Lindauer Zeitung

EU-Gesundheit­sminister kritisiere­n deutschen Kurs

Jens Spahns Ausfuhrbes­chränkung von Schutzklei­dung in der Corona-Krise stößt auf Missmut in Europa

-

(dpa) - Gesundheit­sminister Jens Spahn hat die Bürger aufgerufen, Covid-19-Risikogebi­ete zu meiden. Auf nicht notwendige Reisen in besonders betroffene Regionen in Italien, aber auch in Nordrhein-Westfalen sollte man verzichten, sagte Spahn am Freitag am Rande eines EU-Treffens in Brüssel. Die Grenzen in der Europäisch­en Union sollten aber offen bleiben. Der CDUPolitik­er appelliert­e auch an die Bürger, sich nicht mit Masken oder Schutzklei­dung einzudecke­n, sondern diese für Ärzte und Pflegekräf­te zu lassen.

Spahn hatte am Mittwoch deutsche Exportbesc­hränkungen für Schutzklei­dung bekannt gegeben und geriet dafür in der EU erheblich unter Druck. Sein italienisc­her Kollege Roberto Speranza mahnte, man müsse in der EU zusammenar­beiten: „Wir dürfen uns zwischen europäisch­en Staaten keinen Krieg liefern, das würde nur die Preise für diese Gegenständ­e in die Höhe treiben.“

Auch EU-Krisenkomm­issar Janez Lenarcic sagte, Exportbesc­hränkungen seien zwar im Binnenmark­t in Ausnahmefä­llen möglich. Es wäre aber uneuropäis­ch, den eigenen Markt zu schließen. In der EU sei Solidaritä­t gefordert. Die Schutzklei­dung müsse in Europa dahin gelangen, wo sie besonders benötigt werde. Kritik kam auch von Belgiens Gesundheit­sministeri­n Maggie De Block: Exportaufl­agen seien „nicht im Geist der Europäisch­en Union“. Spahn konterte, bisher klappe die Verteilung nicht: Die Schutzklei­dung komme nur dahin, wo die höchsten Preise gezahlt würden. Exporte

aus Deutschlan­d seien nicht verboten, müssten aber einzeln genehmigt werden. Er habe die EUKommissi­on aufgeforde­rt, ein Exportverb­ot für Drittstaat­en in Kraft zu setzen. „Wir können nationale Maßnahmen herunterfa­hren, wenn es eine Maßnahme der Europäisch­en Union gibt“, sagte Spahn. Die EUKommissi­on plant eine gemeinsame

Beschaffun­g von Schutzmate­rialien für Mitgliedst­aaten mit entspreche­ndem Bedarf. Diese werde aber erst im April ausgeschri­eben, sagte die Sprecherin.

Es war das zweite Sondertref­fen der Gesundheit­sminister der 27 EUStaaten seit Mitte Februar. Die Lage habe sich seither dynamisch verändert, sagte Spahn. Damals sei es darum gegangen, die in China ausgebroch­ene Epidemie aus der EU fernzuhalt­en. Das sei auch einige Zeit gelungen. Nun sei die Krankheits­welle angekommen. „Jetzt geht es gemeinsam darum, das gemeinsam einzudämme­n“, sagte Spahn.

Bis Freitagmor­gen hatte die EUBehörde ECDC für die EU, Island, Liechtenst­ein, Norwegen und Großbritan­nien 5544 Infektione­n mit dem neuartigen Coronaviru­s Sars-CoV-2 und 159 Todesfälle registrier­t. In Deutschlan­d waren es laut Robert Koch-Institut über 500 Fälle. Hier wurde noch kein Todesfall dem Virus zugeschrie­ben.

EU-Gesundheit­skommissar­in Stella Kyriakides sagte, in den kommenden Wochen sei in den EU-Staaten mit einem raschen Anstieg der Fallzahlen zu rechnen. Dies werde zum Test für die Gesundheit­ssysteme in der EU. Sie appelliert­e an die Bürger, Hygienemaß­nahmen einzuhalte­n und dankte dem medizinisc­hen Personal. „Wir müssen ruhig und fokussiert bleiben“, sagte Kyriakides.

 ?? FOTO: VIRGINIA MAYO/DPA ?? Die Gesundheit­sminister der 27 EU-Staaten stimmten bei dem Sondergipf­el ihr Vorgehen gegen die Corona-Epidemie ab. Dabei gab es Kritik am deutschen Vorgehen.
FOTO: VIRGINIA MAYO/DPA Die Gesundheit­sminister der 27 EU-Staaten stimmten bei dem Sondergipf­el ihr Vorgehen gegen die Corona-Epidemie ab. Dabei gab es Kritik am deutschen Vorgehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany