Erstmals ein Münchner Dreikampf
Neben Amtsinhaber Reiter haben zwei Frauen Chancen, OB zu werden
– Ein Donnerstagabend im Münchner Wahlkampf, die Stuhlreihen im Utopia – einst Reithalle des Königlich Bayerischen InfanterieRegiments, heute ein hipper Veranstaltungsort – sind mit gut 600 Besuchern restlos besetzt. Das Interesse ist also groß an dieser Podiumsdiskussion. Dabei ist es wahrlich nicht das erste Aufeinandertreffen jener drei Kandidierenden, die bei der Kommunalwahl den Chefsessel im Münchner Rathaus erobern wollen.
Eine Bewerberin fürs Oberbürgermeisteramt – 38 Jahre alt, Hobbys Yoga und Bergsteigen – wird vom Moderator gefragt, was ihre größte persönliche Klimasünde sei. Hierauf entgegnet die junge Frau fast verschämt, dass sie sich für die vielen Fahrten im Wahlkampf ein Elektroauto zugelegt habe. Das werde sie danach schleunigst wieder abgeben, beeilt sie sich zu betonen. Dann wolle Sie – wie vor dem Wahlkampf – nur noch aufs Fahrrad setzen.
Derlei Sätze würde viele Besucher der Aberhunderte von CSUWahlkampfveranstaltungen zwischen Lindau und Hof bestenfalls mit einem Stirnrunzeln quittieren und es als Paradebeispiel grüner Rhetorik einordnen. Doch die Frau, die sich nicht nur an diesem Abend betont ökologisch, jung und liberal gibt, nennt ein CSU-Parteibuch ihr Eigen: In Kristina Frank geht erstmals eine christsoziale Frau ins Rennen um die
Münchner Stadtspitze. Und das ist beileibe nicht die einzige Premiere bei dieser Oberbürgermeisterwahl am 15. März.
Denn erstmals in der Nachkriegszeit dürfen sich in der drittgrößten Stadt Deutschlands gleich drei Kandidierende berechtigte Siegchancen ausrechnen: neben der CSU-Frau Frank sowie dem Amtsinhaber und Favoriten Dieter Reiter (SPD) auch Katrin Habenschaden von den Grünen. Ihre Partei hat seit Längerem einen Lauf bei Wahlen – in Bund und Bayern im Allgemeinen und in München im Besonderen. Dort holten die Grünen nicht nur fünf von neun Direktmandaten bei der Landtagswahl 2018, sondern stiegen bei der Europawahl im Vorjahr auch zur stärksten Kraft auf. Mit ihren 31,2 Prozent lag die Partei in der Landeshauptstadt klar vor der CSU (26,9 Prozent), während die SPD gar auf 11,4 Prozent absackte.
Entsprechend selbstbewusst gibt sich die 42-jährige Habenschaden im Wahlkampf – auch an diesem Abend im Utopia, wo es auf Einladung des Bündnisses „München muss handeln“ausschließlich ums Thema Klima geht. Ein ums andere Mal beugt sich die Grünen-Politikerin in ihrem Sessel nach vorne und attackiert den amtierenden Rathauschef und seine Große Koalition aus SPD und CSU, die beim Klimaschutz und beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs nicht genug unternehme, so ihr Vorwurf. Überdies fordert die zweifache
Mutter mehr Bio-Essen und weniger Fleisch in städtischen Kantinen. Es sind dies klassisch grüne Positionen. Wobei Habenschaden im Wahlkampf durchaus auch bemüht ist, in der politischen Mitte zu punkten – etwa, indem die gelernte Bankkauffrau und studierte BWLerin die Wirtschaftspolitik zu einem ihrer Kernthemen erkoren hat.
Zwischen Habenschaden und Frank, die beide erste Oberbürgermeisterin der boomenden 1,5-Millionen-Stadt werden wollen, sitzt an diesem Abend der amtierende OB Dieter Reiter – im Sessel zurückgelehnt, die Beine übereinandergeschlagen, im Gesicht ein entspanntes Lächeln. Die Körperhaltung steht für eine der zwei zentralen Strategien des 61-Jährigen im Wahlkampf, die da lautet: Der Oberbürgermeister ist der Oberbürgermeister – und hält sich raus aus jeglichen Scharmützeln, um der Konkurrenz möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.
Um die zweite Strategie zu erklären, reicht ein Blick auf seine Wahlplakate. Darauf prangt sehr groß das Konterfei von Dieter Reiter – und sehr klein das Logo der SPD. Der Amtsinhaber will die in Bund und Land darbenden Genossen also möglichst auf Abstand halten. Schließlich sagen alle Prognosen den Sozialdemokraten bei der Kommunalwahl in Bayern Verluste voraus – so wie übrigens auch der CSU.
Und dennoch hat Dieter Reiter – er setzte sich 2014 in der Stichwahl mit 56,7 Prozent der Stimmen gegen Josef Schmid (CSU) durch – gute Chancen auf sechs weitere Jahre im OB-Büro im zweiten Stock des Münchner Rathauses.
Aktuellen Umfragen zufolge würden zwischen 39 und 49 Prozent der Münchner für den SPD-Kandidaten stimmen. Auf Rang zwei folgt demnach Katrin Habenschaden mit Werten von 17 bis 23 Prozent, während Kristina Frank bloß auf 16 bis 17 Prozent käme. Die CSU-Frau und ihre Kontrahentin von den Grünen haben vor allem mit einem Bekanntheitsproblem zu kämpfen: Nur wenige Wochen vor der Wahl gaben bei einer Erhebung des Insa-Instituts bloß 53 Prozent der Befragten an, dass ihnen der Name Kristina Frank ein Begriff ist. Ebenfalls nur 53 Prozent kannten Katrin Habenschaden, während Dieter Reiter auf einen Wiedererkennungswert von 79 Prozent kam.
Und doch gibt es in der Insa-Umfrage auch eine Zahl, die den Kandidatinnen von Grünen und CSU Hoffnung macht: Jeder Sechste derer, die sicher wählen gehen wollen, weiß derzeit noch nicht, für wen er stimmen wird.
Für die Herausforderinnen dürfte es am 15. März zunächst darum gehen, den Amtsinhaber in eine Stichwahl zu zwingen. Diese fände zwei Wochen später statt, weshalb Kristina Frank – allem Ökobewusstsein zum Trotz – sicher nichts dagegen hätte, noch etwas länger auf ein Elektroauto angewiesen zu sein.