Die Lehren aus Thüringen
Jetzt sind die Dinge doch wieder im Lot, könnte man meinen: Bodo Ramelow, dessen Partei die Linke die meisten Stimmen bei der Landtagswahl in Thüringen geholt hat, ist wieder Ministerpräsident. Die AfD hat bei der Wahl für ihren eigenen Kandidaten gestimmt. Und diejenigen, die weder Ramelow noch Björn Höcke als Regierungschef wollten, haben sie nicht gewählt. Das absurde Polit-Theater à la Erfurt ist also eher unspektakulär zu Ende gegangen. Die Thüringer Bürger können nun darauf hoffen, bei schwierigen Mehrheitsverhältnissen wenigstens ein Jahr lang ohne Neuwahlen regiert zu werden. Doch die Demokratie hat unter diesen Vorgängen rund um die Ministerpräsidentenwahl gelitten. Das wird nachwirken.
Denn bei alledem, was in den vergangenen Wochen passiert ist: In Thüringen wurde nur offenbar, was schon lange unter der Oberfläche gebrodelt hat. Die demokratischen Parteien der Mitte ringen um ihre Ausrichtung – und wirken weitgehend hilflos, wenn sie offensichtlich von der AfD aufs Glatteis geführt werden. Auch die CDU, die wahlweise schadenfroh oder mitleidig auf ihren kleinen Koalitionspartner SPD geblickt hat, musste sich inzwischen eingestehen, dass sie schon längst eine zerrissene Partei ist. Nun wird fast verbissen darum gerungen, wer nach dem Rückzug von Annegret KrampKarrenbauer vom Vorsitz künftig den Kurs angibt. Dabei geht es um nichts anderes als um die Frage, ob und wie weit die Partei sich künftig nach rechts öffnen wird, um regierungsfähig zu bleiben.
Aber auch das hat Thüringen gezeigt: Die Gefahr, politische Glaubwürdigkeit zu verspielen, wächst mit der Wankelmütigkeit im Umgang mit der AfD. Die CSU hat diese Lektion bereits bei der Landtagswahl 2018 in Bayern gelernt – und ist seither nahezu Vorreiter, wenn es um die Abgrenzung nach rechts geht. Die FDP hat etwas länger gebraucht. Bodo Ramelow hat nach seiner Wahl Höcke den Handschlag verwehrt. Das war nicht höflich. Aber vielleicht ist das der richtige Umgang mit einer Partei, die nichts anderes im Sinn hat, als die Demokratie zu untergraben.