Experten fürchten weltweite Rezession
Regierung beschließt Notfallpaket für Wirtschaft – Zwei Corona-Todesfälle in Deutschland
(dpa/AFP/lk) - Die Folgen der Corona-Epidemie sowie die Gefahr eines Ölpreiskrieges belasten die Wirtschafts- und Finanzmärkte massiv. So erlebten die deutschen Aktienmärkte einen schwarzen Montag. Nach panikartigen Verkäufen sackten die Kurse unmittelbar nach Handelsstart ab. In wenigen Minuten verlor der Dax fast 1000 Punkte und schloss am Ende mit einem Minus von 7,94 Prozent. Auch der US-Aktienmarkt brach am Montag ein, nach massiven Verkäufen unterbrach die Wall Street den Handel für 15 Minuten. Im Ölhandel kamen zu den Belastungen durch das Coronavirus die gescheiterten Verhandlungen führender Förderländer: Die Preise gaben zwischenzeitlich um ein Drittel nach. Ökonomen blicken den kommenden Monaten skeptisch entgegen. „Die Gefahr einer Rezession in Deutschland ist sehr hoch“, sagte Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg, der „Schwäbischen Zeitung“.
Um dem Abschwung entgegenzuwirken, hat der Koalitionsausschuss ein Notfallpaket zum Schutz der Wirtschaft beschlossen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht Deutschland
damit gegen die Folgen des Coronavirus gut gerüstet. Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld, eine der zentralen Maßnahmen, seien bereits in der Finanzkrise erfolgreich gewesen, sagte Merkel in Berlin.
Die Auszahlung von Kurzarbeitergeld soll erleichtert und länger ermöglicht werden. Bei dieser Leistung übernimmt die Bundesagentur für Arbeit 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns, wenn ein Unternehmen Mitarbeiter in Kurzarbeit schickt. Kündigungen sollen so vermieden werden können. Laut Beschluss sollen auch die Sozialbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden den Arbeitgebern voll erstattet werden.
In Deutschland sind unterdessen erstmals zwei Menschen nach Erkrankungen mit dem neuen Coronavirus gestorben. Das erste Todesopfer stammt aus dem Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen. Das zweite Opfer ist eine 89-jährige Frau aus Essen. Sie sei am Montagmittag in Folge der Coronavirus-Infektion gestorben.
Die bayerische Staatsregierung gab am Montagabend bekannt, alle Veranstaltungen mit mehr als 1000 Gästen zunächst bis Karfreitag zu untersagen.
- Über sieben Stunden hat der Koalitionsausschuss von Union und SPD getagt, bis in den frühen Montagmorgen hinein. Das lag nicht nur an den Bemühungen, die Folgen der Corona-Epidemie für die Unternehmen und Arbeitsplätze in Grenzen zu halten. „Durch die Corona-Krise soll möglichst kein Unternehmen in Deutschland in Insolvenz geraten, möglichst kein Arbeitsplatz verloren gehen“, hat sich die Koalition auf die Fahnen geschrieben. Die Tagesordnung umfasste auch jede Menge anderer Punkte, von der Unterstützung für Griechenland über die Investitionsoffensive und bis zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die wichtigsten Beschlüsse im Überblick:
Welche Erleichterungen sind bei Kurzarbeit geplant?
In der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 konnte dieses Mittel die Entlassung vieler Beschäftigter verhindern, obwohl die Arbeit fehlte. Das dient in der jetzigen Corona-Krise als Vorbild. Voraussetzung für Kurzarbeitergeld ist nicht mehr, dass mindestens ein Drittel der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen ist, sondern lediglich zehn Prozent. Die Mitarbeiter müssen auf ihren Arbeitszeitkonten auch nicht zunächst negative Salden aufbauen. Auch Leiharbeiter sollen Kurzarbeitergeld bekommen. Zudem übernimmt die Bundesagentur für Arbeit auch den Arbeitgeberanteil an den Beiträgen zur Sozialversicherung, was für diesen eine ganz erhebliche Erleichterung ist.
