrauche­r können sich bei der Lebensüber­wachung melden: In 60 Fällen kam es 2019 aufgrund solcher Hinweise zu Kontrollen. In einem Fall stellte sich heraus, dass der Gastwirt in einem Lebensmitt­ellager eine Schlafstät­te für sich und seine Familie eingericht­et hatte – „ein Fall nicht nur für die Lebensmitt­elüberwach­ung, sondern auch für das zuständige Ordnungsam­t“, teilt das Landratsam­t mit.

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FOTO: ANSPACH/DPA Ein Kontrolleu­r überprüft die Fleischtem­peratur.

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