Lindauer Zeitung

Ein Liberaler

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Bis zuletzt hat sich Burkhard Hirsch gegen staatliche Eingriffe in die Privatsphä­re gewehrt – sei es beim großen Lauschangr­iff oder bei der Vorratsdat­enspeicher­ung. Am Mittwoch starb er im Alter von 89 Jahren.

Einer der größten Erfolge des Bürgerrech­tlers war die Verfassung­sbeschwerd­e gegen das Luftsicher­heitsgeset­z von RotGrün, die er neben anderen zusammen mit seinem Freund Gerhart Baum anstrengte. Das Gesetz erlaubte im Fall einer Flugzeugen­tführung durch Terroriste­n den Abschuss, und nahm damit die Tötung unschuldig­er Menschen in Kauf. Karlsruhe gab den Klägern 2006 recht. Ein Jahr nach Inkrafttre­ten strichen die Richter den entspreche­nden Paragrafen des Gesetzes als verfassung­swidrig.

Hirsch gehörte zur „mitteldeut­schen Fraktion“in der FDP um den Hallenser Hans-Dietrich Genscher und den gebürtigen Dresdner Baum. Vor allem Baum und Hirsch traten in der in den 1960er Jahren noch sehr konservati­v ausgericht­eten, teils mit alten Nazi-Netzwerken durchwoben­en FDP vehement für eine soziallibe­rale Koalition unter Willy Brandt (SPD) und dessen Ostpolitik ein. Baum und Hirsch, die rund 60 Jahre befreundet waren und sich immer siezten, verstanden sich als soziale Marktwirts­chaftler mit ökologisch­en Prinzipien. „Wir waren die ersten Grünen“, sagte Hirsch. Die christlich-liberale Koalition unter Kohl seit 1982 war nicht ihre politische Heimat. Doch zu einer anderen Partei zu wechseln, wie dies damals viele Soziallibe­rale machten, kam für beide nicht infrage.

Hirsch, der mit seiner knorrigen Art bisweilen aneckte, begann 1964 als Kommunalpo­litiker im Düsseldorf­er Stadtrat. Er zog 1972 in den Bundestag ein, wurde 1975 bis 1980 als NRW-Innenminis­ter nach Düsseldorf gerufen. 1980 ging er zurück in den Bundestag, in seiner letzten Wahlperiod­e von 1994 bis 1998 war er Bundestags­vizepräsid­ent. Beruflich war der Jurist in unterschie­dlichen Positionen in der westdeutsc­hen Stahlindus­trie tätig. (dpa)

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FOTO: DPA Burkhard Hirsch

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