Das Kurzarbeitergeld muss der Betrieb bei der örtlichen Arbeitsagentur beantragen. Es beträgt 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns. Bei Arbeitnehmern mit mindestens einem Kind sind es 67 Prozent. Die Erleichterungen, die zunächst bis Ende 2020 befristet werden, müssen erst noch beschlossen werden: Das Bundeskabinett soll den Gesetzentwurf am Mittwoch auf den Weg bringen, er soll in der ersten Aprilhälfte in Kraft treten. Schneller wird es möglich sein, die Bezugszeit von Kurzarbeitergeld auf 24 Monate zu verdoppeln: Das kann Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) per Rechtsverordnung festlegen. Davon ist allerdings in den Beschlüssen der Koalition nicht die Rede.
Wie können Liquiditätshilfen aussehen?
Unternehmen, denen kurzfristig viele Aufträge wegbrechen, drohen schnell massive Finanzprobleme bis hin zur Pleite. Bestes Beispiel sind Messebauer, die wegen der Absage großer Messen viele Aufträge verlieren, sowie Hotels und Restaurants. Ihnen will die Bundesregierung „schnell und passgenau“helfen. Details sollen in einem Gespräch mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft und den
Gewerkschaften „in Kürze“besprochen werden. Michael Grömling vom unternehmernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) wundert sich, dass dies nicht konkreter ausgeführt wurde. „Das brennt den Firmen unter den Nägeln“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“. Dabei gibt es zahlreiche Förderprogramme der Staatsbank KfW und der Förderbanken der Länder, wenn kleine und mittlere Betriebe kurzfristigen Geldbedarf haben, ob Neugründungen oder alteingesessene Betriebe. Dabei handelt es sich um zinsgünstige Kredite, die immer über die Hausbank beantragt werden müssen; diese schaltet dann die KfW ein. Die in Frankfurt ansässige Staatsbank kann aufgrund der kurzen Zeit der Corona-Krise bisher noch nicht sagen, ob sich die Nachfrage erhöht hat. In aller Regel werde es Kredite geben, weil durch Corona die Geschäftsmodelle nicht hinfällig werden, sagt Grömling: „Es wird auch wieder mehr Aufträge geben.“ Er fordert zudem leichtere Stundungen von Steuervorauszahlungen.
Warum gibt es keine Steuersenkungen?
Die SPD konnte sich mit ihrer Forderung, den Abbau des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Zahler um ein halbes Jahr auf den 1. Juli 2020 vorzuziehen, nicht durchsetzen. „In der jetzigen Situation mit der unklaren Entwicklung der Coronavirus-Krise haben wir keinen Spielraum für finanzielle Experimente“, begründete CSU-Chef Markus Söder. Auch CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, im Bundeshaushalt sollten Spielräume bleiben. Dagegen hielt Finanzminister Olaf Scholz (SPD) der Union vor, sich in der Debatte auf die Seite der Gutverdiener zu stellen, weil sie den Soli ganz abbauen wolle. Beschlossen wurden dagegen Erleichterungen für Unternehmen: Sie können digitale Wirtschaftsgüter schneller abschreiben. Personengesellschaften sollen die Möglichkeit erhalten, die günstigeren steuerlichen Regeln für Kapitalgesellschaften zu nutzen. Zudem soll die Gewerbesteuer stärker auf die Einkommensteuer angerechnet werden.
Was ist an zusätzlichen Investitionen geplant?
Von 2021 bis 2024 will der Bund seine Investitionen um 3,1 Milliarden Euro im Jahr erhöhen. Zwei Drittel der zusätzlichen Summe sollen in Verkehrswege investiert werden. Für den sozialen Wohnungsbau sollen die Länder jährlich eine Milliarde Euro erhalten. Weitere Mittel sind für den Städtebau und die Digitalstrategie vorgesehen. Um diese Investitionen rascher umsetzen zu können, sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Dafür soll die Bundesregierung bis Juli einen Gesetzentwurf vorlegen, der bis zum Herbst beschlossen wird.