Zuschauen verboten
In Italien sind bis 3. April Fans von allen Großveranstaltungen ausgeschlossen
- Seit drei Wochen wütet das Coronavirus in Italien, es hat das Land in den Würgegriff genommen. Italien ist der größte Herd des Erregers in Europa. Die Zahl der dortigen Todesfälle ist auf 148 gestiegen, am Mittwoch wurden 28 Opfer gemeldet, am Donnerstag 41, zudem gibt es 3858 bestätigte Infektionen. Laut Behörden ist eine Abschwächung der Epidemie nicht erkennbar.
Mittwochnacht sprach Ministerpräsident Giuseppe Conte in einer Videobotschaft ein Machtwort: „Wir müssen uns noch mehr anstrengen, um die Epidemie einzugrenzen und eine zusätzliche Belastung des Gesundheitssystems zu vermeiden“, forderte Conte. Soll heißen: Veranstaltungen, bei denen viele Menschen aufeinandertreffen und in Kontakt kommen, sollen minimiert werden. Für den Profisport und seine Großveranstaltungen bedeutet das, dass zunächst bis zum 3. April alle Zuschauer per Dekret ausgeschlossen sind. Die Regelung ist Teil eines weit größeren Maßnahmenpakets: Alle Schulen und Universitäten wurden bis mindestens 15. März geschlossen, im ganzen Land, nicht nur in den besonders betroffenen Gebieten im Norden. Die notleidende Wirtschaft soll 7,5 Millarden Euro Unterstützung erhalten.
Durch das Dekret könnte zumindest der Calcio, der Fußball im Land, wieder Fahrt aufnehmen, die Serie A nämlich. Etliche Spielabsagen auch im Pokal hatten zuletzt dazu geführt, dass die Zweifel immer größer wurden, ob es der viermalige Weltmeister noch schafft, seine Liga bis zum Start der EM-Vorbereitung zu beenden. Giuseppe Marotta, Geschäftsführer von Inter Mailand, räumte ein: „Diese Regelung könnte der einzige Weg sein, um die Meisterschaft fortzusetzen.“
Der 25-jährige deutsche Außenverteidiger Robin Gosens von Atalanta Bergamo schilderte vor acht Tagen im „kicker“die Verhältnisse in seiner Wahlheimat: „Die ganze Stadt ist irgendwie ein bisschen außer Rand und
Band. Es gab Hamsterkäufe. Die Supermarktregale sind leergefegt: Pasta und Reis, Obst und Gemüse – alles komplett weg, weil die Leute Panik haben, dass die Behörden jetzt auch Bergamo abriegeln, um den Überblick zu behalten", erklärte Gosens: „Die Restaurants sind teilweise zu, alle öffentlichen Gebäude wie Schulen, Museen, Kindergärten sind geschlossen. Die Leute laufen draußen nur noch mit diesen Masken herum." Die Übertreibungen der Medien sehe er kritisch, sagte Gosens, aber es sei schon krass zu sehen, „wie eine solche Stadt innerhalb weniger Tage in einen Ausnahmezustand gerät“.
Trainiert wurde in Italien zuletzt wie üblich, gespielt vereinzelt auch, an der Ligaspitze gab es einen fast sensationellen Wechsel. Juventus Turin, seit acht Jahren Dauermeister, wurde von Lazio Rom abgelöst, hat aber ein Match weniger auf dem Konto. Für Juve
um Superstar Ronaldo könnte das Fanverbot zum Verhängnis werden. Das Rückspiel im Champions-League-Achtelfinale gegen Lyon findet am 17. März nun ohne Unterstützung der Tifosi statt, Juve muss ein 0:1 wettmachen. Das am Wochenende abgesagte Spitzenspiel zwischen Juve und Inter wurde derweil wie die anderen ausgefallen Spiele auf dieses Wochenende (Sonntag, 20.45 Uhr) verlegt.
Die Profis sollen derweil ihr Verhalten auf und neben dem Platz ändern, fordert der Sportärzteverband in einem Maßnahmenkatalog. Das bedeutet: Kein gemeinsamer Torjubel mehr, keine Autogramme, kein Besuch von Diskotheken, keine Umarmungen, kein Händeschütteln, schon gar keine Küsschen. Zudem sollen die Kicker untereinander keine Flaschen, Bademäntel oder Handtücher tauschen. Jeder Kontakt zu Fans soll vermieden, Mikrofone bei Interviews desinfiziert werden. Die Mixed-Zonen in Stadien, wo Journalisten sonst Spieler befragen, werden abgeschafft.
Wie sehr die Angst vor dem Virus ganz Europa ergriffen hat, sieht man auch an der Reaktion der Stadt Nürnberg. Die hält eine Absage des Länderspiels der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am 31. März in ihrer Stadt gegen Italien für denkbar. Wenn die Entscheidung heute zu treffen wäre, würde die Stadtverwaltung wegen der zu erwartenden Anreise Tausender Fans aus Norditalien eine Absage empfehlen, erklärte Sozialreferent Peter Pluschke. Die Situation könne sich aber binnen einer Woche signifikant ändern. Ob das Duell der Erzrivalen tatsächlich abgesagt wird, soll im Laufe kommender Woche in Absprache mit dem DFB und der Stadionbetreibergesellschaft entschieden werden. Am 26. März zum Auftakt des EM-Jahres hat das DFB-Team bis dato ein Testspiel in Madrid gegen Spanien im Kalender stehen.
In Italien ist derweil auch der Radsport und seine Frühjahrsklassiker betroffen. Mailand-Sanremo am 21. März wird – wenn überhaupt – ohne Fans stattfinden, der Strade Bianche am 7. März wurde gleich ganz abgesagt.