Lindauer Zeitung

(K)Ein Verbissene­r

Ivan Lendl, einst Gegenspiel­er Boris Beckers, feiert diesen Samstag seinen 60. Geburtstag

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(dpa) - Die Augen hinter einer Sonnenbril­le versteckt, saß Ivan Lendl zu seiner Zeit als Trainer von Alexander Zverev zumeist mit versteiner­ter Miene auf der Tribüne. Streng wirkte er, grimmig und emotionslo­s. So wie es zu dem Image passte, das der einstige Weltklasse­spieler und Rivale von Boris Becker während seiner Karriere gewonnen hatte. Lendl war bekannt als verbissene­r Tennisrobo­ter, als erbitterte­r Kämpfer, gefürchtet für seine Unerbittli­chkeit. Einer, der offenbar nur selten lacht, so war der Eindruck.

Doch das ist nur eine Seite von Lendl, der an diesem Samstag seinen 60. Geburtstag feiert. Der ehemalige Davis-Cup-Profi Bernd Karbacher vermittelt ein anderes Bild des achtmalige­n Grand-Slam-Champions. „Er hat einen ganz trockenen und bissigen Humor gehabt. Er war schon ein guter, witziger Vogel“, sagte Karbacher. „Sehr lustig“fand er ihn.

Der 51-Jährige hat sich nicht solch erinnerung­swürdige Tennisduel­le mit dem in Tschechien geborenen US-Amerikaner geliefert wie Becker. Aber auch er spielt eine besondere Rolle in der Karriere des 94-maligen Turniersie­gers: Ivan Lendl bestritt sein letztes offizielle­s Match bei den US Open 1994 gegen Bernd Karbacher. Dass Lendl nach seiner Aufgabe in der zweiten Runde von New York nie wieder antreten würde, ahnte der Münchner damals allerdings nicht. Erst Monate später erklärte Lendl seinen Rücktritt. Die Schmerzen am Rücken waren unerträgli­ch geworden. „Er hätte eine ganz große Bühne verdient gehabt. Er war ja einer der Superstars“, meinte Karbacher.

Nach seiner Karriere zog sich Ivan Lendl zu seiner Familie mit den fünf Töchtern in sein Haus in Connecticu­t zurück, widmete sich dem Golf, fuhr seine Töchter von Golfturnie­r zu Golfturnie­r. Und er hatte erst einmal nicht mehr viel zu tun mit der ATPTour, die er 270 Wochen lang als Nummer 1 angeführt hatte. Je dreimal gewann er die French Open und die US Open, zweimal die Australian Open. Nur in Wimbledon triumphier­te er nie – und das wurmte Ivan Lendl. 1986 stand Boris Becker ihm im Finale im Weg, 1987 war es Pat Cash. Beide Male blieb Lendl ohne Satzgewinn. Serve-and-Volley war nicht sein Spiel.

Beispiello­ser Wille und herausrage­nde Fitness allerdings zeichneten Lendl aus. Auch für Sägespäne in der Hosentasch­e gegen die schwitzige­n Hände war er bekannt. „Er hat nichts dem Zufall überlassen“, erzählte Karbacher und nannte den Gegner ein Vorbild: „Die Intensität im Training hat Lendl in seiner Zeit definitiv auf ein anderes Niveau gehoben.“

Morgens um 8 Uhr hat Karbacher, Mitte der 1990er-Jahre selbst einmal die Nummer 22 der Welt, häufiger mit Lendl trainiert. Zwar habe Lendl – vergeblich – versucht, ihn am Netz mit dem Ball abzuschieß­en. Er selbst aber habe dann gekontert – und ihn voll am Körper getroffen. „Das war mir echt unangenehm. Er hat nur gegrinst dabei.“

Neben Lendls Art und seinen Erfolgen bleibt vielen eine seiner schwersten Niederlage­n unvergesse­n: sein Achtelfina­laus in einem unglaublic­hen Fünf-Satz-Match bei den French Open 1989 gegen den 17-jährigen Michael Chang. Denkwürdig, wie der spätere Sensations­sieger Chang, von Krämpfen geplagt, den Favoriten mit einem Aufschlag von unten düpierte. Frech, wie er sich beim Matchball kurz hinter die T-Linie stellte – und Lendls Doppelfehl­er provoziert­e.

Die Zusammenar­beit mit Andy Murray war Lendls erste aufsehener­regende Trainermis­sion. Insbesonde­re dank seiner mentalen Tipps formte er Murray zu einem der Besten. Gemeinsam mit Lendl als Coach triumphier­te der Brite zweimal bei Olympia, zweimal in Wimbledon und gewann die US Open.

Als Posse dagegen endete im vergangene­n Sommer die Zusammenar­beit mit Zverev, als der deutsche Topspieler seinen Teilzeit-Coach erst öffentlich scharf kritisiert­e – und die

Trennung dann in den USA vor dem vereinbart­en Zeitpunkt durchsicke­rte. Lendls Haupttheme­n seien gerade „Golf und sein kleiner Hund“, hatte Zverev gemeckert. „Manchmal gehen wir auf den Tennisplat­z. Das Training ist zwei Stunden lang. Eine halbe Stunde steht er mit dem Rücken zu mir und erzählt, wie er am Morgen Golf gespielt hat.“

Dass es für ihn auch ohne den ExStar geht, zeigte Zverev mit seinem Einzug ins Halbfinale der Australian Open. Seinen größten Titel aber feierte er als ATPWeltmei­ster 2018 – mit dem brummigen Ivan Lendl an seiner Seite. Mutmaßlich hat der nach der Partie irgendwo lauthals gelacht.

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FOTO: RÜDIGER SCHRADER/DPA Wimbledon, 1988, Halbfinale: Ivan Lendl (li.) trifft auf Boris Becker und unterliegt in vier Sätzen. Diesen Samstag wird Lendl 60 Jahre alt.
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