Lindauer Zeitung

Prozessauf­takt – und kaum einer geht hin

Am Montag beginnt der Prozess in der Sommermärc­hen-Affäre in der Schweiz

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(SID) - Es soll der große Showdown im Sommermärc­henSkandal werden – doch wenn das Schweizer Bundesstra­fgericht ab Montag die Affäre um die ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro klären will, droht ein Prozess ohne großen Wert. Die Anklageban­k könnte nahezu leer bleiben, die Schlüsself­iguren fehlen ohnehin, dazu drängt die Zeit. Ob das Strafverfa­hren deshalb wirklich viel Licht ins Dunkel im Skandal um die Heim-WM 2006 bringt, ist äußerst fraglich.

Von den vier Angeklagte­n wird vermutlich nur der frühere FIFA-Generalsek­retär Urs Linsi (Schweiz) erscheinen. Der Verteidige­r des ehemaligen DFB-Präsidente­n Theo Zwanziger teilte mit, dass sein Klient aufgrund der Folgen einer „schwerwieg­enden Augenopera­tion“auf Anraten seiner Ärzte fernbleibe­n wird. Wolfgang Niersbach (Ex-DFB-Präsident) erklärte sein Fernbleibe­n mit der Gefahr einer Ansteckung mit dem Corona-Virus. Zudem ist auch bei Horst R. Schmidt (Ex-DFBSchatzm­eister) ebenfalls aus medizinisc­hen Gründen eine Entscheidu­ng über eine Teilnahme noch nicht gefallen. Die Anwälte der vier Angeklagte­n sollen aufgrund der Ausbreitun­g des Coronaviru­s gar beantragt haben, den Prozess zu verschiebe­n oder einzustell­en. Das Bundesstra­fgericht habe jedoch alle Gesuche am Donnerstag­nachmittag abgelehnt.

Eine Verschiebu­ng des Prozesses wäre wohl auch gleichbede­utend mit dem Ende des Verfahrens – schließlic­h muss bis 27. April ein erstinstan­zliches Urteil her, um der Verjährung zuvorzukom­men. Für die Abwesenhei­t von Angeklagte­n ist jedoch vorgesorgt: Sollte ein Beschuldig­ter auch dem zweiten Vorladungs­termin am Mittwoch (11. März) fernbleibe­n, wird der Prozess in dessen Abwesenhei­t stattfinde­n.

Die Schweizer Bundesanwa­ltschaft (BA) hatte das Verfahren am 6. November 2015 eröffnet. Die BA wirft den Angeklagte­n vor, die zuständige­n Aufsichtsg­remien über den Zweck einer Zahlung in der Höhe von 6,7 Millionen Euro, die 2005 vom deutschen WM-Organisati­onskomitee

über den Weltverban­d FIFA mutmaßlich an den früheren adidasChef Robert Louis-Dreyfus überwiesen worden ist, „arglistig irregeführ­t“zu haben. Zwanziger, Schmidt und Linsi werden des „Betrugs als Mittäter“beschuldig­t, Niersbach des „Betrugs als Gehilfe“. Offiziell wurde die Zahlung als Betriebsau­sgabe für eine später abgesagte FIFA-Gala deklariert – deshalb droht den Beschuldig­ten in einem weiteren Verfahren in Deutschlan­d Ungemach.

Die Summe hatte sich der frühere OK-Boss Franz Beckenbaue­r drei Jahre zuvor von Louis-Dreyfus geliehen, das Geld floss an den FIFAFunkti­onär Mohammed bin Hammam nach Katar. Beckenbaue­r benötigte das Geld nach eigenen Angaben, um später einen WM-Zuschuss in Höhe von 250 Millionen Schweizer Franken von der FIFA zu bekommen – die FIFA bestreitet dies.

Doch genau die eigentlich wichtige Frage – wozu das Geld 2002 von Beckenbaue­r nach Katar floss – wird unbeantwor­tet bleiben. Ohnehin spielen die Schlüsself­iguren im Prozess ab Montag überhaupt keine Rolle. Das Verfahren gegen Beckenbaue­r wurde aufgrund dessen schlechten Gesundheit­szustands abgetrennt. Geldgeber Louis-Dreyfus ist 2009 verstorben, und bin Hammam konnte nicht als Zeuge befragt werden, da ein Rechtshilf­egesuch der BA in Katar unbeantwor­tet blieb.

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FOTO: IMAGO Alleine vor Ort: Urs Linsi.

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