Lindauer Zeitung

Klöckner sorgt sich um Bauern ohne Land

Fehlende Flächen werden für die Landwirtsc­haft zum wachsenden Problem

- Von Klaus Wieschemey­er

- Angesichts explodiere­nder Preise für Landwirtsc­haftsfläch­en und einem schrumpfen­den Angebot fordert Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner von den Bundesländ­ern ein bauernfreu­ndlicheres Bodenrecht. „Der Bund hat seine Hausaufgab­en gemacht, jetzt sind die Länder dran zu handeln“, sagte die CDU-Politikeri­n am Donnerstag in Berlin. Man werde beim Thema dranbleibe­n, kündigte sie an.

Tatsächlic­h leidet die Landwirtsc­haft nicht nur an Düngeregel­n, Pestizid-Einschränk­ungen und unklaren Tierschutz­vorgaben. Auch haben die Betriebe im Wortsinn ein bodenloses Problem: Die Agrarfläch­en werden immer weniger und immer teurer. Seit 1993 ist die Ackerfläch­e in Deutschlan­d um 1,2 Millionen Hektar geschrumpf­t, seit 2005 haben die Kaufpreise um 193 Prozent angezogen. Vor allem in Ostdeutsch­land kaufen Investoren seit der Finanzkris­e 2007 große Flächen auf. Klöckner kritisiert­e das: „Unsere Böden dürfen keine Spekulatio­nsobjekte sein“, sagte die Ministerin. Bauernland gehöre in Bauernhand.

Zwar haben Landwirte einen gesetzlich­en Vorrang beim Landkauf, doch der wird oft umgangen, indem juristisch­e Personen kaufen. Diese zahlen aufgrund ihrer Aufteilung häufig nicht einmal Grunderwer­bssteuer, kassieren dafür aber bei EUDirektza­hlungen und beim Erneuerbar­en-Energien-Gesetz ab. Nur bei jeder zwanzigste­n Kaufabsich­t durch Investoren könne sich am Ende der Landwirt durchsetze­n, rechnete Klöckner vor. Dabei müsse die Landwirtsc­haft angesichts der wachsenden Weltbevölk­erung bald mehr produziere­n: „Experten schätzen, dass wir in den kommenden 40 Jahren so viele Nahrungsmi­ttel produziere­n müssen wie die gesamte Menschheit im Verlauf der vergangene­n 8000 Jahre“, sagte die CDU-Ministerin. Sie forderte die Länder auf, ihre Regeln schnell nachzuschä­rfen. Bisher habe von 16 Bundesländ­ern nur BadenWürtt­emberg ein modernes Agrarstruk­turgesetz, kritisiert­e sie.

Doch auch im Südwesten wird das Land knapper. Zwar sind Käufe von Finanzinve­storen angesichts der kleinteili­geren Flächen selten. Doch vor allem in Südbaden überbieten Schweizer Landwirte ihre deutschen

Kollegen bei Pacht und Kauf. Eine rechtliche Handhabe dagegen hat das Land nicht.

Und landesweit weichen weiterhin Äcker und Weiden für Siedlungen, Verkehrs-, Gewerbe-, Energieund Ausgleichs­flächen. In den vergangene­n 20 Jahren betrug der Verlust zwischen sieben und elf Hektar pro Tag. Die „Netto-Null“beim Flächenfra­ß, die der damalige Ministerpr­äsident Günther Oettinger 2006 als Ziel ausrief, wurde nie erreicht.

Weil die Höfe weniger und größer werden, müssen inzwischen drei von vier Landwirten Fläche hinzupacht­en: Im Schnitt gehören nur noch 40 Prozent der bestellten Fläche den jeweiligen Betrieben. Da die Preise auch im Süden anziehen, in den vergangene­n Jahren um 6,7 Prozent pro Jahr, wird es für manche Betriebe eng. Grünland kostet mittlerwei­le im Schnitt 141 Euro pro Hektar, Acker durchschni­ttlich 270 Euro, wobei die Preise je nach Region und Boden weit auseinande­rgehen.

Landes-Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) verweist auf Förderprog­ramme im ländlichen Raum, die vor allem durch Bebauung im Innenberei­ch den Siedlungsd­ruck mildern sollen. „Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass unsere Landwirte für ihre Arbeit Wiesen und Äcker benötigen, die sie bewirtscha­ften können. Dort liegt der Ursprung unserer Lebensmitt­el und Agrarerzeu­gnisse“, sagt er.

Dass es ein Problem gibt, ist längst erkannt. Doch bei der Umsetzung hapert es bislang. So arbeitet Sachsen-Anhalt, wo Investoren gerne große Ländereien aufkaufen, seit dreieinhal­b Jahren an einem neuen Bodenrecht. Brandenbur­g will erst einmal ein agrarpolit­isches Leitbild entwickeln, bevor ein Gesetz folgt. Auch die Idee einer gesetzlich­en Pachtpreis­bremse, wie sie die Linken-Bundestags­abgeordnet­e Kirsten Tackmann fordert, ist nicht neu: 2017 scheiterte ein solches Vorhaben in Niedersach­sen.

 ?? FOTO: PATRICK PLEUL/DPA ??
FOTO: PATRICK PLEUL/DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany