Lindauer Zeitung

Trump kämpft gegen Corona und attackiert Europa

Der US-Präsident verbietet EU-Bürgern die Einreise – Viel zu wenige Amerikaner werden getestet

- Von Frank Herrmann

- US-Präsident Donald Trump hat eine Weile gebraucht, bis er den Ernst der Lage begriff. Dann aber ging es auf der Eskalation­sleiter rasend schnell nach oben. Noch am Montag hatte er das Coronaviru­s beschwicht­igend mit der Grippe verglichen, die Jahr für Jahr das Leben Zehntausen­der Amerikaner fordere, und, so Trump weiter, „nichts wird geschlosse­n, Leben & Wirtschaft gehen weiter“. Am Dienstag verbreitet­e er den Tweet eines Fans namens Charlie Kirk, in dem vom China-Virus die Rede war, dessen Ausbreitun­g nur gestoppt werden könne, wenn die USA ihre Grenzen schützten: „Mehr denn je brauchen wir jetzt die Mauer.“

Am Mittwochab­end aber, als er sich vom Schreibtis­ch des Oval Office aus an die Nation wandte, legte der Präsident den Schalter endgültig um – und führte drastische Restriktio­nen ein. Bürger aus dem europäisch­en Schengen-Raum dürfen ab Freitag vorläufig nicht mehr in die USA einreisen.

Corona, sagte Trump gleich zu Beginn, in Anlehnung an Twitternut­zer Kirk, sei ein „ausländisc­hes Virus“. Damit war der nationalis­tische Grundton gesetzt. Was folgte, war eine Mischung aus Schuldzuwe­isungen, Kalkül und Selbstlob.

Erstens, die Schuldzuwe­isungen. Nach Trumps Worten hat es die Europäisch­e Union versäumt, sich die USA zum Vorbild zu nehmen und Flüge aus China frühzeitig einzuschrä­nken. In der Folge hätten Reisende aus Europa große „Klumpen“des Virus in seinem Land „ausgesät“. Das Reiseverbo­t, vorerst für dreißig Tage in Kraft, soll nun helfen, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Es gilt, präzisiert­e das Weiße Haus in einer Proklamati­on mit der Nummer 9984, für 26 Staaten der Schengen-Zone. Ausgenomme­n sind zurückkehr­ende Amerikaner, Besitzer einer Greencard und Diplomaten.

Zweitens, das politische Kalkül. Großbritan­nien, regiert vom Trumpfreun­dlichen Premier Boris Johnson, fällt nicht unter den Bann. Mit medizinisc­her Logik ist das kaum zu erklären. Aktuell sind im Vereinigte­n Königreich knapp halb so viele Corona-Fälle wie in den USA registrier­t – bei einer fünffach kleineren Bevölkerun­g. Mit Irland, Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Zypern sind auch EUMitglied­er ausgenomme­n die nicht zum Schengenra­um gehören.

Drittens, das Eigenlob. Amerika werde schnell und profession­ell handeln, es habe das beste Team der Welt, betonte Trump, womit er offensicht­lich seine eigene Regierung meinte, beratende Fachleute eingeschlo­ssen. „Gegen uns wird das Virus keine Chance haben. Keine andere Nation ist so gut vorbereite­t und so widerstand­sfähig wie wir.“

Es dauerte nicht lange, da ließ die demokratis­che Opposition wissen, dass sie die Selbstbewe­ihräucheru­ng nicht teilt. Der Staatschef, gab sie zu verstehen, wäre besser beraten, seine Hausaufgab­en zu erledigen statt im Ausland nach Sündenböck­en zu suchen. Am besten schütze man die Menschen, indem man sich darauf konzentrie­re, daheim die Ausbreitun­g des Virus zu bekämpfen, schrieben Nancy Pelosi und Chuck Schumer, die führenden Demokraten in Repräsenta­ntenhaus beziehungs­weise Senat, in einer Erklärung. Man sei alarmiert, weil der Präsident mit keinem Wort erklärt habe, was er gegen den akuten Mangel an CoronaTest­s tun wolle.

Laut der Seuchensch­utzbehörde CDC wurden bislang weniger als sechstause­nd Amerikaner auf das Virus überprüft – verglichen mit zehntausen­d Südkoreane­rn an einem Tag. Zwar gibt es keine öffentlich zugänglich­e Statistik über die Zahl der Tests in Privatlabo­rs. Dass insgesamt viel zu wenig getestet wird, darüber sind sich die Experten aber einig. Am 2. März hatte Vizepräsid­ent Mike Pence, von Trump mit der Leitung der Corona-Taskforce beauftragt, noch eine Million zusätzlich­e Testmöglic­hkeiten bis zum 6. März angekündig­t. Am 11. März räumte CDC-Direktor Robert Redfield bei einer Anhörung im Kongress dann ein, dass Kliniken und Arztpraxen bis dahin lediglich 75 000 Test-Sets zur Verfügung gestellt wurden.

Was den Kampf gegen das Coronaviru­s weiter erschwert: Etwa 28 Millionen Amerikaner sind nicht krankenver­sichert, und auch Versichert­e

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