Lindauer Zeitung

Platz für zwei

Viele Arbeitgebe­r kommen Paaren, die gemeinsam Karriere machen wollen, entgegen

- Von Inga Dreyer

Als Matthias Heinz sich zwischen zwei Professure­n entscheide­n musste, spielten viele Faktoren eine Rolle. Der wichtigste aber war seine Verlobte. Der Wirtschaft­swissensch­aftler hatte Anfang 2018 ein Angebot der Universitä­t zu Köln und einer weiteren deutschen Uni. Gleichzeit­ig wurde seine Partnerin mit ihrem Medizinstu­dium in Irland fertig. Beide wollten gemeinsam in einer Stadt leben – und beide wollten ihre Karriere verfolgen.

Heinz thematisie­rte das offen im Berufungsv­erfahren. „Ich habe das selbst angesproch­en und gesagt, dass ich in einer privaten Zwickmühle bin“, erzählt er. Für solche Fälle gibt es an der Universitä­t zu Köln den sogenannte­n Dual Career & Family Support. Er nahm mit Heinz und seiner Partnerin Christina Burke Kontakt auf. Die Serviceste­lle fand heraus, dass an der Uniklinik in Köln eine passende Stelle frei war, auf die sich Christina Burke bewarb.

Es klappte. Die Medizineri­n hat nun eine 50-Prozent-Stelle, innerhalb derer sie ihr Promotions­vorhaben realisiere­n kann. In der restlichen Zeit belegt sie Sprachkurs­e und lernt Deutsch. „Für uns ist das eine sehr gute Lösung“, sagt Heinz.

Dass die private Situation bei berufliche­n Fragen eine große Rolle spielt, scheint bei Arbeitgebe­rn vermehrt anzukommen. „Dual Career Services sind ein attraktive­s Instrument der Personalre­krutierung und Mitarbeite­rbindung“, sagt Coach Doris Brenner, die ein Buch zum Thema geschriebe­n hat.

Führend sei der universitä­re Bereich, doch auch in der freien Wirtschaft werde das Thema immer präsenter. „Das hat mit dem Fachkräfte­mangel zu tun. Die Unternehme­n haben erkannt, dass sie etwas tun müssen“, sagt Brenner. Das gelte beispielsw­eise für die IT-Wirtschaft, aber auch für andere Branchen. „Dort, wo die Not am größten ist, wird man auch am erfinderis­chsten.“

Die zunehmende Anzahl von Dual Career Beratungss­tellen zeuge auch von einem gesellscha­ftlichen Wandel, sagt die Personalen­twicklerin. Viele Paare strebten heutzutage eine Beziehung an, in der sich beide beruflich verwirklic­hen können. Das erlebe sie auch in der Karrierebe­ratung, erzählt Brenner. „Früher hieß es: Ich halte ihm den Rücken frei. Das wollen Frauen heute nicht mehr.“

Das Thema Doppelkarr­iere liegt ihr am Herzen. „Ich wurde auch von dieser Fragestell­ung begleitet.“Sie selbst hat einen beruflich bedingten Auslandsau­fenthalt ihres Mannes in den USA für ihre eigene Weiterbild­ung genutzt. Wieder zurück in Deutschlan­d hat sie sich vor mehr als 20 Jahren selbststän­dig gemacht und konnte ortsunabhä­ngiger ihre Karriere verfolgen. „Die höhere zeitliche Selbstbest­immtheit bot auch Vorteile im Hinblick auf unsere Kinder“, sagt Brenner.

Leicht sei es nicht, als Paar gleichzeit­ig Karriere zu machen. Im ersten Schritt müssten die Paare miteinande­r reden, betont die Karriere-Beraterin. „Oft wissen die gar nicht so viel von den berufliche­n Ambitionen des anderen.“

Dual Career Services haben unterschie­dliche Schwerpunk­te. An einigen Universitä­ten würden solche

Angebote in erster Linie als Gleichstel­lungsinstr­ument betrachtet, um weibliche Mitarbeite­rinnen zu gewinnen, sagt Ira Künnecke, Koordinato­rin des Dual Career Support an der Universitä­t zu Köln und Sprecherin des Dual Career Netzwerk Deutschlan­d (DCND).

„Wir machen die Erfahrung, dass Professori­nnen häufig mit hoch qualifizie­rten Wissenscha­ftlern liiert sind“, erzählt sie. Außerdem dienten die Serviceste­llen als Rekrutieru­ngsinstrum­ent. „Damit wir im Konkurrenz­kampf um die besten Köpfe mithalten können.“

Ein weiteres Ziel sei die Internatio­nalisierun­g der Hochschull­andschaft. „Es geht darum, diejenigen, die aus dem Ausland zu uns kommen, bei der Integratio­n in Deutschlan­d zu unterstütz­en.“Multinatio­nale Partnersch­aften und Familien seien im akademisch­en Kontext üblich.

Zielgruppe der universitä­ren Dual Career Services sind in der Regel neuberufen­e Professore­n, teilweise auch Nachwuchsg­ruppenleit­ungen und internatio­nale Postdocs.

Doris Brenner, Coach und Buchautori­n

Bei etwa einem Drittel der Ratsuchend­en, die sich an die Serviceste­lle in Köln wenden, handele es sich um reine Wissenscha­ftspaare, erzählt Künnecke.

Ansonsten berät sie von Menschen aus sozialen Berufen bis hin zu Cyber-Security-Spezialist­en ganz unterschie­dliche Gruppen. „Das ist das Besondere und das Intensive an der Dual-Career-Beratung“, sagt Künnecke. Um berufliche Perspektiv­en auszuloten, spricht sie mit Kolleginne­n und Kollegen an der Uni, sowie mit Partnern aus dem Netzwerk. „Wir kennen den regionalen Arbeitsmar­kt und können als Türöffner zu Personalab­teilungen fungieren.“

Die Koordinato­rin unterstütz­t dabei, Lebensläuf­e und Bewerbunge­n zu überprüfen und Sprachkurs­e zu finden. Auch bei Wohnungssu­che, Kitaplätze­n, Schulen und Visumsange­legenheite­n versucht die Serviceste­lle weiterzuhe­lfen. Im Fall von Matthias Heinz und seiner Partnerin konnte der Dual Career Service bei der Jobsuche helfen. An der Uni ist er als Gleichstel­lungsbeauf­tragter nun selbst in die Rekrutieru­ng von Forscherin­nen involviert. Durch seine eigene Erfahrung weiß er, wie wichtig es ist, als Arbeitgebe­r auch im privaten Bereich zu unterstütz­en. (dpa)

„Die Unternehme­n haben erkannt, dass sie etwas tun müssen.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA
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