Warum Hamsterkäufe keine Lösung sind
Weshalb manche Menschen panisch reagieren und wie man mit der Angst vor dem Coronavirus umgehen sollte
- Desinfektionsmittel, Handschuhe und Mundschutz-Masken sind in vielen Drogeriemärkten und Apotheken im Oberallgäu ausverkauft. Einkaufswagen werden mit Reis, Nudeln und Dosenkonserven vollgestopft. Grund für die panischen Käufe ist das neue Coronavirus Sars-CoV-2. Wir sprachen mit Dr. Franziska van Hall, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sowie ärztliche Direktorin im Stillachhaus in Oberstdorf, über die Ängste vor dem neuen Virus.
Warum kaufen Menschen auch im Oberallgäu die Regale in Supermärkten leer, horten Desinfektionsmittel und Schutzmasken, obwohl die Gefahr, sich mit dem Coronavirus anzustecken und daran zu sterben, gering ist? Woher kommen diese irrationalen Ängste? Dr. van Hall:
Es gibt bei uns grundsätzlich auch ohne Coronavirus schon eine gewisse Tendenz zu Hamsterkäufen. Dies sieht man sehr gut vor langen Wochenenden, zum Beispiel an Feiertagen, an denen die Supermarktregale oft wie leer gefegt sind. Die mediale Verbreitung von sachlichen und auch unsachlichen Informationen bezüglich des Coronavirus befeuert eine gewisse Grundangst. Hamsterkäufe sind in erster Linie nicht hilfreiche Versuche, diese Angst und Ungewissheit zu kompensieren. Der Mensch tut gefühlt das, was er in einer sonst unsicheren, vermeintlich bedrohlichen Situation konkret umsetzen kann. Dazu gehört unter anderem auch, sich massiv mit Lebensmitteln und Desinfektionsmitteln einzudecken.
Trauen denn Menschen den verantwortlichen Politikern und Medizinern nicht, die versprechen, dass es deutschlandweit Notfallpläne und Intensivstationen bei einer weiteren Ausbreitung und bei einem gefährlichen Verlauf des Virus gibt? Van Hall:
Die sehr unterschiedlichen Statements der Experten im Hinblick darauf, wie gut Deutschland auf eine Epidemie vorbereitet ist, beeinflussen in Kombination mit unseriöser medialer Panikmache das Vertrauen in die Verantwortlichen auf negative Weise.
Welche Rolle spielt die öffentliche Auseinandersetzung in den sozialen Netzwerken? Sind Facebook, Twitter, Instagram und Co der Grund für eine Überbewertung der Bedrohung durch diese Krankheit? Van Hall:
Diese Kanäle sind sicher nicht der alleinige Grund, aber ein sehr relevanter Faktor, schon alleine durch die Allgegenwart der Thematik.
An der Grippe erkranken jedes Jahr mehrere Millionen Menschen weltweit. In Deutschland sterben jährlich Tausende daran. Und dennoch gibt es im Gegensatz zum Coronavirus keine Panik und Hamsterkäufe. Woran liegt das? Van Hall:
Das liegt einerseits an der massiven medialen Berichterstattung über die Corona-Erkrankungsfälle, andererseits an der Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus und einer vermutlich höheren Sterblichkeitsrate im Vergleich zur Grippe, soweit man dies bisher beurteilen kann. Die Menschen befürchten beispielsweise, längere Zeit in Quarantäne verbringen zu müssen oder stellen sich darauf ein, das Haus aus Angst vor Ansteckung nicht mehr verlassen zu können.
Ihr Rat als Psychologin für Menschen, die Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus haben? Van Hall:
Unbedingt Normalität bewahren. Versuchen, das Problem zu verdrängen, bewirkt oft das Gegenteil. Besser ist, sich die Frage zu stellen, wie viel Energie möchte ich auf die Sorgen um das Virus verwenden? Ich sollte stattdessen Dinge tun, die ich auch im Alltag mache. Ich kann mich damit beruhigen, dass der Verlauf der Krankheit in den meisten Fällen glimpflich verläuft. Ferner sollte man sich auf den Internetseiten
von seriösen Medien, Behörden und Gesundheitseinrichtungen informieren.