Die Corona-Angst hat Bayerns Wirtschaft im Griff
Ökonomen hoffen auf zügige Erholung – Metallarbeitgeber sind pessimistischer
- Wird es ein „V“, ein „U“oder gar ein „L“? Wie heftig die Corona-Pandemie die bayerische und deutsche Wirtschaft treffen wird, hängt von der Dauer der Krise ab. Falls das Coronavirus Ende Mai seine Kraft verliert, könnte die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft mit einem blauen Auge davonkommen, sagte der Leiter des Prognosezentrums Stefan Kooths auf einer Veranstaltung des bayerischen Metall-Arbeitgeberverbands vbm am Mittwoch in München. Den Schaden für die deutsche Volkswirtschaft bezifferte Kooths für diesen Fall auf 35 Milliarden Euro. Außerdem gehe man davon aus, dass die Beschäftigung „ziemlich stabil“bleibe, schon weil die Unternehmen so lange wie möglich an mühsam angeworbenen Fachkräften festhalten wollten.
vbm-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt sah die Lage für die Metall- und Elektroindustrie im Freistaat deutlich pessimistischer. Seit sieben Quartalen sinke in der Metallindustrie die Produktion, allein 2019 um sechs Prozent. Noch stärker betroffen sei die für den Freistaat besonders wichtige Automobilindustrie mit einem Produktionsminus von 15,5 Prozent im vergangenen Jahr. Auch kurz vor Auftreten der Corona-Krise sei keine Besserung zu beobachten gewesen. Die exportstarke bayerische Industrie habe schon vor Corona unter Strukturwandel, internationalen Handelshemmnissen, dem Brexit und den Russland-Sanktionen gelitten. Die Lohnstückkosten seien schon länger „jenseits von Gut und Böse“. „Uns setzt alles zu, was man sich derzeit vorstellen kann“, sagte Brossardt. Der Konjunkturabschwung werde über eine Delle hinaus gehen.
Die Kieler Wirtschaftswissenschaftler nehmen dennoch einen zeitlich begrenzten Einschnitt mit anschließendem Wiederanziehen der Konjunktur („V“-Form) an, schließen jedoch eine „U“-Entwicklung mit einer länger dauernden Durststrecke nicht aus. Der konjunkturelle Abschwung treffe mit den volkswirtschaftlich teuren Vorsorgemaßnahmen der Regierungen gegen die SarsCoV-2-Seuche
zusammen. Das sei eine „einmalige Kombination“, räumte Kooths ein. Die „zaghaften“Anzeichen für eine Konjunkturerholung hätten daher einem „scharfen Abschwung“weichen müssen. Einen „totalen Absturz“ohne anschließender Erholung („L“-Verlauf) erwarten die Kieler Wirtschaftsforscher aber nicht.
Wenn man eine Erholung erwartet, dann sind Liquiditätshilfen wie Erleichterung von Kurzarbeit und Kreditbeschaffungen sowie Steuerstundungen für die Wirtschaft das Mittel der Wahl, sagte Kooths. Die Beschlüsse der Bundesregierung vom Wochenende seien richtig und was
Berlin nicht mache, „macht Söder“, meinte Brossardt auch mit Blick auf ein für Freitag angesetztes Spitzengespräch der bayerischen Wirtschaft mit der Staatsregierung.
Die meisten größeren Unternehmen in Deutschland verfügten über eine gute bis hohe Eigenkapitalquote, sodass es für sie kein Problem sein sollte, Überbrückungskredite zu erhalten, meinte Kooths. Von „Konjunkturspritzen“riet der Wirtschaftswissenschaftler ab, insbesondere wenn sie in den nach wie vor boomenden Bausektor gehen sollten. Ein Ende der Baukonjunktur sei nämlich auch trotz Corona-Virus nicht absehbar. Zusätzliche Gelder dorthin flössen entweder nicht ab oder sie wirkten preistreibend. Auch von der Ankurbelung der privaten Konjunktur etwa durch Mehrwertsteuersenkung hielt der Kieler Experte wenig. Es passe nicht zusammen, die Leute einerseits zu veranlassen, zu Hause zu bleiben, und gleichzeitig in Massen in die Kaufhäuser locken zu wollen.
Arbeitgeber-Funktionär Brossardt will die laufende Tarifrunde in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie unabhängig von der Pandemie sehen, pocht aber wegen der sonstigen Probleme der Branche, der außenwirtschaftlichen Schwierigkeiten auf einen Tarifvertrag mit fünfjähriger Dauer. Die Unternehmen benötigten für diese fünf Jahre, Planungssicherheit. Die laufenden Verhandlungen, die mit einer weiteren Runde am kommenden Montag in München fortgesetzt werden, seien "komplex", sagte Brossardt.