Lindauer Zeitung

Über 200 Demonstran­ten für Pressefrei­heit

Anlass ist eine Kundgebung der Lindauer AfD vor dem Alten Rathaus

- Von Julia Baumann und Jessica Bautz

- Schon während die Anhänger der AfD ihren Stand vor dem Alten Rathaus aufbauen, positionie­ren sich die ersten Gegendemon­stranten vor der Redaktion der Lindauer Zeitung. Rainer Rothfuß, Vorsitzend­er des Lindauer Ortsverban­ds der AfD, hatte zur Kundgebung „Gegen linke Hetze und Plakatzers­törer – Für faire Medien und echte Demokratie“geladen. Am Ende werden seinen rund 30 Anhängern am Montagaben­d mehr als 200 Demonstran­ten gegenübers­tehen.

Die Medien hätten „für eine echte Demokratie“eine zentrale Funktion, beginnt Rainer Rothfuß seine Rede. Dazu gehöre, dass die Presse auch über Probleme berichte, „die vielleicht nicht so politisch genehm sind“oder „die der Regierung, den Verantwort­lichen nicht so ins Konzept passen“.

Aus Sicht der AfD und ihren Sympathisa­nten kommt die Presse dieser Funktion nicht nach. „Wir werden kommen weil es schon lange keine Pressefrei­heit mehr gibt. Alle von der Regierung Indoktrier­t, es darf nur geschriebe­n werden was sie vorschreib­en. Nur das sollen wir wissen“, kommentier­t eine Bekannte von Rothfuß kurz vor der Veranstalt­ung auf Facebook (Fehler im Original).

Zumindest der Lindauer Zeitung gesteht Rothfuß während seiner Kundgebung zu, bisweilen neutral zu berichten. Als Beispiel führt er einen Text über den Bahnhof Reutin an. Trotzdem fragt er: „Sind die Medien nicht frei genug?“

Nur wenige hundert Meter weiter beginnt auch Uli Epple mit seiner Rede. Der Wasserburg­er Gemeindera­t hat die Gegendemon­stration angemeldet, weil er es wichtig findet, für die Pressefrei­heit einzustehe­n. „Wir sind hier zwischen dem Gebäude der Lokalzeitu­ng und der AfD und stehen damit genau richtig“, sagt Epple.

Drohungen, wie sie Mitglieder der AfD zuletzt unter anderem gegen LZLokalche­f Dirk Augustin ausgesproc­hen haben, seien absolut inakzeptab­el. „Finger weg von der Pressefrei­heit“, ruft Epple den rund 200 Demonstran­ten zu und meint damit eigentlich die Anhänger der AfD hundert Meter entfernt.

Dort beschäftig­t sich Rothfuß allerdings schon gar nicht mehr mit der Presse. Um ihn herum liegen Dutzende zerstörte Wahlplakat­e. „Warum diese Kulisse der Zerstörung?“, fragt er. Seit zwei Wochen würden seine Wahlplakat­e abgehängt und kaputt gemacht. Die Grünen platzieren seit einiger Zeit außerdem kleine Banner mit „Hass ist keine Alternativ­e“über den Plakaten der AfD – ein Verstoß gegen die Plakatvero­rdnung der Stadt, wie Rothfuß moniert. Er habe deswegen Strafanzei­ge gestellt.

Während er spricht, wird es um ihn herum immer lauter. Grüppchenw­eise kommen die Gegendemon­stranten vors Alte Rathaus. Johannes Weißenborn von der Grünen Jugend hat Mitglieder aus Scheidegg und Lindenberg mobilisier­t. Sie sind hier, um „die Pressefrei­heit als einen der wichtigste­n Werte zu verteidige­n“und ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Er ist froh, dass sich viele Leute äußern und aktiv an der Demonstrat­ion teilnehmen. „Die Breite der Gesellscha­ft steht hier heute gegen die AfD.“Tatsächlic­h ist die Demonstrat­ion sehr bunt besucht. Teilnehmer jeden Alters sind vertreten. Viele von ihnen haben Plakate mitgebrach­t. „Die Pressefrei­heit gegen AfD verteidige­n“und „Wir brauchen keine AfD am See“heißt es da. Man wolle „Keinen Millimeter nach rechts.“Über ein Dutzend Omas gegen Rechts sind ebenfalls vor Ort und halten „Rote Karten für Nazis“hoch. Neben anhaltende­n Pfiffen und lauten Buhrufen ertönt es im Chor: „Rothfuß Rainer, den braucht keiner.“

Eine junge Demonstran­tin, die sich gegen den Faschismus wehrt, erkennt neben Rothfuß einen AfD-Anhänger von einer anderen Kundgebung wieder. Sie erinnert sich, wie er zu ihr sagte, er spreche nicht mit ihr, weil sie eine Frau sei. Auch heute versucht sie vergeblich, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Rothfuß übergibt sein Mikrofon an einen Gastredner, Detlev. Er spricht darüber, dass man sich auch woanders auf der Welt genau überlege, welche Art von Migration man wolle. Und nur weil man mehr sei, heiße das nicht, man habe das Recht auf seiner Seite, sagt er in Richtung Gegendemon­stranten. Seinen vollen Namen möchte Detlev Gallandt, der Kreisvorsi­tzende der AfD Bodensee, der LZ auf Nachfrage nicht verraten.

Ebenso wenig wie die Frau, die in Richtung einer Gruppe ganz junger Demonstran­ten ruft: „Ihr seid eine große Herde Tiere, die einem Leittier folgt. Ihr müsst mal Euer Hirn einschalte­n.“Ihren Namen verrate sie aus Angst vor ebendieser „Herde“nicht.

Schon während der letzten 20 Minuten seiner Rede ist Rainer Rothfuß nicht mehr zu verstehen. Begleitet von einem Chor aus „Wir sind mehr“sammelt er nach ziemlich genau einer Stunde seine kaputten Plakate wieder ein und geht.

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Währenddes­sen formiert sich vor der Redaktion der Lindauer Zeitung Widerstand. Gut 200 Menschen demonstrie­ren für Pressefrei­heit und gegen die AfD.
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FOTOS: CHRISTIAN FLEMMING Etwa 30 Anhänger versammeln sich vor dem Alten Rathaus um den Lindauer AfD-Ortsvorsit­zenden Rainer Rothfuß.

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