Richter setzen Grenzen für Fahrverbote
Wenn die Luftqualität absehbar besser wird, sind die Stopps laut Bundesverwaltungsgericht unverhältnismäßig
(AFP/dpa) - Im Streit um Dieselfahrverbote für bessere Luft in Städten hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass solche Verbote bei einer absehbaren Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte unverhältnismäßig sein können. Dies gilt nach Ansicht der Richter, wenn nach einer Prognose davon auszugehen ist, dass der Grenzwert in Kürze eingehalten werde – und es eine hinreichend sichere Grundlage für diese Prognose gibt. Das entschied das höchste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag.
Das Gericht änderte deshalb im konkreten Fall ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) BadenWürttemberg zum Luftreinhalteplan in Reutlingen ab. Der VGH hatte im März 2019 einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) stattgegeben und das Land Baden-Württemberg verurteilt, Fahrverbote in den Plan aufzunehmen. Dagegen legte das Land Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht ein. Ein Dieselfahrverbot sei, anders als vom VGH angenommen, nicht zwingend, erklärte das Bundesverwaltungsgericht nun. Auch dabei sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. „Ein Dieselfahrverbot kann insbesondere dann unverhältnismäßig sein, wenn die baldige Einhaltung des Grenzwerts absehbar ist“, erklärte das Gericht. Es hatte bereits im Februar 2018 entschieden, dass grundsätzlich Fahrverbote für Dieselautos verhängt werden können.
Reutlingen rechnet für 2020 damit, den Grenzwert zu erreichen. 2019 lag der Stickstoffdioxid-Wert noch bei 46 Mikrogramm.
Der VGH habe mit seiner Forderung nach zwingenden Dieselfahrverboten die Verhältnismäßigkeitsüberlegungen überspannt, die das Bundesverwaltungsgericht schon vor zwei Jahren in seinen Entscheidungen zu Dieselfahrverboten in Stuttgart und Düsseldorf angestellt hatte, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher. Die Bundesrichter gaben der Stadt und dem Land Baden-Württemberg trotzdem auf, den Luftreinhalteplan zu überarbeiten, weil er Prognosefehler aufweise. Es sei nicht nachvollziehbar begründet, wie die Autodichte gesenkt werden solle. Diese Prognosemängel hatte auch der VGH zuvor festgestellt.
Der Tübinger Regierungspräsident Klaus Tappeser zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. „Wir werden den Luftreinhalteplan fortschreiben. Diese Fortschreibung wird aber mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Fahrverbote mit sich bringen.“Stattdessen sollen laut Tappeser andere Maßnahmen in den Plan aufgenommen werden. Dazu zählten eine wirksame Kontrolle des Schwerlastverkehrs und die Umstellung der Stadtbusflotte auf E-Antrieb.
Der Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck (SPD) betonte, dass die Stadt bei der Luftreinhaltung auf einem guten Weg sei – auch ohne Fahrverbote.