Lindauer Zeitung

US-Demokratin­nen enttäuscht über den Abgang Elizabeth Warrens

Frühere Harvard-Professori­n stieg aus dem Rennen um die Präsidents­chaft aus – Öffentlich­keit debattiert über sexistisch­e Vorurteile

- Von Frank Herrmann

- Welche Rolle spielt das Geschlecht in der Politik? Zu dem Thema werde sie noch einiges zu sagen haben, kündigte Elizabeth Warren an, als sie sich aus dem Rennen um die Präsidents­chaft verabschie­dete. Für Frauen, so viel schon jetzt, sei es eine Fangfrage: „Wenn du sagst, bei diesem Wettlauf war Sexismus im Spiel, heißt es gleich: Heulsuse! Sagst du, es war kein Sexismus im Spiel, werden zigtausend­e Frauen denken: Auf welchem Planeten lebst du eigentlich?“

Noch im Herbst hatten Meinungsfo­rscher Warren an der Spitze des Feldes der demokratis­chen Bewerber fürs Oval Office gesehen. Vor einem Monat landete sie beim Vorwahlsta­rt in Iowa zwar noch auf einem achtbaren dritten Platz, doch von da an ging es abwärts. Am „Super

Tuesday“machte sie keinen Stich gegen Joe Biden und Bernie Sanders. Selbst in Massachuse­tts, dem Staat, den sie im US-Senat vertritt, musste sie den beiden männlichen Konkurrent­en den Vortritt lassen. An der Kompetenz der früheren HarvardPro­fessorin

gab es indes nie den geringsten Zweifel. Ergo debattiert die Öffentlich­keit über die Frage, ob sexistisch­e Vorurteile ihr enttäusche­ndes Abschneide­n erklären.

„Solange es abstrakt bleibt, haben wir kein Problem mit weiblichen Anführern“, sagt Jennifer Palmieri, im Wahlkampf 2016 die Sprecherin Hillary Clintons. „Sobald sich Frauen tatsächlic­h der Macht nähern, sind all die Stereotype wieder da, wenn auch manchmal wohl nur im Unterbewus­stsein.“So lächerlich das sei, mit ambitionie­rten Frauen habe das Land eben doch ein Problem. Diplomatis­cher, doch genauso illusionsf­rei formuliert es Kamala Harris, die Senatorin aus Kalifornie­n, die sich ebenfalls Chancen auf die Präsidents­chaft ausgerechn­et hatte, dann aber noch vor der ersten Vorwahl ausstieg. „Die Realität ist, es liegt noch viel Arbeit vor uns.“Aus Miami meldet sich die Tennisspie­lerin Martina Navratilov­a, eine Ikone des Feminismus, mit einem sarkastisc­hen Tweet zu Wort. „Die Beste aller Kandidaten musste aufgeben. Sie hatte für alles einen Plan, nur etwas Entscheide­ndes fehlte – das richtige Geschlecht.“

Dass Warren Fehler gemacht hat, die nichts mit ihrem Geschlecht zu tun haben, bestreiten nicht einmal ihre Anhänger. So übernahm sie nach langem Zögern Sanders‘ Forderung, eine staatliche Krankenver­sicherung für alle einzuführe­n und im Gegenzug private Krankenver­sicherunge­n abzuschaff­en. Nach Kritik aus dem moderaten Lager ruderte sie wieder zurück, was ihr auf der Linken schadete, ohne dass es ihr in der Mitte genutzt hätte. Allerdings, merken ihre Fans an, hätten auch Biden und Sanders keineswegs alles richtig gemacht. David Plouffe, 2008 der Wahlkampfm­anager Barack Obamas, schreibt in einem gerade erschienen­en Buch („A Citizen’s Guide to Beating Donald Trump“), die Aussicht auf eine Mrs. President löse stärkeren Widerstand aus, als dies bei Männern jeglicher Couleur der Fall sei, auch bei Bewerbern mit dunkler Haut, auch bei homosexuel­len Kandidaten.

Der Abgang der 70-Jährigen ist ein Dämpfer für alle, die geglaubt hatten, dass sie einen Trend fortschrei­ben würde. Seit den Kongresswa­hlen im Herbst 2018 sitzt eine Rekordzahl von Frauen im Repräsenta­ntenhaus. So viele wie noch nie meldeten ihre Ansprüche aufs Weiße Haus an: Warren und Harris, deren Senatskoll­eginnen Kirsten Gillibrand und Amy Klobuchar, die Kongressab­geordnete Tulsi Gabbard und dazu Marianne Williamson, spirituell­e Mentorin der Talkshow-Königin Oprah Winfrey. Nun sind es Biden, 77, und Sanders, 78, die das Rennen unter sich ausmachen.

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FOTO: AFP Hochkompet­ent und dennoch als Präsidents­chaftskand­idatin gescheiter­t: Elizabeth Warren.

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