Über 200 Demonstranten für Pressefreiheit
Anlass ist eine Kundgebung der Lindauer AfD vor dem Alten Rathaus
- Schon während die Anhänger der AfD ihren Stand vor dem Alten Rathaus aufbauen, positionieren sich die ersten Gegendemonstranten vor der Redaktion der Lindauer Zeitung. Rainer Rothfuß, Vorsitzender des Lindauer Ortsverbands der AfD, hatte zur Kundgebung „Gegen linke Hetze und Plakatzerstörer – Für faire Medien und echte Demokratie“geladen. Am Ende werden seinen rund 30 Anhängern am Montagabend mehr als 200 Demonstranten gegenüberstehen.
Die Medien hätten „für eine echte Demokratie“eine zentrale Funktion, beginnt Rainer Rothfuß seine Rede. Dazu gehöre, dass die Presse auch über Probleme berichte, „die vielleicht nicht so politisch genehm sind“oder „die der Regierung, den Verantwortlichen nicht so ins Konzept passen“.
Aus Sicht der AfD und ihren Sympathisanten kommt die Presse dieser Funktion nicht nach. „Wir werden kommen weil es schon lange keine Pressefreiheit mehr gibt. Alle von der Regierung Indoktriert, es darf nur geschrieben werden was sie vorschreiben. Nur das sollen wir wissen“, kommentiert eine Bekannte von Rothfuß kurz vor der Veranstaltung auf Facebook (Fehler im Original).
Zumindest der Lindauer Zeitung gesteht Rothfuß während seiner Kundgebung zu, bisweilen neutral zu berichten. Als Beispiel führt er einen Text über den Bahnhof Reutin an. Trotzdem fragt er: „Sind die Medien nicht frei genug?“
Nur wenige hundert Meter weiter beginnt auch Uli Epple mit seiner Rede. Der Wasserburger Gemeinderat hat die Gegendemonstration angemeldet, weil er es wichtig findet, für die Pressefreiheit einzustehen. „Wir sind hier zwischen dem Gebäude der Lokalzeitung und der AfD und stehen damit genau richtig“, sagt Epple.
Drohungen, wie sie Mitglieder der AfD zuletzt unter anderem gegen LZLokalchef Dirk Augustin ausgesprochen haben, seien absolut inakzeptabel. „Finger weg von der Pressefreiheit“, ruft Epple den rund 200 Demonstranten zu und meint damit eigentlich die Anhänger der AfD hundert Meter entfernt.
Dort beschäftigt sich Rothfuß allerdings schon gar nicht mehr mit der Presse. Um ihn herum liegen Dutzende zerstörte Wahlplakate. „Warum diese Kulisse der Zerstörung?“, fragt er. Seit zwei Wochen würden seine Wahlplakate abgehängt und kaputt gemacht. Die Grünen platzieren seit einiger Zeit außerdem kleine Banner mit „Hass ist keine Alternative“über den Plakaten der AfD – ein Verstoß gegen die Plakatverordnung der Stadt, wie Rothfuß moniert. Er habe deswegen Strafanzeige gestellt.
Während er spricht, wird es um ihn herum immer lauter. Grüppchenweise kommen die Gegendemonstranten vors Alte Rathaus. Johannes Weißenborn von der Grünen Jugend hat Mitglieder aus Scheidegg und Lindenberg mobilisiert. Sie sind hier, um „die Pressefreiheit als einen der wichtigsten Werte zu verteidigen“und ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Er ist froh, dass sich viele Leute äußern und aktiv an der Demonstration teilnehmen. „Die Breite der Gesellschaft steht hier heute gegen die AfD.“Tatsächlich ist die Demonstration sehr bunt besucht. Teilnehmer jeden Alters sind vertreten. Viele von ihnen haben Plakate mitgebracht. „Die Pressefreiheit gegen AfD verteidigen“und „Wir brauchen keine AfD am See“heißt es da. Man wolle „Keinen Millimeter nach rechts.“Über ein Dutzend Omas gegen Rechts sind ebenfalls vor Ort und halten „Rote Karten für Nazis“hoch. Neben anhaltenden Pfiffen und lauten Buhrufen ertönt es im Chor: „Rothfuß Rainer, den braucht keiner.“
Eine junge Demonstrantin, die sich gegen den Faschismus wehrt, erkennt neben Rothfuß einen AfD-Anhänger von einer anderen Kundgebung wieder. Sie erinnert sich, wie er zu ihr sagte, er spreche nicht mit ihr, weil sie eine Frau sei. Auch heute versucht sie vergeblich, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Rothfuß übergibt sein Mikrofon an einen Gastredner, Detlev. Er spricht darüber, dass man sich auch woanders auf der Welt genau überlege, welche Art von Migration man wolle. Und nur weil man mehr sei, heiße das nicht, man habe das Recht auf seiner Seite, sagt er in Richtung Gegendemonstranten. Seinen vollen Namen möchte Detlev Gallandt, der Kreisvorsitzende der AfD Bodensee, der LZ auf Nachfrage nicht verraten.
Ebenso wenig wie die Frau, die in Richtung einer Gruppe ganz junger Demonstranten ruft: „Ihr seid eine große Herde Tiere, die einem Leittier folgt. Ihr müsst mal Euer Hirn einschalten.“Ihren Namen verrate sie aus Angst vor ebendieser „Herde“nicht.
Schon während der letzten 20 Minuten seiner Rede ist Rainer Rothfuß nicht mehr zu verstehen. Begleitet von einem Chor aus „Wir sind mehr“sammelt er nach ziemlich genau einer Stunde seine kaputten Plakate wieder ein und geht.