Fataler Fang
Mit enormen Folgen werden jährlich acht bis 14 Millionen Tonnen Fisch widerrechtlich aus dem Meer geholt
Weil sie ihre Fänge nicht in den Ländern anlanden und registrieren lassen, in deren Gewässern sie ihre Netze auswerfen, operieren viele industrielle FischereiFangflotten ähnlich wie die international organisierte Kriminalität. Diese Aussage treffen Rashid Sumaila und Daniel Pauly von der University of British Columbia in Vancouver an der kanadischen Pazifikküste und ihre Kollegen in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Science Advances. Zusammen mit illegaler Fischerei und nicht regulierten Fängen zum Beispiel von Einheimischen werden so weltweit jährlich 7,7 bis 14 Millionen Tonnen Fisch ohne Wissen der zuständigen Behörden aus dem Meer geholt, schätzen die Forscher. „Diese Menge kommt zu den rund 90 Millionen Tonnen legaler und berichteter Fänge im Jahr dazu“, ordnet die Fischereiexpertin Catherine Zucco von der Naturschutzorganisation WWF in Hamburg diese Schätzung ein.
Die Forscher in Kanada schätzen die an den Behörden vorbei gefangenen Fischmengen mit Hilfe eines Vergleichs mit illegalem Holzeinschlag, der viel besser als das Geschehen auf den Ozeanen dokumentiert ist. Da sich Fänge auf dem Meer leichter transportieren und besser verbergen lassen als Holz im Wald und die Forscher ohnehin sehr vorsichtig geschätzt haben, könnten die tatsächlichen Werte auch deutlich höher ausfallen, vermuten Pauly und sein Team.
Insgesamt werden mit diesen illegalen und nicht registrierten Fängen jährlich 8,9 bis 17,2 Milliarden USDollar verdient, schätzen die Forscher weiter. Die tatsächlichen Verluste liegen für die auf dem Boden der Gesetze und Regelungen wirtschaftenden Fischer mit 26 bis 50 Milliarden US-Dollar im Jahr allerdings weit höher als diese in einer Schattenwirtschaft erzielten Gewinne. Zusätzlich gehen den betroffenen Staaten dadurch jährlich 2,2 bis 4,3 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen verloren. Allein die Länder Afrikas büßen so jedes Jahr zwischen 7,6 und 13,9 Milliarden US-Dollar an wirtschaftlicher Leistung ein, berichten Daniel Pauly und seine Kollegen. Ein großer Teil davon wird von industrieller Fischerei verursacht, die meist aus dem Ausland kommt.
Für Asien liegen diese Zahlen mit 10,3 bis 20,3 Milliarden Dollar Verlust im Jahr sogar noch höher. An dritter Stelle folgt Südamerika mit zwischen einer und 2,3 Milliarden Euro. Zusammen verzeichnen Asien, Afrika und Südamerika daher 85 Prozent dieser weltweiten Einbußen durch illegale und nicht registrierte Fänge.
Wie aber funktioniert diese Fischerei, die den Augen der Behörden entgeht? „In der Europäischen Union gibt es zum Beispiel das AnlandeGebot, nach dem ins Netz gegangene Arten, für die es Fangquoten gibt, nicht zurück ins Meer geworfen werden dürfen, sondern an Land gebracht und den Fängen des Fischers angerechnet werden müssen“, erklärt WWF-Expertin Catherine Zucco. Diese Regelung ist sehr wichtig, weil auch zu kleine Fische und andere als die gewünschten Arten gefangen werden. Wirft der Fischer diese Tiere, für die er vielleicht keine Fangquote hat, ins Meer zurück, sind sie oft bereits tot oder überleben nicht lange.
Diese Beifänge dezimieren den Bestand also ähnlich wie der eigentlich gewünschte Dorsch oder Hering. Daher müssen auch sie in den allermeisten Fällen an Land gebracht werden, verlangen die Regeln der EU. Weil diese Vorschrift aber kaum überwacht wird, werden wohl trotzdem viele Beifänge über Bord geworfen. „Dabei könnten Überwachungskameras an Bord und Sensoren an den Netzen solche Praktiken verhindern“, erklärt Zucco. Nur sind solche wirksamen Maßnahmen in den meisten Ländern einschließlich Deutschlands nicht vorgeschrieben.
Solche außerhalb der Gesetze getätigten Fänge kommen zu den legalen hinzu. Werden Fangquoten festgelegt, fehlen diese nicht registrierten Fänge und die Fischbestände im Meer können deutlich überschätzt werden. Dadurch steigt das Risiko eines Zusammenbrechens oder einer starken Verringerung der Bestände. Die korrekten Fischer fangen dann weniger als erhofft, ihre Gewinne schrumpfen und Arbeitslosigkeit droht. Insgesamt bereichern sich so einige wenige auf Kosten der Allgemeinheit,
fassen Pauly und die beteiligten Wissenschaftler diese Verhaltensweisen zusammen.
Diesen illegalen Aktivitäten kommen der WWF und andere Naturschützer zum Beispiel mit Satellitendaten auf die Schliche, die das „Automatische Identifizierungssystem“AIS auswerten. Diese Minicomputer funken Name, Größe und Position des Schiffes, um Kollisionen zwischen Schiffen besser zu vermeiden. Diese Daten werden auch von einer Satellitenflotte im Weltraum ausgewertet, die so einen Überblick über die Aktivitäten der Schiffe auf den Meeren bietet. Da ein Schiff beim Fang von Thunfischen völlig andere
Manöver als beim Fang von Kabeljau oder Heringen mit Schwimmschleppnetz fährt, können die Naturschützer so zum Beispiel auf die Art des Fanges schließen. „Damit aber erreichen wir erheblich mehr Transparenz auf hoher See“, sagt WWF-Fischerei-Expertin Zucco.
Mit dieser Methode sehen die Naturschützer auch, ob die Fangschiffe ihre Ladung auf hoher See in Kühloder Fabrikschiffe umladen. 35 solcher Schiffe waren 2013 vor den Gewässern Westafrikas unterwegs, berichten Pauly und seine Projektgruppe. Viele von ihnen fuhren unter der Flagge von Staaten wie Belize, die es mit der Kontrolle ihrer Schiffe nicht so genau nehmen. Statt ihre Fänge aus der Wirtschaftszone eines Landes dort anzulanden und zu registrieren, fahren diese Fabrikschiffe häufig direkt zu ihren Zielhäfen.
Viele der so geprellten Länder wie Mozambique, Nigeria oder Somalia aber haben kaum Möglichkeiten die Fischerei zu überwachen und verlieren so wichtige Steuereinnahmen. Um das zu ändern, unterstützen der WWF und andere Naturschutzorganisationen inzwischen die 16 Länder, die sich in der „South African Development Community“SADC zusammengeschlossen haben, beim Aufbau eigener Überwachungsmöglichkeiten für die afrikanischen Hoheitsgewässer. „Langfristig hoffen wir so, die illegale Fischerei einzudämmen“, ist Catherine Zucco überzeugt.
’’ Dabei könnten Überwachungskameras an Bord und Sensoren an den Netzen solche Praktiken verhindern.
Catherine Zucco vom WWF über wirksame Maßnahmen gegen Beifang